
© dapd
Potsdam-Mittelmark: „Ganz gewöhnlicher Betrug“ Hotelier Axel Hilpert wurde wegen schweren Betruges zu fast sechs Jahren Haft verurteilt.
Nach einem Jahr in Untersuchungshaft kann er freikommen – gegen 500 000 Euro Kaution
Stand:
Potsdam / Werder (Havel) - Keine Regung, nichts. Axel Hilpert verzieht keine Miene, obwohl fast jeder Satz von Richter Andreas Dielitz ein Hammerschlag ist. Es ist kurz nach 14 Uhr im proppevollen Saal 8 des Potsdamer Landgerichts. Hilpert, der kurz vorher hereingeführt wurde, der letzte Woche seine Unschuld beschwor, hatte seiner Familie, seinen Anhängern zugewunken, die auch diesmal da sind. Gerade diesmal: Sohn Christian, Hoteldirektor Badstübner, Freunde, Geschäftspartner. Sie ahnen alle längst, dass es schlecht aussieht.
Fünf Jahre und acht Monate lautet das Urteil der 4. Großen Strafkammer. Und zwar wegen schweren Betruges, Untreue und Steuerhinterziehung. Das Gericht sieht es nach 24 Prozesstagen als erwiesen an, dass Hilpert beim Bau des Resorts Schwielowsee in Petzow die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) um 9,2 Millionen betrogen hat. Hilpert habe ein „System“ um das Resort entwickelt – aus diversen Firmen, Scheinrechnungen und aus Provisionen. Diese Provisionen von beauftragten Firmen seien in Wirklichkeit „sittenwidrige Rabatte“ gewesen, sagt Richter Dielitz. „Es ging allein darum, Rechnungen zu reduzieren, es ging um eine Täuschungshandlung.“
Die Kammer begründet das Urteil vor allem mit diesem Kickback-System, in dem jeder, der einen Planungs-, Bau oder Lieferauftrag für das Resort erhielt, 12,5 Prozent an Hilpert abführen musste. Von Bilfinger und Berger bis zur Handwerkerbude von nebenan. Über zwei Millionen Euro sind allein dadurch zusammengekommen. „Mit den Regeln sozialer Marktwirtschaft und üblichen legitimen Gewinnen hatte das nichts zu tun“, so Dielitz. Wenn solche Rabatte in Deutschland, in Brandenburg üblich sein sollten, wolle man mit dem Urteil auch signalisieren, dass dies strafbar und nicht zu dulden sei.
Es sind klare, unzweideutige Sätze, ohne intellektuellen Schmus. Jeder, so scheint es, soll in diesen 100 Minuten die Beweggründe der Kammer nachvollziehen können. So steht die Urteilsbegründung in fast seltsamem Kontrast zum Prozessverlauf, wo man sich im komplizierten Förderrecht,den Verflechtungen zwischen beteiligten Firmen verbiss.
Hilperts Verteidiger Heide Sandkuhl und Stefan König hatten immer wieder die Rolle der ILB hinterfragt, die in Hilperts Finanzierungspläne und seine Firmenkonstruktion für das Resort von Anfang an eingeweiht gewesen sei. Durch eine falsche Beratung und die unklare Formulierung des Förderbescheids sei ihr Mandant in eine „Förderfalle“ gelockt worden. Auf die im Prozess häufig zu hörende Frage, ob zwei Hilpert-Firmen mit dem Bauherren des Resorts, der „Theodor Fontane GmbH“, im förderrechtlichen Sinne „verbunden“ und „verflochten“ war, Hilpert somit durch Gewinnaufschläge gegen eine Subventionsauflage verstieß, geht Dielitz eher am Rande ein – und lässt die Förderbank nicht außen vor.
Die Klausel sei „schlecht“ gewesen. „Es hat daran gefehlt, dass die ILB oder Herr Hilpert zum Telefon greift und fragt, was mit dieser elementaren Formulierung gemeint ist.“ Das viereinhalb-Sterne-Resort hatte die „Fontane“, an der Hilpert und der frühere „Bild“-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje mit je 24,5 Prozent die Hauptanteile halten, von zwei 100-prozentigen Hilpert-Firmen schlüsselfertig gekauft.
Dielitz spricht von einem unauflösbaren Interessenkonflikt Hilperts – als Geschäftsführer der „Fontane“ und seiner beiden Firmen, die das Resort bauen ließen. Die Fontane habe sparsam mit Zuwendungen umgehen müssen, die Hilpert-Firmen seien auf hohe Gewinne ausgewesen.
Der Betrug, so Richter Dielitz, sei durch den nicht eindeutigen Förderbescheid und das „gutgläubige“ Agieren der ILB begünstigt worden, die nicht nachgefragt, nicht kontrolliert habe. Als das Problem aufgetaucht sei, hätten sich „ILB und Hilpert wie zwei Katzen belauert“, aber nichts getan. Zugleich kritisiert die Kammer Hilperts Hausbank, die Deutsche Kreditbank (DKB), die trotz fehlenden Eigenkapitals dem Hilpert-Projekt 40 Millionen Euro Kredite gegeben habe, von denen man bereit sei, 18 Millionen zu erlassen. Für Dielitz ein Indiz, dass das Resort nicht so erfolgreich ist wie behauptet, der Förderzweck womöglich nicht erfüllt wurde.
An manchen Stellen wird es unruhig im Saal, aus den Reihen des Hilpert-Clan. Dielitz lässt sich nicht beirren: „Jetzt hören sie genau zu.“ Das Resort sei auf „Lug und Trug“ aufgebaut, und zwar nicht allein gegenüber der ILB, auch gegenüber Geschäftspartnern und Mitgesellschaftern, ja eigentlich auch gegenüber der DKB. Hilpert habe gewusst, dass die ausgewiesenen Baukosten nicht die tatsächlichen Kosten waren. „Sie haben daran verdient und es niemandem gesagt.“ Jedem sei klar, dass man für Provisionen eine Leistung erbringen und reduzierte Kosten offenlegen muss. „Wir sind nicht in einem Wirtschaftsstrafverfahren. Es handelt sich um ganz gewöhnlichen Betrug.“
Hilperts Verteidiger kündigten den Gang zum Bundesgerichtshof an. „Es stehen nicht wenige Fragen im Raum, die einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugeführt werden müssen“, sagt Anwältin Sandkuhl nach diesem letzten Verhandlungstag. Das Ganze wird sich hinziehen: Mit einer schriftlichen Urteilsbegründung des Landgerichts wird erst in einigen Monaten gerechnet, bis der Bundesgerichtshof sich mit dem Fall beschäftigt, wird wohl mindestens ein Jahr ins Land gehen.
Erst nach einem rechtskräftigen Urteil wird die Frage nach der Zukunft der Theodor Fontane GmbH und dem Resort gestellt, erst dann kann die ILB ihre Millionen zurückfordern. Zudem laufen 14 weitere Ermittlungsverfahren – darunter gegen einen Berliner Notar, dem das Landgericht attestierte, mit „einer Scheinrechnung und einer uneidlichen Falschaussage“ vor Gericht beim Hilpert-Betrug mitgewirkt zu haben.
Am Ende trägt der Hotelier aber doch noch einen kleinen Sieg davon. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil kann der schwer herzkranke Hilpert, der seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, demnächst auf freien Fuß kommen – gegen eine Kaution von 500 000 Euro. „Ich nehme an, die bekommen sie zusammen“, sagt Richter Dielitz. Er darf Deutschland nicht verlassen, muss sich wöchentlich bei der Polizei melden und Pass und Ausweis abgeben.
Hilpert, der in seinem letzten Wort die Vorwürfe unter Tränen bestritten hatte, nimmt das Urteil gefasst auf, freut sich wohl vor allem auf das Ende seiner U-Haft. Sein erster Kommentar: „In Freiheit werde ich mich als erstes von meinem Herzarzt durchchecken lassen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: