Pilzwanderung in Caputh: Für manche Pilze ist es noch zu warm
Das milde Wetter macht die Suche nach Pilzen in Brandenburgs Wäldern derzeit sehr angenehm. Doch für manche Arten sind die Temperaturen immer noch zu hoch.
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Schwielowsee - Dass sich eine Menschengruppe mit Körben auf Pilzsuche begibt, ist in Caputh kein ungewöhnlicher Anblick. Ungewöhnlich ist er jedoch, wenn sich die Pilzsucher zwischen Weihnachten und Neujahr auf den Weg machen – wie am gestrigen Sonntagvormittag. So richtig winterlich ist es derzeit sowieso nicht, sodass rund um den Caputher See immer wieder kurzärmelige Jogger auf die zwölf Pilzsucher trafen. Fraglich, wer wen für verrückter hielt.
Aber Pilze gibt es doch nur im Sommer und im Herbst, oder? Weit gefehlt, wie der Caputher René Christ feststellt. „Die meisten denken, es sei jetzt viel zu kalt für Pilze, aber eigentlich ist es noch zu warm.“ Christ hatte bereits im Sommer bei Facebook die Gruppe „Potsdam: Pilze, Kräuter und Natur“ gegründet, die mittlerweile mehr als 250 Mitglieder zählt – und in der er nun zur Winterpilzwanderung aufrief, der auch ein Dutzend Neugieriger folgten.
Weg vom Boden, hin zu Bäumen
Dass viele Pilze, die man ganz normal im Supermarkt kaufen kann, klassische heimische Winterpilze sind, das wissen die wenigsten. Der bekannteste Vertreter ist sicherlich der Austernseitling, der oft unter dem Namen „Kalbfleischpilz“ im Handel auftaucht. In hiesigen Wäldern ist er an Laubbäumen zu finden, besonders gern an totem Buchenholz. Das Besondere am Austernseitling: Er braucht niedrige Temperaturen, um überhaupt wachsen zu können. Ab 11 Grad Celsius wächst er nicht mehr – und benötigt oft einen Frostschock, um Fruchtkörper bilden zu können. Derzeit ist er recht gut zu finden, auch wenn es ihm schon etwas zu warm ist.
Ein bisschen muss man die Blickrichtung ändern, wenn man im Winter Pilze suchen will: weg vom Boden, hin zu den Bäumen. Auch wenn derzeit sogar Pfifferlinge gefunden werden, hat der klassische Bodenbewohner fast ausgedient – bis auf den Frostschneckling vielleicht, ein typischer Bewohner märkischer Kiefernwälder, der sandige Böden liebt. Doch auch dem Frostschneckling ist es zu warm, lediglich zwei Exemplare fanden am Sonntag den Weg in den Korb.
Die anderen Pilze wachsen direkt auf Holz, was sie manchmal unerreichbar macht. Das ist wie mit den besten Früchten, die ganz oben hängen: da muss eben Räuberleiter oder Klettern sein. Der Lohn der Anstrengung ist etwa der Samtfußrübling, der in der asiatischen Küche „Enoki“ genannt wird. Ein leuchtend gelber, büschelig wachsender Holzbewohner mit ausgesprochen fruchtigem Geruch und Geschmack.
Im Winter wird es schwieriger, sich zu vergiften
Gute Beute ist derzeit auch mit dem Judasohr zu machen, ein Ständerpilz, der tatsächlich oft wie ein Ohr aussieht. Kaufen kann man den vitaminreichen, entzündungshemmenden Pilz auch unter dem Namen „Mu-Err“ – chinesisch für „Wald-Ohr“. Am häufigsten ist er an Holunder zu finden – also auch rund um den Caputher See. Zu seinem Namen soll er übrigens gekommen sein, weil sich der biblische Judas an einem Holunderbaum erhängt haben soll. Und natürlich wegen seiner Form.
Sich richtig zu vergiften, das könnte im Winter schwerer als im Sommer werden, aber es gibt natürlich auch giftige Pilze. Der Grünblättrige Schwefelkopf etwa kann Erbrechen und Durchfall auslösen, ist aber schon beim Kosten so abstoßend bitter, dass man kaum weiter davon essen könnte. Der Weiße Anistrichterling dagegen riecht angenehm nach Lebkuchen – enthält aber das Nervengift Muskarin. Aber auch im Winter gilt die Regel, dass man nur Pilze mitnehmen sollte, die man genau kennt – und die gibt es gerade ausreichend. Vielleicht sind Spaziergänger mit Korb nach Weihnachten in Zukunft kein so ungewöhnlicher Anblick mehr.
Unser Autor ist im Brandenburgischen Landesverband der Pilzsachverständigen (BLP) und regelmäßig im Wald anzutreffen
Oliver Dietrich
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