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Von Thomas Lähns: Heiße Kartoffeln waren die Rettung

Die Pferde auf dem Hof von Hanna Ladeburg in Nuthetal haben die Druse überstanden. Ein kleines Wunder

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Nuthetal – Lore ist wieder auf dem Damm. Liebevoll tätschelt Hanna Ladeburg der Haflinger-Stute den Hals und redet ihr zu. Das Tier schließt genüsslich die Augen und senkt den Kopf – eine Geste des Vertrauens. Die beiden kennen sich schon ihr halbes Leben: Hanna war ein Teenager, als sie ihr erstes Pony bekam und auf Lore Reiten lernte. Die Verbundenheit hat angehalten. Ende Dezember war das Pferd an Druse erkrankt, einer hoch ansteckenden Virusinfektion, die für die Tiere oft tödlich endet. Für die 31-jährige Betreiberin von „Hannas Schule für Pferd und Reiter“ waren die letzten Wochen deshalb eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Bangen.

Neben Lore hatten sich auch die anderen 23 Pferde auf ihrem Hof in Bergholz-Rehbrücke angesteckt. Alle sind mittlerweile auf dem Weg der Besserung – ein kleines Wunder. Die Druse befällt die Atemwege der Tiere. Ihre Nasen beginnen zu triefen, die Pferde bekommen Husten, Fieber und ihre Lymphknoten schwellen an. Werden die Tiere nicht behandelt, greifen die Viren meist auf Lunge und andere Organe über. Für den Menschen ist die Krankheit ungefährlich. Tag und Nacht hatte Hanna bei ihren Schützlingen gewacht und sie gepflegt, ist bis an ihre eigenen Grenzen gegangen. „Allein hätte ich es nie geschafft“, sagt sie. Ihr Hilferuf, den sie kurz nach Weihnachten in den PNN veröffentlicht hatte, mobilisierte ein ungeahntes Maß an Unterstützung: Nachbarn, Freunde, Kunden und Kinder, die regelmäßig zum Reiten kommen, hatten Decken vorbeigebracht, bei der Krankenpflege mitangepackt und sogar Geld für den Tierarzt gespendet. Täglich mussten den Pferden Antibiotika gespritzt werden, allein die Kosten dafür hätte der Hof nicht aufbringen können. „Sogar Kartoffeln wurden gespendet“, erinnert sich die junge Frau. Denn um die Schwellung der Lymphknoten zu kurieren, hatte sie auf ein Hausmittel zurückgegriffen: Heiße Kartoffelwickel. Durchgängig seien mindestens zehn freiwillige Helfer hier im Einsatz gewesen und haben die Umschläge zwei Mal am Tag gewechselt. Und so sind selbst die drei schwierigsten Fälle durchgekommen, bei denen sogar der Tierarzt schon abgewinkt hatte.

Nach der harten Zeit geht es wieder entspannter zu auf dem Pferdehof. Fröhlich gehen die Pfleger ihrer Arbeit nach und verladen Heu, zwischendrin tollen drei Hunde herum. Der kleine „Sancho“ macht seine Stellung deutlich: Mutig kläfft er die größeren an und scheucht sie hin und her. Es sind längst nicht die einzigen Tiere hier: Im Stall haben sich drei Hängebauchschweine ins Stroh gegraben, darüber hat es sich ein Pfau auf der Stange bequem gemacht. „Die haben sich alle über die Jahre hier eingefunden“, erklärt Hanna Ladeburg den Streichelzoo.

2006 hatte sie sich ihren Traum erfüllt und nach Praktika und Ausbildung zwischen Deutschland und den USA den Hof am Ende der Richard-Kuckuck-Straße eröffnet. Die Kunden stellen ihre Tiere hier unter und kommen vorbei, um mit ihnen durchs Nuthetal oder in die Ravensberge zu reiten. Besonders bei den Kindern ist die Anlage eine gefragte Adresse, zumal hier gleich in die Praxis eingestiegen wird. Die Tiere seien so ruhig und ausgeglichen, dass jeder auf ihnen reiten könne, sagt die Betreiberin. Das liege an der naturnahen Haltung: Das ganze Jahr verbringen die Pferde auf der Koppel und bleiben in der Herde statt in Einzelboxen. „Es sind keine hochgezüchteten Sportpferde, deshalb entwickeln sie Winterfell und sammeln Speck an – können die Temperaturen also gut aushalten“, kommt sie einer der wohl häufigsten Fragen zuvor.

„Na, wie geht es denn den Pferdchen?“, fragt eine ältere Frau, als sie ihr Fahrrad an der Koppel vorbeischiebt. Nach wie vor ist die Anteilnahme groß in Bergholz-Rehbrücke. „Sie werden alle wieder“, lächelt Hanna und berichtet, wie es ihr und den Helfern gelungen ist, alle zu retten. „Ja, Tiere bedeuten immer viel Arbeit“, resümiert die Passantin und macht sich wieder auf den Weg. In zwei Wochen soll die Schule für Pferd und Reiter wieder öffnen, dann wird auch die Quarantäne aufgehoben. Dass die Druse ihren Hof mal treffen würde, damit habe sie nicht gerechnet, bemerkt Hanna. Mit der spontanen Hilfsbereitschaft auch nicht, setzt sie dankbar hinzu und fährt Lore sanft mit der Hand durchs Fell. Als wollte es zustimmen, hebt und senkt das Tier den Kopf und galoppiert zurück zur Herde.

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