
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Genossenschaftswein vom Galgenberg
48 Pächter nahmen ihre Rebstöcke in Besitz / Weinverein will Lindowsches Haus übernehmen
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Werder (Havel) – Immer wenn die Großstadthektik überhand zu nehmen droht, zieht es Anke Rienitz raus nach Werder. Die Berlinerin genießt hier die Ruhe, die Luft – und vor allem den Wein. Es sind Qualitätstropfen wie Regent oder Müller-Thurgau, die es ihr angetan haben und die sie mittlerweile auch im Kollegen- und Freundeskreis emsig bewirbt. „Ich bin so etwas wie ein Multiplikator“, lacht die Senatsmitarbeiterin. Aus Überzeugung ist sie zur Wein-Pächterin geworden: 20 Rebstöcke am Hang des Galgenberges sind jetzt die ihren und werden gegen einen Jahresbeitrag von 150 Euro für sie bewirtschaftet. In drei Jahren kann sie sich die ersten Flaschen abholen. Alles was Anke Rienitz bis dahin tun muss: von Berlin aus die Daumen drücken, dass über Werder die Sonne scheint.
Der „Verein zur Förderung des historischen Weinbaus im Raum Werder (Havel)“ hat in den vergangenen Wochen insgesamt 2000 Rebstöcke unterhalb der Bismarckhöhe gesetzt, die letzten hundert durften die Pächter am Freitagabend selbst in die Erde bringen. Bislang haben sich 48 Weinfreunde gefunden, welche die Verantwortung für unterm Strich 1100 Stöcke übernehmen. Es läuft nach dem Genossenschaftsprinzip: Mit der jährlichen Pacht werden Pflege, Lese und Kelterei, die Winzer Manfred Lindicke übernehmen will, bezahlt und der gewonnene Wein entsprechend der Stockzahl an die Pächter aufgeteilt. Bei 20 Rebstöcken wären rein rechnerisch bis zu 34 Flaschen pro Jahr drin. Andererseits tragen alle gemeinsam das Risiko von schlechten Ernten nach verhagelten Sommern. Die Verträge werden für zehn Jahre geschlossen.
Die Resonanz ist so gut, dass der Weinverein mit seinen 70 Mitgliedern jetzt nicht mehr nur für die Rekultivierung der Trauben auf einer der ältesten Weinlagen der Stadt sorgen will – insgesamt sollen 5000 Stöcke gesetzt werden – sondern auch das Lindowsche Anwesen am Fuße des Galgenberges wiederbeleben will. Mit einem geeigneten Betreiber wolle man das denkmalgeschützte Gehöft sanieren und hier eine Weinstube eröffnen, so Vereinsvorsitzender Rolf-Hermann Löhr.
Das Objekt am Plantagenplatz gilt als das letzte komplett erhaltene Obstmuckergehöft Werders. Ursprünglich wollte die Stadt hier ihr Obstbaumuseum unterbringen, 2009 hatte man den Hof von den Erben der früheren Besitzer gekauft – für einen siebenstelligen Betrag, wie es damals hieß. Geschehen war seitdem aber wenig.
Es sei kaum zu leisten, das Museum und die Touristinfo vom Mühlenberg auf der Insel an den Plantagenplatz zu verlegen ohne für zusätzliche Kosten zu sorgen, erklärte Bürgermeister Werner Große (CDU). Immerhin könnten beide Einrichtungen am jetzigen Standort von der Verwaltung im Alten Rathaus betreut werden. Mit der Vision, dass der Weinverein die Verantwortung sowohl über das Lindow’sche Anwesen als auch den Hang übernimmt, hat die Stadt nun offenbar eine tragfähige Alternative gefunden – zumal auch die ursprünglich geplanten Schuffelgärten mit historischen Obstsorten hinter dem Haus Platz haben sollen. Die waren bereits Teil des Konzeptes für die Bewerbung Werders zur Landesgartenschau 2009 gewesen. „Wir können am Ende froh sein, dass wir die Laga nicht bekommen haben“, so Große. Damals hatte Oranienburg das Rennen gemacht – diese Entscheidung der Landesregierung war aus der Blütenstadt scharf kritisiert worden.
Bis der Wein vom Galgenberg ausgeschenkt werden kann, wird es indes noch etwas dauern. Die erste Lese ist für 2014 geplant, und erst im April des darauffolgenden Jahres sind die Flaschen fertig. Anke Rienitz muss aufpassen, dass sie von ihrem ersten „Genossenschaftswein“ überhaupt etwas abbekommt – so viele Vorbestellungen habe sie schon von Freunden entgegennehmen müssen. Aber es gehe ihr nicht nur um den Genuss: „Der Galgenberg ist ein Kulturdenkmal, das es zu erhalten gilt“, meint sie. Vielleicht findet sie zu Hause ja noch Mitstreiter, die das genauso sehen – und hin und wieder eine liebliche Auszeit von der Großstadthektik brauchen.
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