zum Hauptinhalt
Baumblütenkönigin Tamara Thierschmann lässt sich zum Erntestart einen Apfel aus Werder schmecken. Doch angesichts des Russlandembargos ist vielen Obstbauern der Appetit vergangen.

© Ralf Hirschberger/dpa

Apfelernte in Potsdam-Mittelmark: Gute Erträge, schlechte Aussichten

Der Start der Apfelernte auf der Glindower Platte verlief launig, die Stimmung vieler Obstbauern ist am Boden. Ein Ausnahmebetrieb lässt auf bessere Zeiten hoffen.

Stand:

Werder (Havel) - Es ist kein schlechtes Jahr, was die Apfelerträge angeht. Am Montagmorgen schien sogar die Sonne, Blüten- und Kirschköniginnen lächelten um die Wette. Dennoch fiel der offizielle Erntestart in Werder launig aus. Mindestlohn, Russlandembargo, das Gerangel um den Pflanzenschutz: „Vielen kleineren Familienbetrieben im Land ist die Luft ausgegangen“, sagte Thomas Bröcker, Leiter der Fachgruppe Obstbau im Landesgartenbauverband und damit Cheflobbyist der hiesigen Obstbauern.

Beim Blick auf die dicht behangene Apfelplantage der Havelfrucht GmbH auf der Glindower Platte, wo der Erntestart am Montag zelebriert werden sollte, sagte Bröcker, dass der Obstbau doch eigentlich Spaß machen sollte. Doch wurden beim Großhandel bislang im Schnitt 32 bis 34 Cent pro Kilogramm Äpfel gezahlt, seien es im vergangenen Jahr 18 bis 20 Cent gewesen. Bröcker ist fast dankbar, dass die große Obstanbauregion bei Warschau im Sommer von einer Dürre geplagt war. Es seien gerade polnische Erzeuger, die wegen des Russlandembargos nun die deutschen Preise verderben.

Obstbauflächen gehen zurück

Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) würdigte zum Erntestart den Überlebenskampf des Obstbaus seit der Wende: „25 Jahre Brandenburg sind ein guter Anlass, um gerade hier in Glindow Bilanz zu ziehen.“ Unter schwierigen Bedingungen seien Arbeitsplätze und Know-how bewahrt geblieben. Dass in den vergangenen zehn Jahren die Anbaufläche allein von Äpfeln landesweit von 1400 auf 800 Hektar zurückgegangen ist, konnte aber auch der Minister nicht verhehlen.

Dabei ist die Apfelproduktion bestimmender Faktor des Brandenburger Obstanbaus, die größten Anbaugebiete liegen im Raum Werder, Frankfurt (Oder) und Altlandsberg in Märkisch-Oderland. Vogelsänger räumte ein, dass das Importverbot für europäische Lebensmittel nach Russland sich auch für Brandenburger Kernobstproduzenten auswirkt. Polen habe etwa 10 000 Hektar im Obstanbau und belieferte vorrangig Russland – alternativ jetzt mit niedrigeren Preisen auch die EU und damit Deutschland. Hinzu komme, dass auch die österreichischen Obstbauern den wichtigen Exportmarkt Russland verloren haben und verstärkt nach Deutschland drängen.

Vogelsänger: Draht zu Russland wird nicht gekappt

Vogelsänger hofft, dass sich die Lage bald wieder entspannt, sein Parteifreund Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei den anstehenden Gesprächen zum Ukrainekonflikt Erfolg hat. Es sei ohnehin skeptisch, ob das Embargo etwas bewirkt, sagte Vogelsänger. Brandenburg werde den Draht zu Russland jedenfalls nicht kappen und die Beziehungen aufwärmen, wenn der internationale Rahmen wieder stimme. Der müsse auch beim Thema Mindestlohn beachtet werden. „Die Dynamik kann da nicht unendlich nach oben gehen.“

Was die Apfelernte angeht, appellierte er an den Handel und an die Verbraucher, regionalen Produkten den Vorzug zu geben und versuchte, die Stimmung am Montagmorgen etwas zu drehen.  Beim Pro-Kopf-Verbrauch an Äpfeln von neun Kilogramm im Jahr sehe er „durchaus noch Luft nach oben“. Die Bauern forderte er auf, trotz aller Schwierigkeiten fröhlich zu gucken. „Wir wollen die Leute ja einladen, unsere regionalen Früchte zu genießen.“

Glindower Havelfrucht GmbH gibt Anlass zur Freude

Anlass zur Freude gab immerhin der Gastgeberbetrieb, Schoonhoven-Gruppe – einer Familienholding, die bei der Erzeugung und Vermarktung von Obst und Gemüse zu den Größten der Branche im Märkischen zählt. Havelfrucht-Geschäftsführer Thomas Giese erzählte, wie sich der Betrieb seit der Gründung im Jahr 2001 entwickelt hat.

Stolz präsentierte er den Gästen eine gerade neu angelegte, acht Hektar große Apfelplantage, eine weitere kommt im November noch dazu. Die Verjüngung ist bei den alten Plantagen und Sorten im Werderaner Raum ein großes Thema, doch nicht jeder kann sich die 25 000 bis 30 000 Euro leisten, die es kostet, einen Hektar mit Apfelbäumen zu bepflanzen.

Havelfrucht kann sich auf die Finanzkraft ihrer Mutter stützen. Hat man 2001 mit zwei Leuten begonnen, so kümmern sich heute 65 Mitarbeiter und 500 Saisonkräfte um fast 600 Hektar Agrarfläche, von denen laut Giese auf 140 Hektar Obst, fast die Hälfte davon Äpfel und übrigens auch Sanddorn, angebaut wird. Preisschwankungen hauen einen solchen Betrieb nicht so schnell um wie ein kleines Familienunternehmen. Die Havelfrucht GmbH, hieß es aus dem Agrarministerium, gehöre inzwischen zu den prägenden Obstbaubetrieben des Werderaner Anbaugebiets.

Lesen Sie weiter: Gerrit van Schoonhoven über das Erfolgsgeheimnis von Havelfrucht

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })