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Die sieben Despoten der Welt. Sie haben der Welt das Fürchten gelehrt und die Bevölkerung ihrer Länder oft in Hunger und Not getrieben. In Teltow sind Mahmud Ahmadinedschad, Idriss Déby, Omar al-Bashir, Kim Jong-Il, Robert Mugabe, Muammar al-Gaddafi und Thein Sein (v.l.) auf alte Mauerteile gemalt. Das Werk will zeigen, dass es noch viel mehr Mauern einzureißen gilt. So ist es darauf in Englisch zu lesen.

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Freiheitskämpfer statt Despoten

In Nelson Mandela und Willy Brandt haben sie sich in Teltow verguckt: In der Stadt wird überlegt, die Kunstwerke für die eigene Mauer-Galerie zu kaufen – außer die provokanten Bilder von sieben Unterdrückern

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Teltow - Freiheit und Unterdrückung trennen in Teltow nur zwei, drei Schritte. Hier lachen Nelson Mandela und Willy Brandt vom Beton der ehemaligen Mauerteile, gleich daneben grimmen sieben der brutalsten Despoten der Welt um die Wette. Seit an Seit stehen der südafrikanische Anti-Apartheidskämpfer und der frühere Bundeskanzler am Teltowkanal neben den Politikern, deren Namen allein einen Schauer über den Rücken laufen lassen: Mahmud Ahmadinedschad, Kim Jong-Il, Robert Mugabe, um nur drei zu nennen. Auch wenn sich ihre politischen Ziele unterscheiden, eines haben die von zwei jungen Malern auf historischem Beton gemalten Berühmtheiten gemein: Sie buhlen um einen Käufer.

In etwa einem Jahr will die Stadt Teltow mit den Arbeiten für einen Freizeithafen beginnen. Genau dort, wo heute an der Oderstraße noch die alten Mauerteile lagern, sollen schon bald Kapitäne ihre Segelschiffe anlegen. Der Besitzer der eindrucksvollen Mauersammlung, Elmar Prost, sucht deshalb händeringend nach Käufern für die Erinnerungsstücke der deutsch-deutschen Teilung. Weil sich für den kargen Beton lange kaum jemand interessierte, begannen Künstler aus aller Welt die Mauerteile zu verzieren. Seit auch Maler wie der für seine schon in Berlin auf die Mauer gemalten runden, glubschäugigen Köpfe bekannte Thierry Noir begannen die Teile zu verschönern, finden sich Interessenten: das nicht nur in Korea, New York, Tokio oder Österreich, sondern nun auch in Teltow.

Zumindest Nelson Mandela und Willy Brandt haben es Steffen Heller angetan. Mit einem Brief und der Bitte, einige der Mauerteile zu erwerben, hat sich der Teltower Linken-Stadtverordnete jetzt an das Rathaus gewandt. Im Kunst- und Kulturausschuss wurde bereits über den Vorschlag diskutiert. Die Stelen könnten die bereits vor Jahren begonnene „Teltow-Gallery“ ergänzen. Dabei handelt es sich um eine kleine Sammlung bunt verzierter Teile der alten Mauer in der Stadt.

Patrice Lux freut das. Der 51-jährige gelernte Bühnenbildner aus Berlin vertritt einige der bekanntesten Mauermaler als Kurator des Berliner Freedom-Parks. An der Oberbaum-Brücke und am Checkpoint-Charly wurden und werden einige der Teltower Mauerteile ausgestellt. Was sich dort nicht verkauft, landet irgendwann wieder am Teltowkanal, sagt Lux.

Allein der graue Beton der Mauer habe ohne Bemalung so gut wie keinen Wert, sagt Lux. „Dafür gibt heute keiner mehr auch nur einen Euro aus.“ Erst wenn sich die Künstler daran machen, wird er wertvoll. Der Kurator beziffert den Preis für die vom Spanier Victor Landetta mit dem Konterfei von Mandela, Brandt und auch von Albert Einstein bemalten Teltower Betonteile auf etwa 6000 bis 10 000 Euro pro Stück. Einige der wertvollsten in aller Welt verstreuten Mauerteile konnte er schon für bis zu 100 000 Euro verkaufen. Bekannt ist auch, dass einige wenige sogar für Millionen-Preise versteigert wurden. „Mit den Kunstwerken will niemand die DDR und ihren anti-imperialistischen Schutzwall würdigen“, sagt Lux. Vielmehr geht es um den Ausdruck des Freiheitswillens der Deutschen. Die Mauer ist und bleibt ein Symbol.

Schon vor dem Fall der Mauer habe sich dieser Wille in den bunten Bildern auf der West-Berliner Seite des Betons gezeigt, sagt Lux. Auch der erst 27-jährige japanische Künstler – dessen Name nicht genannt werden soll – spiele mit den Abbildern der sieben gemalten Despoten darauf an. Neben Ahmadinedschad, Kim Jong-Il und Mugabe hat er auch Idriss Déby, Omar al-Bashir, Muammar al-Gaddafi und Thein Sein verewigt. „Wir machen nicht nur gefällige Kunst“, sagt Lux. Die sieben Despoten wurden im Rahmen des Friedens-Filmfestivals „Cinema for Peace“ am Berliner Gendarmenmarkt ausgestellt, bevor sie wieder in Teltow landeten. Für sie gebe es bereits Interessenten.

Doch bis zum Verkauf, maximal bis zum Baustart für den Freizeithafen, sollen die Mauerteile noch auf dem Gelände der dort ansässigen Baustofffirma Klösters lagern. Deren Vorgänger-Betrieb, die Volkseigenen Betonwerke Teltow, hatte die knapp vier Meter hohen und 3,5 Tonnen schweren Mauersegmente zu DDR-Zeiten einst in seiner Produktionspalette und lieferte sie unter anderem nach Berlin zur Zementierung der deutschen Teilung.

Nach ihrer Demontage im Jahr 1990 wurden sie zum Teil zurück nach Teltow gebracht. Klösters hatte die Betonwände von der Nationalen Volksarmee zurückgekauft. Der Betrieb verwendete die Stelen eine Zeit lang als Boxen für Schüttgut. Als kein Bedarf mehr bestand, stellte Klösters einige Segmente für die Idee der „Teltow Gallery“ zur Verfügung.

Um die übrigen kümmert sich nun Elmar Prost. Um die bereits kunstvoll bemalten Mauerteile macht sich der Klösters-Geschäftsführer keine Sorgen. Sie werden ihren Käufer finden. Für die noch grauen Teile hat er indes ein besonderes Angebot: Wer will, kann am Teltowkanal selbst zum Mauer-Künstler werden. Gegen Gebühr kann man die Segmente mieten, bemalen und anschließend sogar gegen eine weitere Provision verkaufen.

www.mauerteilebemalen.de

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