Potsdam-Mittelmark: Falsche Richtung
Kommunalpolitiker sind sauer, wie der Landkreis ihre Gemeinden beschildert
Stand:
Potsdam-Mittelmark - Wer auf der Phöbener Straße nach Werder fährt, muss vor der Bahn scharf rechts abbiegen. Ortskundige kennen natürlich den Winkel in der Hauptstraße. Zudem gab es früher ein gelbes Karo mit schwarzem Rechteck für „abbiegende Hauptstraße“. Seit das Schild abmontiert wurde, ist die Situation an der 100-Grad-Kurve weniger eindeutig: Auswärtige wurden wiederholt beobachtet, wie sie geradeaus weiter in die verlassene Elsastraße rasten. Mindestens einmal hat es fast einen Unfall mit einem aus der Phöbener Straße entgegenkommenden Motorrad gegeben.
Andere solcher Ecken sind dazugekommen: Am Scala-Kino wurde das abbiegende Hauptstraßenschild ebenso abgenommen wie an den beiden 90-Grad-Kurven in Petzow. Für Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) sind es „nicht nachvollziehbare Schreibtischentscheidungen“.Wenn sich Bürger bei ihm beschweren, hebt er abwehrend die Hände: Für die Straßenbeschilderung zuständig ist das Verkehrsamt des Landkreises. „Die Probleme und den Ärger haben wir dann am Hacken.“
Auch als Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg (SGB) hat Große ein vitales Interesse an einer Änderung der Lage. Mit anderen Kommunen im Land Brandenburg hat sich Werder für ein Projekt beworben, dass der SGB mit dem Landesausschuss für Bürokratieabbau vereinbart hat: Voraussichtlich ab Sommer sollen mehrere Modellregionen für zwei Jahre versuchsweise selbst ihre Straßenbeschilderung vornehmen. SGB-Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher hofft, dass sich bestehende Ängste dann als gegenstandlos erweisen. „Wir werden sehen, dass kein neuer Schilderwald entsteht und auch nicht ganze Gemeinden zu 30-Zonen werden.“
Auf die Gemeindereform müsse nach drei Jahren der nächste Schritt folgen, fordert Böttcher: Die Landkreise müssten, wie versprochen, Aufgaben an die gestärkten Kommunen abtreten. So ließe sich wohl auch ein Lapsus vermeiden, wie er kürzlich in Wildenbruch passierte: Dort hatte das Verkehrsamt ungebeten einen Wegweiser an der L 73 ersetzt. In Richtung Wildenbruch wurde nur noch Zauchwitz und Luckenwalde angezeigt, der neue Wildenbruch-Pfeil führte stattdessen in den stillen Ortsteil Wildenbruch-Siedlung. Ausflügler fuhren orientierungslos durch die Pampa. Erst nach massiver Intervention der Gemeinde wurde der Unsinn verändert.
Wie schwer der Kreis sich damit tut, sich von Aufgaben zu trennen, ließ das Modellprojekt für eine Zulassungsstelle in Beelitz erkennen, das von Wissenschaftlern, Politikern und der Stadtverwaltung als voller Erfolg gewertet wurde. Dennoch wurde es durch den Landkreis nicht weitergeführt. „Ein Machtkampf, um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Verwaltungen behalten zu können“, sagt SGB-Geschäftsführer Böttcher. Neben den Ladenöffnungszeiten oder der Vergabe von Baugenehmigung wäre auch die Straßenbeschilderung eine Möglichkeit zu zeigen, dass man es ernst nimmt mit Bürokratieabbau und Bürgernähe.
Von der hat der Ortsbeirat in Neuseddin wenig gespürt, als gegen seinen Willen nach der Straßensanierung der Kunersdorfer Straße Tempo 30 aufgehoben wurde – selbst vor dem gefährlich engen, langen Bahntunnel. In Werder wurde ein Jahrzehnte geltendes 30 in der Moosfennstraße gestrichen – um der Raserei in der engen Einbahnstraße dann durch beidseitiges Parken Einhalt zu bieten zu wollen. Bürgermeister Große: „Ich weiß nicht, wo der sittliche Nährwert liegt.“
Auch in Schwielowsee trauert man 30-Bereichen hinterher. Bürgermeisterin Kerstin Hoppe zeigt sich besorgt, dass auch in der Straße der Einheit in Caputh, wo es durch das Schloss, das Bürgerhaus und das Seniorenheim viel Publikumsverkehr gibt, Tempo 30 nicht mehr gilt. Auch Hoppe spricht sich dafür aus, den Gemeinden die Beschilderung zu übertragen. „Wir vor Ort wissen doch am besten, wo Gefahrenpotenziale liegen.“ Und das Verkehrsrecht müsste bei allen Entscheidungen auch von den Gemeinden beachtet werden.
Dass es den Kommunen nicht darum geht, überall den Verkehr zu verlangsamen, macht Werders Bürgermeister Große am Beispiel der Phöbener Chaussee (Richtung Autobahn) hinter den Havelauen deutlich: „Wo jetzt 60 zulässig ist, könnte auch 80 gefahren werden“. Dass das Verkehrsrecht hier wirklich Auslegungssache ist, zeigt sich in der anderen Richtung: Da ist 80 erlaubt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: