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Potsdam-Mittelmark: Fußball-EM per Joystick

Finger-statt Fußakrobatik: In Werder dribbelten sich elf Spieler durch die Geschichte der Spielkonsolen

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Werder (Havel) - Manche machen’s im Sitzen, andere im Stehen. Einige gehen in die Hocke, manche in die Knie. Während in den Fußballstadien in Polen und in der Ukraine seit vergangenem Freitag bei der Europameisterschaft Fußball auch als intensiver Laufsport inszeniert wird, ist der Bewegungsradius der in Werder(Havel) angetretenen Kicker arg limitiert. Lediglich schnelle Finger brauchen die elf jungen Männer bei der Konsolen-Spiele-EM im Werderpark.

Als Begleitprogramm zur Euro 2012 hat die Medien- und Marketingagentur „Mar Vista Media“ für den Werderpark nach dem besten Spielkonsolen-Kicker gesucht. Bereits die ganze Woche waren in der Einkaufspassage Konsolen – Leihgaben des Berliner Computerspiele-Museums – ausgestellt: Geräte sechs verschiedener Generationen von 1983 bis 2010, vom Spiele-Klassiker „Super Mario“ bis zur wirklichkeitsnahen FIFA-Soccer-International-Animation. „Die Geschichte der Computerspiele geht sogar in die 50er Jahre zurück“, sagt Game-Experte Michael Liebe von der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH. Die ersten kommerziellen Konsolen kamen zu Beginn der 70er Jahre auf den Markt, die ersten Fußballspiele simulierte Nintendo 1983.

Da sahen die virtuellen Spieler eher aus wie Gummibären, denen zufällig der Ball vor die Füße fiel. Die Steuerung ist hier zwar vergleichsweise simpel, aber für Jonas und Max „total ungewohnt“. Wie Antiquitäten halten die beiden 15-Jährigen die Controller in den Händen. Die beiden waren noch nicht geboren, als sich 1996 die Spielkonsolen-Familie an der ersten Soccer-Simulation begeisterte, „bei der man einen richtigen Pass und richtige Kombinationen spielen konnte“, wie sich Robert Adam vom Computerspiele-Museum erinnert. Und je realistischer die Animationen geworden sind, desto mehr sind auch taktisches und strategisches Verständnis gefordert, meint Adam. Inzwischen sei jeder Konsolen-Spieler mindestens auch Bundestrainer.

Anders als bei den Nachwuchs-Gamern Jonas und Max werden bei Sebastian Hemesath Jugenderinnerungen wach. „Ich habe alle Konsolen durch, die hier stehen“, sagt der Potsdamer, der mit seinen 30 Jahren der älteste Turnierteilnehmer ist. Seit der Grundschule malträtiert er Tasten und Joysticks, die sich mit der Zeit auch optisch sehr verändert haben. Von Fernbedienungen mit drei farbigen Knöpfen entwickelten sich die Steuerungen zu Controllern mit Tasten und Joysticks, die an ein Flugzeugcockpit erinnert. „Doch die Basisfunktionen sind unverändert“, sagt Hemesath - nur die Zahl der Schuss- und Passvarianten, der Dribblings, Zweikämpfe oder Torhüter-Aktionen hat sich erhöht. Und nicht nur das: Mussten die Spiele-Hersteller früher für Lizenzen bezahlen, um die Namen von Spielern oder auch Reklame verwenden zu dürfen, „bekommen sie heute viel Geld von Vereinen und für Werbung“, sagt Liebe. Je fotorealistischer die Simulationen wurden, desto größer wurde auch das Interesse der Fußballverbände. „Das erhöht ungemein deren Popularität“, begründet Liebe.

Gut sieben Stunden dribbeln, flanken und schießen sich die elf Spieler im Werderpark durch die Geschichte von sechs Generationen virtuellen Fußballs. In der Vorrunde spielen sie im Jeden-Jeden-Modus an allen sechs Konsolen. Die Viertel- und Halbfinals werden mit Hin- und Rückspielen absolviert, sodass jeder Spieler seine bevorzugte Konsole bestimmen kann. Im Endspiel setzt sich jahrelang geschulte Fingerakrobatik durch: Der Turnier-Älteste Sebastian Hemesath gewinnt das finale Match an der Playstation 2. Der Siegerpokal ist – standesgemäß – eine Wii-Spielekonsole. Europameister wurde übrigens Frankreich nach einem 1:0-Sieg über Italien – aber nur virtuell.

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