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Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD, rechts) stellte sich den Protestlern, verteidigte aber das Projekt „Großflughafen Schönefeld“ und erntete Pfiffe.

© Thomas Lähns

Potsdam-Mittelmark: Fluglärm-Gegner auf Abfangkurs

Massive Störungen bei SPD-Veranstaltung in Wilhelmshorst / Minister Vogelsänger referierte über Avus-Ausbau und Bahn-Sperrung

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Michendorf – Seine Mission war ohnehin schon heikel: Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) war am Dienstagabend einer Einladung der Michendorfer SPD nach Wilhelmshorst zur Bürgerversammlung gefolgt. Thema: „Droht Potsdam-Mittelmark ein Pendler-Chaos?“ Ab Juni wird mit dem Ausbau der Avus begonnen, ab Dezember werden auch noch die Regionalbahngleise ab Wannsee gesperrt.

Doch noch schwerer als Staus und überfüllte S-Bahnen wiegt der befürchtete Fluglärm vom Großflughafen Schönefeld über der Region: Während sich Pendler und Politiker in der Alten Turnhalle den Kopf zerbrachen über Alternativen zum Haupteinfallstor nach Berlin, störten von draußen die Demonstranten die Runde. „Vogelsänger raus!“ oder „Wir sind das Volk“ riefen vornehmlich Schüler, während Hände und Steinchen kontinuierlich ans Fenster klopften. Neben der Ministerehre wurde dabei auch eine Scheibe beschädigt.

Die Initiative „Fluglärmfreie Havelseen“ hatte im Vorfeld mobil gemacht, um Vogelsänger auf dem Gelände der Oberschule abzupassen. Etwa 450 Leute waren gekommen – ausgerüstet mit Schildern und Transparenten und in Rage gebracht durch die Aussicht auf Überflüge im Minutentakt. Vogelsänger stellte sich in einer kurzen Ansprache den Protestlern, verteidigte aber das Projekt „Großflughafen Schönefeld“. Dafür erntete er Pfiffe. Mit planmäßigem Beginn der SPD-Runde brach sich der Unmut dann Bahn: Eine Stunde lang dauerten vor dem Haus die Schmährufe und machten die Diskussion drinnen schwierig.

Wenig erfreulich war auch das Thema des Abends. Denn schon jetzt ist klar: Berlin-Pendler aus der Mittelmark brauchen in nächster Zeit starke Nerven. Avus-Ausbau und die dringende Erneuerung der Bahnbrücken zwischen Wannsee und Charlottenburg sind zwar in erster Linie Berliner Projekte, doch haben sie für Brandenburg enorme Auswirkungen. 22 Prozent aller berufstätigen Mittelmärker arbeiten in der Hauptstadt. Immerhin habe man erreichen können, dass während der Bauzeit auf der Autobahn die meiste Zeit vier Fahrspuren erhalten bleiben, so Vogelsänger. Geplant waren nur drei. Gebaut werden soll in vier Abschnitten und immer nur in einer Fahrtrichtung. Erst zwischen März und November 2013 komme „der Härtestest“: Dann wird die westliche Fahrbahn zwischen Spanischer Allee und Hüttenweg ausgebaut, auf fünf Kilometern bleibt in dieser Zeit stadteinwärts nur noch eine Spur.

Das Land Brandenburg werde während der dreijährigen Bauzeit seine Vorhaben auf dem Berliner Ring – und damit auch Sperrungen – auf das Nötigste reduzieren, so der Minister. Aber was ist mit dem geplanten achtspurigen Ausbau der A 10 zwischen Nuthetal und Potsdam? Ein Zuhörer vermisste das Mammutprojekt des Bundes, das im selben Zeitraum umgesetzt werden soll, in den Ausführungen. „Wir sind zurzeit in der Planfeststellung, und ich hoffe, dass wir bald in den Bau kommen“, so Vogelsänger. Wie das zur Avus-Sanierung passt, blieb offen.

Die geplante Sperrung der Regionalbahnstrecke erinnerte die Gäste am Dienstagabend an ein weiteres leidiges Thema: Die Abkopplung ihrer Gemeinde ab 2012 von der Regionalbahn nach Schönefeld. Durch kürzere Fahrzeiten soll die Linie für Passagiere aus Potsdam attraktiver werden. Die Fahrgastzahlen sollen von derzeit 600 pro Tag auf über 1000 gesteigert werden, erläuterte Referatsleiter Jobst-Hinrich Ubbelohde. „Gibt es durch die Sperrungen nicht triftige Gründe, unsere Gemeinden dranzulassen?“, fragte Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU). „Wir haben die Alternativen geprüft – es funktioniert alles nicht“, entgegnete Ubbelohde.

Diese Endgültigkeit sorgte für Kritik: „Eine Sauerei, wie wir abgeblockt werden“, schimpfte der Michendorfer Gemeindevertreter Peter Pilling (Die Linke). Die Langerwischer Landtagsabgeordnete Susanne Melior (SPD) formulierte es diplomatischer: Es sei schwierig, dass Michendorf ausgerechnet mit Eröffnung des neuen Großflughafens Schönefeld abgekoppelt werde.

So war man schließlich auch drinnen wieder bei den Flugrouten angekommen. Das Pendler-Chaos indes scheint trotz Umleitungen und Taktverdichtungen programmiert, denn für viele Züge ist in Wannsee Endstation. „Was dann dort alles ankommt, kriegen sie nie abtransportiert“, mahnte ein Zuhörer.

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