
© Thomas Lähns
Jobprogramm: Gegen das tägliche Chaos im Bus
Der Schulbus braucht eine Weile für seine Tour über die Dörfer rund um Beelitz. Nicht selten kommt es zu Rangeleien, etwa wenn die älteren Schüler nach dem Einstieg die besten Plätze einfordern.
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Potsdam-Mittelmark - Doch damit soll Schluss sein: Madeleine Schmidt und Doreen Müller bringen jetzt Ordung ins tägliche Chaos. Im Auftrag der Stadt achten sie darauf, dass niemand beim Einsteigen überrumpelt wird, sie helfen beim Abschnallen der Ranzen – und sie mahnen die größten Flegel ab.
Die beiden jungen Frauen sind Bürgerarbeiterinnen: Von der Stadt eingesetzt und vom Bund bezahlt haben sie nach längerer Arbeitslosigkeit jetzt wieder einen festen Job. Neben der Aufsicht im Schulbus übernehmen sie auch die Frühstücksversorgung der Kinder in der Diesterweg-Grundschule, helfen als Pausenaufsicht oder betreuen die Kinder bei den Hausaufgaben.
„Bürgerarbeit“ – die neueste Spielart öffentlich bezahlter Beschäftigung ist vor zwei Jahren von der Bundesregierung ins Leben gerufen worden. Die Idee: Bevor man Langzeitarbeitslose auf die geförderten Stellen setzt und so aus der Statistik holt, wird noch einmal intensiv nach regulären Jobs gesucht. Dafür erhalten die Betroffenen zum Beispiel ein Bewerbungstraining und ein spezieller Mitarbeiter beim Jobcenter legt sich gezielt für sie ins Zeug. Von den 600 Arbeitslosen, die in Potsdam-Mittelmark an dem Programm teilgenommen haben, sei mehr als die Hälfte in feste Jobs gebracht worden, erklärt Bernd Schade, Leiter des hiesigen Jobcenters „Maia“. Viele sind bei Zeitarbeitsfirmen untergekommen, andere müssen jetzt als Saisonarbeiter ran – aber es seien durchaus auch herkömmliche Anstellungen gefunden worden. Weil das so gut funktioniert habe, seien im vergangenen Jahr noch einmal 150 Bürgerarbeiter nachnominiert worden, so Schade.
Jene, die den Sprung auf den regulären Arbeitsmarkt nicht geschafft haben, können nun als Bürgerarbeiter eingesetzt werden. 214 Stellen hat der Landkreis vom Bund bewilligt bekommen, bis 1. Mai müssen sie besetzt sein. Eingesetzt werden die Bürgerarbeiter von Vereinen und Kommunen – und das auf bis zu drei Jahre. Ählich wie ABM-Kräfte und 1-Euro-Jobber dürfen sie aber nur zusätzliche Arbeiten erledigen, die in öffentlichem Interesse liegen – also keine Konkurrenz zur freien Wirtschaft darstellen. Aber Bürgerarbeiter stocken nicht nur ihr Arbeitslosengeld auf: Sie beziehen vollen Lohn, 1080 Euro brutto im Monat für 30 Stunden die Woche. Arbeitslosenverbände haben bereits kritisiert, dass nach Abzug von Miete und Krankenversicherung auch nicht mehr übrig bleiben würde als bei 1-Euro-Jobbern.
Für die Kommunen würde das Konzept jedoch Vorteile bringen, wie der Beelitzer Bürgermeister Bernhard Knuth (BBB) erklärt. Seine Stadt hat mittlerweile 14 öffentlich finanzierte Stellen geschaffen: drei mit dem Landesprogramm „Arbeit für Brandenburg“, die übrigen mit Bürgerarbeit. So ist bereits seit einem Jahr ein „fahrender Hausmeister“ zwischen den Kitas und Schulen der Stadt unterwegs. Er hält Spielgeräte und Grünanlagen in Schuss und leitet Kinder an, selbst zu Hammer und Harke zu greifen. Außerdem wird zurzeit eine Werkstatt aufgebaut, in der gefundene oder gespendete Fahrräder für sozial Benachteiligte in Schwung gebracht werden. In der Grundschule Fichtenwalde konnte eine Bibliotheksbetreuerin eingestellt werden und ab April sollen zwei Wanderwegewarte die Strecken rund um Beelitz in Ordnung bringen.
„Man muss schon etwas Bürokratie in Kauf nehmen – und kreativ sein beim Schaffen der Stellen“, erklärt Bürgermeister Knuth. Wohl auch deshalb traf die Bürgerarbeit in anderen Kommunen auf ein eher geringes Echo. Vor allem aus der Region Teltow seien wenig Anträge eingegangen, so Bernd Schade. Vielleicht fehle hier auch einfach der Bedarf, vermutet er.
Im ländlichen Raum ist er vorhanden – auch bei den Langzeitarbeitslosen. Madeleine Schmidt hatte nach ihrer Elternzeit enorme Probleme gehabt, wieder beruflich Fuß zu fassen. „Da war die Freude groß, als der Brief vom Jobcenter kam“, sagt die 35-Jährige. Auch die ein Jahr jüngere Doreen Müller, die als ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin keine Arbeit in der Region gefunden hat, ist froh, heute wieder einen Job zu haben – auch wenn sie dafür wieder Schulbus fahren muss.
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