Potsdam-Mittelmark: Geradewegs zum Glauben
Almut Gaedt ist die neue Pfarrerin von Saarmund. Dienstkleidung trägt sie selten, die Leute haben noch zu viel Respekt vor ihr
Stand:
Almut Gaedt ist die neue Pfarrerin von Saarmund. Dienstkleidung trägt sie selten, die Leute haben noch zu viel Respekt vor ihr Von Volker Eckert Nuthetal - Es war zu der Zeit, als Almut Gaedt in Mexiko war und an einem sozialen Projekt mitarbeitete. Sie war zu der Zeit schon fast ein Jahr arbeitslos gewesen. Eines Nachts hatte sie einen wirren, bunten Traum, an den Inhalt kann sie sich gar nicht mehr erinnern. Als sie am Morgen wach wurde, wusste sie plötzlich: „Ich werde Pfarrerin!“ Dann kam sie zurück nach Potsdam, aber ihre Freunde machten keine großen Augen, als sie von ihrem Entschluss erzählte. Die lächelten nur und sagten: „Das haben wir uns längst gedacht.“ Inzwischen sind ein paar Jahre vergangen und im Mai hat Almut Gaedt mit 33 Jahren ihre erste Stelle in Saarmund angetreten. Ihre Entscheidung hat sie nicht bereut, auch wenn der Alltag sie schnell eingeholt hat. In ihrem Wohnzimmer liegt ein Buch mit dem Titel „Strategien der Personalentwicklung“ herum: Die evangelische Kita hat gerade eine Erzieherin eingestellt. Außerdem hat die Gemeinde Wohnungen, Grundbesitz, Erbpachtverträge – ein ganzer Haushalt musste erstellt werden. „Ich hab“ davon überhaupt keine Ahnung“, sagt sie und fügt nach einer kurzen Pause mit erhobenem Zeigefinger hinzu: „ gehabt!“ Die Einnahmequellen haben die Gemeinde zur reichsten im Kirchenkreis Beelitz-Treuenbrietzen gemacht, zwei Drittel des Saarmunder Geldes landen dort. Im Gegenzug hat der Kirchenkreis Saarmund eine 80-Prozent-Stelle genehmigt, obwohl nach der Gemeindegröße nur eine halbe vorgesehen wäre. Mit Philippsthal, Tremsdorf und Fahlhorst hat sie 600 Mitglieder. Neulich hat Almut Gaedt in der Saarmunder Kirche ein junges Paar getraut. In Gesprächen mit den Gästen kam hinterher heraus, dass die Hälfte von ihnen in ihrem Leben noch keine Kirche betreten hatten. Von missionarischen Erfolgen will sie nach den wenigen Monaten noch nicht sprechen. „Was ich tun kann, ist entsprechend aufzutreten“, sagt Almut Gaedt. Damit meint sie: sich bei Polterabenden und Vereinsfesten zeigen. Nicht wie sie es anfangs vorhatte, über die Woche eher zivil tragen als Dienstkleidung. Auch um Berührungsängste abzubauen, sonst kann sie ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen: der Seelsorge. Vor ein paar Wochen hat Almut Gaedt ein Ehepaar kennen gelernt. Kurz nach ihrer offiziellen Amtseinführung war sie bei den beiden zum Essen eingeladen. Die hatten bis dahin noch nicht gewusst, mit wem sie es zu tun haben. „Können wir dich denn jetzt noch duzen?“, fragte die Frau. Da wurde Almut Gaedt klar, was für eine Stellung sie in der Gemeinde einnimmt. Auch daran, dass die Leute über sie reden, gewöhnt sie sich erst langsam. In ihrer großzügigen Wohnung im Pfarrhaus hat sie sich das Wohnzimmer nach hinten raus gelegt: „Da kriegt keiner mit, wenn ich mal bis nach Mitternacht vor dem Fernseher versacke.“ Am nächsten Morgen wird sie trotzdem um halb sieben von ihrem Hund geweckt, beim morgendlichen Spaziergang meditiert sie über einen Bibelvers. Meditation will Almut Gaedt jetzt auch als Kurs für die Gemeinde anbieten. Zum Beispiel für Leute, die so viel arbeiten, dass sie für nichts anderes mehr Zeit haben. Im Grunde hätten die aber dasselbe Problem wie Arbeitslose, die in Depressionen verfallen: Die Leute definierten sich zu sehr über die Arbeit. Beide könnten sich in ihrem Meditationskurs treffen. Die beruhigende Botschaft, die der Glaube für Menschen habe, die um Liebe oder Anerkennung kämpften: Wir werden schon geliebt. Für sie selber ist diese Einsicht auch nicht immer leicht gewesen, sie nennt sich eine Perfektionistin. Wenn sie am Sonntag ihre beiden Gottesdienste in Saarmund und einer Nachbargemeinde gehalten hat, ist sie immer „ganz erschossen“. Zweimal eine Stunde lang einen Spannungsbogen zu halten, sodass die Leute mitgehen, da sei nicht einfach. In einem andern Zusammenhang fällt ihr ein Bonhoeffer-Zitat ein: dass die Leute nach dem Gottesdienst mit einem Lächeln aus der Kirche kommen sollten. Für Almut Gaedt soll der Glaube immer praxisorientiert sein. „Wenn man über das Gleichnis vom verlorenen Sohn spricht, kann man das auf klassische Art analysieren oder man bringt die Leute dazu, dass sie anfangen über ihre eigene Familie nachzudenken.“ Damals in Mexiko gab es einen zweiwöchigen Bibelkreis und am Ende stand das Ergebnis: Wir gründen eine Kaffeekooperative. Das hat ihr gefallen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: