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In Teltow können die Stahnsdorfer Flüchtlingskinder mit anderen Hortkindern gemeinsam Fußball spielen, aber auch singen oder basteln.

© Ursula-Wölfel-Grundschule Teltow

Flüchtlinge in Stahnsdorf und Teltow: Fußball für die Integration

Ein Netzwerk will in Stahnsdorf Flüchtlingskindern beim Ankommen helfen. Dabei hilft auch Sport.

Von Enrico Bellin

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Teltow / Stahnsdorf - Kinderfüße stampfen über das Parkett der Sporthalle des Schulcampus in der Lichterfelder Allee in Teltow. Klevis tobt von einem Hallenende zum anderen, gemeinsam mit den Grundschülern jagt der elfjährige albanische Flüchtling am gestrigen Dienstag dem Ball hinterher. Schließlich landet er mehrmals im gegnerischen Tor, Klevis’ Mannschaft gewinnt und die Kinder rennen vor Freunde kreischend in die Waschräume. 17 Flüchtlingskinder aus dem Stahnsdorfer Übergangswohnheim spielen in Teltow derzeit gemeinsam mit etwa 50 Kindern aus dem regulären Schulhort. Neben Sport werden jetzt in den Schulferien auch Musik und Werken angeboten. „Ich komme gern her und hab schon viel Fußball gespielt und Freunde kennengelernt“, sagt Klevis, der seit sieben Monaten in Deutschland lebt und dafür beeindruckend gut Deutsch spricht.

Anfangs noch Welle der Unterstützung in Stahnsdorf

Gelernt hat er das in der Stahnsdorfer Integrationsklasse der Heinrich-Zille-Grundschule. „24 Kinder werden dort in zwei Klassen betreut, jeweils von zwei Personen gleichzeitig“, sagt Marco Hintze. Der 41-jährige Ergotherapeut arbeitet seit September als Lehrbeauftragter der Kreisvolkshochschule in den Integrationsklassen, jeweils dienstags und donnerstags. Zeitgleich hat er auch im sozialen Netzwerk Facebook eine Unterstützergruppe für Flüchtlingskinder in Stahnsdorf gegründet, die inzwischen fast 250 Mitglieder hat. „Es gab ja anfangs eine Welle an Unterstützung, als immer mehr Flüchtlinge nach Stahnsdorf kamen. Die hält meist aber nicht ewig an“, so Hintze. Im Netzwerk teilt er genau mit, was gerade benötigt wird, und hat das bisher auch meist bekommen. So hat das Diakonissenhaus, welches den Hort in Teltow betreibt, dem Netzwerk die Ferienbetreuung der Flüchtlingskinder angeboten.

Unterstützer haben beispielsweise Bilderwörterbücher für Albanisch und Deutsch geschickt, mit denen auch Klevis die Sprache gelernt hat. „Daneben kamen viele Kochbücher, donnerstags kochen wir jetzt mit den Kindern in der Schule.“ Das fördert Hintze zufolge nicht nur den Zusammenhalt und die Sprachkenntnisse, sondern trainiert auch Mathematik. Schließlich müssen die Kinder selbst ausrechnen, wie viele der jeweiligen Zutaten sie brauchen.

Das Flüchtlingsschicksal verbindet

An Dienstagen geht Hintze mit den Kindern in das Wäldchen hinter der Schule, um den Kindern die heimische Flora und Fauna näherzubringen und zu basteln. Derzeit bauen sie gemeinsam Fußballtore. Noch fehlen allerdings die passenden Netze, für die Spender gesucht werden. Daneben werden Spiele in der Gruppe gemacht, um das Sozialgefüge zu stärken. Schließlich gebe es wie bei allen Kindern auch unter den Flüchtlingen Konkurrenz. „Wenn einer eine Frage versteht, macht er sich vielleicht mal über den anderen lustig, der dann frustriert und aggressiv wird oder sich verschließt.“ Die Spiele sollen das Hintze zufolge verhindern.

Oft verbindet die 10- bis 13-Jährigen ihr Flüchtlingsschicksal. Unter den Kindern gebe es ein geflügeltes Wort: negativ. Sie verstehen Hintze zufolge sehr gut, dass es einen abgelehnten Asylantrag und die baldige Rückkehr in die Heimat bedeutet, in der die meisten nichts mehr hätten, wohin sie zurückkehren können. „Vor Kurzem hatte ein albanischer Junge in der Klasse nur ,negativ’ gesagt, da wussten alle, dass der Asylantrag der Familie abgelehnt wurde“, so Marco Hintze. Die Stimmung kippte, die Kinder waren den ganzen Tag aggressiv und ruppig. „Die Gefühle muss man dann ernst nehmen, die Kinder sind ja sonst wenig gefragt.“

Albanien gilt mit dem verschärften Asylgesetz als sicheres Herkunftsland, mit ähnlichen Fällen ist in Zukunft häufiger zu rechnen. Der Albaner Klevis bleibt trotzdem optimistisch. Er glaubt, dass seine Familie gute Anwälte hat und er gute Chancen hat hierzubleiben. Fragt man ihn, was hier besser ist als in Albanien, sagt er nur schüchtern: „Zu Hause Papa viel Alkohol.“ Der Vater lebt noch immer in Albanien.

In Stahnsdorf gut eingelebt

In Stahnsdorf hat sich Klevis inzwischen gut eingelebt, nach den Herbstferien soll er aus der Integrationsklasse in die reguläre fünfte Klasse wechseln. Angst davor hat er nicht. „Mit vielen aus der Klasse habe ich auf dem Pausenhof schon Fußball gespielt, wir sind Freunde.“ Wann die Kinder wechseln, entscheiden die Lehrer Marco Hintze zufolge individuell. Hintze ist etwa zwölf Stunden in der Woche mit der Arbeit in der Integrationsgruppe beschäftigt, dazu kommen noch einmal zwei bis drei Stunden für das Unterstützernetzwerk.

Neben Sachspenden sucht das Netzwerk auch nach Menschen, die sich selbst einbringen wollen. Hintze hätte am liebsten eine dauerhafte Partnerschaft: „Es wäre schön, wenn Familien sich bereit erklären würden, Patenschaften für die Kinder zu übernehmen.“ Dabei schweben ihm regelmäßige gemeinsame Essen oder gemeinsame Ausflüge nach Berlin vor. „Schließlich leben die Kinder hier direkt neben der Hauptstadt, haben aber kaum eine Chance, dort etwas zu erleben.“

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