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Potsdam-Mittelmark: „Es gab eine Menge Steine im Getriebe“

Schlussbilanz: CDU-Vizelandrätin Ilsemarie Schulz zu ihrem Verhältnis zum Landrat, Verwaltungszwängen und Verkehrsproblemen

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Schlussbilanz: CDU-Vizelandrätin Ilsemarie Schulz zu ihrem Verhältnis zum Landrat, Verwaltungszwängen und Verkehrsproblemen Sie gelten neben SPD-Landrat Lothar Koch als Urgestein im Kreis: Acht Jahre im Dienst, jetzt der Ruhestand. Wie werden Sie sich an das Landratsamt erinnern? Es war die letzte und schwierigste Station meines Berufslebens. Was ich hier an Menschen, Visionen und Umsetzungen kennen gelernt habe, wird mir positiv in Erinnerung bleiben. Es gab eine Menge Steine im Getriebe. Wir haben uns trotzdem bemüht, das Wohl der Bürgers im Auge zu behalten. Ihr Verhältnis zu Landrat Koch galt immer als angespannt. Man erinnert sich, dass der Landrat sie bei der Staatsanwaltschaft wegen der Affäre um die kreiseigene GZG angezeigt hatte, ohne Sie in Kenntnis zu setzen. Wie hat das funktioniert? Es waren drei Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft mit dazugehörigen Disziplinarverfahren. Noch am Tag meiner Wahl wurde ich beschuldigt, als Geschäftsführerin der Wirtschaftsfördergesellschaft, wo ich zuvor gearbeitet hatte, zu hohe Aufwandsentschädigungen erhalten zu haben. Aber alle Anschuldigungen stellten sich ja als haltlos heraus. Meine politischen Vorturner wie Wolfgang Hackel hatten mich schwer überzeugen müssen, in so hohem Alter überhaupt in die Politik einzusteigen. Ich bin am Ende dankbar, dass ich auf diesem Weg Gelassenheit und preußische Härte lernen durfte. Auch das Verhältnis zwischen CDU- und SPD-Fraktion war ja oft angespannt. Koalitionen platzten und die SPD hatte Ihnen im letzten Kommunalwahlkampf mangelnde Führungsqualitäten vorgeworfen. Wie sehen Sie die kommende Kreistags-Koalition von CDU, SPD, FBB und FDP? So ist das im Leben, man sieht sich nicht nur einmal. Die CDU ist größte Kreistagsfraktion, dass sind andere Voraussetzungen als bisher. Der Größte im Bunde bestimmt die Tonart, da hat es mein Nachfolger einfacher. Wir können alte Themen aufgreifen und CDU-Handschrift ins Landratsamt tragen. Wie wird die aussehen? Dass wir uns zum Beispiel weiter kritisch den kreislichen Beteiligungen zuwenden, also den kreiseigenen Gesellschaften. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass alles, was ein Privater besser machen könnte, nach gründlicher Prüfung in private Hände gegeben werden sollte. Die kommunale Beteiligungsverwaltung war ja einige Jahre in Ihren Händen. In diese Zeit fällt die Affäre um die ins Trudeln geratene GZG (Gesundheitszentrum Teltow GmbH), für die der Landkreis mit Millionenbeträgen gerade stehen musste. Was hätte man im Rückblick bei der GZG anders machen müssen? Vom Ansatz habe ich das mitgetragen: Potenziale entwickeln, um sozial Schwachen zu helfen, indem man durch kreisliches Wirtschaftshandeln Überschüsse erzielt und quer finanziert. Dass aber die Zahl der GZG-Töchter unüberschaubar anwuchs, die Kontrolle unmöglich wurde, habe ich früh kritisiert. Aber der Landrat war Aufsichtsratschef und Gesellschaftervertreter, er saß am Schalthebel. Ich habe mit dem früheren Sozialbeigeordneten Günter Baaske vergeblich versucht, auf ihn Einfluss zu nehmen. In den Jahren 2001 bis 2003 gab es nach der gescheiterten SPD-CDU-Bauern-Koalition eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS, man hatte damals vermieden, es als Koalition zu bezeichnen. Rotrot mit einer schwarzen Vizelandrätin – wie fühlt man sich da? Ich hatte mich in DDR–Zeiten zurückversetzt gefühlt, wurde von der PDS wie der Klassenfeind betrachtet. Das war auch die Zeit, wo ich sechs „Entsorgungsgespräche“ beim Landrat und sieben angedrohte Abwahlanträge hatte. Ich sollte weg hier aus der Verwaltung, ich bin geblieben. Ein Wahlbeamter hat seine Arbeit dort zu tun, wo ihn das Gesetz hinsetzt. Mich hat aber auch immer die Rechtschaffenheit derer begleitet, die mein Vertrauen erwidert haben. Es gab offenbar auch angenehme Erfahrungen mit Landrat Koch: Bei der Verabschiedung hat er Ihren Beitrag zu Wirtschaftsansiedlungen im Landkreis gelobt. Was sehen Sie als Erfolge Ihrer Amtszeit? Bei meinem Amtsantritt war die Wirtschaftsförderung in meinem Verantwortungsbereich. Da ging es darum, Existenzen zu sichern und mittelständischen Firmen den Weg zu Betriebserweiterungen zu ebnen oder durch Marketing und Beratung Ansiedlungen in den 33 Gewerbegebieten des Landkreises zu fördern. Projekte wie die Chip-Fabrik haben wir in Potsdam-Mittelmark allerdings nicht zu bieten, vielleicht ist es besser so. Sie hatten auch den Fachbereich Verkehr unter sich. Da gibt es derzeit zwei heiße Eisen: Die Potsdamer Ortsumgehung und die Verkehrsgesellschaft Havelbus, die sich ab 2008 dem europäischen Wettbewerb stellen muss. Es gibt ja schon ein Vorgeplänkel: Die Verkehrsbetriebe in Potsdam bemühen sich unsanft, der Havelbus lukrative Linien im früheren Amt Fahrland abzuluchsen. Wie wird sich die „Havelbus“ im freien Wettbewerb durchsetzen? Der Landkreis ist ja nicht alleiniger Gesellschafter der Havelbus, wir müssen uns mit dem Landkreis Havelland abstimmen. Bei Auseinandersetzungen um den Jahresabschluss ist das manchmal nicht einfach, jeder fühlt sich vom anderen übervorteilt. Der Kreistag möchte deshalb ein Konstrukt, in dem der Landkreis 100-prozentiger Gesellschafter ist, um alle Synergien im Landkreis und auch mit der Belziger Verkehrsgesellschaft nutzen zu können. Das muss sehr sensibel passieren, denn die Havelbus ist eines der größten kommunalen Verkehrsunternehmen in Brandenburg mit einem unstrittig guten Ruf. Wir sind mit der Stadt Potsdam im Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg im Gespräch, auch über das Problem im Amt Fahrland. Der VBB hat Ideen, großflächigere regionale Verkehrsgesellschaften aufzubauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Vielleicht ist das ein gemeinsamer Weg. Widerspricht es sich nicht, wenn der VBB größere Einheiten möchte, der Kreistag die Havelbus aber quasi zerschlagen will? Nein, wir machen uns gesellschaftsrechtlich unabhängig, können aber unter dem Dach einer Holding trotzdem auch mit anderen Partnern, zum Beispiel in Brandenburg und Potsdam, zusammenrücken. Thema Netzverknüpfung: Da hat man den Eindruck, der Kreistag will sie nicht, das Landratsamt arbeitet aber trotzdem weiter daran. Das macht mich traurig, dass nach außen dieser Eindruck entsteht. Machen wir es konkreter: 1999 hat sich der Kreistag per Beschluss gegen die Netzverknüpfung ausgesprochen. Trotzdem steht sie als Arbeitsziel in einem Vertragsentwurf für eine Arbeitsgruppe, die mit Potsdam ein Verkehrskonzept für die Region erarbeiten soll. Der Vertragsentwurf kommt aus Ihrer Verwaltung. Dass die B1 und die B2 sich in der Landeshauptstadt schneiden, ist für den Innenstadtverkehr ein Problem. Es ist logisch, dass sich auch die Landesregierung Gedanken macht, ob man die Straßen außerhalb verknüpfen könnte. Die Klugheit besteht darin, ordentlich und sachgerecht abzuwägen. Dazu müssen die verfahrensführenden Behörden und Politiker aber erstmal miteinander reden. Dass das bis jetzt noch nicht geschehen ist, dafür habe ich kein Verständnis. Es besteht so viel Misstrauen, dass wir über die Formalien nicht hinausgekommen sind. Letztlich befindet sich die Trasse über den Templiner See ja auf Potsdamer Territorium. Ihr Nachfolger wird Ihr Parteikollege Christian Stein, derzeit noch Vorsitzender des Kreistags. Worauf wird er zu achten haben, wenn er gewählt wird? Mit seinem Amtsantritt wird eine neue Struktur zum Zuge kommen: Drei Fachbereiche werden ihm zugeordnet, zwei dem Landrat. Christian Stein kennt die Fallstricke der politischen Ebene. Er ist fleißig, verlässlich und fair, wird es aber in allen drei Fachbereichen – Personal und Finanzen, Ordnung und Verkehr sowie Umwelt und Landwirtschaft – nicht leicht haben. Besonders im Bereich Personal und Finanzen werden kaum Lorbeeren zu verdienen sein. Ich glaube, da muss er besonders Acht geben. Wie sieht Ihre Zukunft aus? Ich werde in wenigen Wochen 63, da möchte ich schon noch etwas Abtrainieren. Deshalb werde ich mich verstärkt ehrenamtlich einbringen: im Tourismusverband Havelland, bei den Wirtschaftskontakten mit unserem polnischen Partnerlandkreis Nowy Tomysl oder bei der Kreismusikschule. Nicht zuletzt habe ich jetzt Zeit, den CDU-Kreisvorstand zu verstärken. Und außerdem hat meine Familie Bedarf angemeldet. Das Interview führte Henry Klix

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