Potsdam-Mittelmark: Herzenssache statt Renditeobjekt
60 Prozent der Häuser in der Werderaner Altstadt sind saniert - am Sonntag eröffnen private Bauherren eine Ausstellung
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Werder -„Zuerst wurde mein Mann infiziert, dann hat er uns angesteckt.“ Seit 1994 wohnt Petra Schmieder mit ihrer Familie in der Blütenstadt, seitdem lässt sie das Werder-Fieber nicht los. Es ist das Wandeln auf alten Spuren, Spaziergänge durch die Inselkulisse, ein Gefühl von Vertrautheit. Schmieders kauften Ende der 90er das kleine Haus Am Mühlenberg 10. „Es war kaputt und verwahrlost, aber wir fühlten uns längst als Werderaner und wollten hier investieren.“
Heute betreibt Petra Schmieder in dem versteckten Häuschen am Fuße der Bockwindmühle ein Geschäft für Wohnaccessoires, oben befindet sich eine Gästewohnung. Wie die Schmieders zog es in den 90ern viele Familien aus Berlin und Potsdam in die Idylle, manche erwarben leerstehende Häuser in der historischen Altstadt. Mittlerweile sind im Sanierungsgebiet zwischen Insel und Plantagenplatz knapp 60 Prozent der Gebäude saniert.
„Neue Wege auf alten Spuren – Private Bauherren auf der Inselstadt“, so lautet der Name einer Freiluft-Ausstellung, die am Sonntag in Werder eröffnet wird. Im Rahmen des Brandenburgischen Kulturlandjahres 2006 unter der Überschrift „Baukultur“ stehen die Häuser und Fischerkaten für Werder bis zum 21. Oktober im Mittelpunkt. Dazu wird es in den kommenden Monaten mehrere Vorträge, Ausstellungen und Feste geben.
Bereits am Mittwochabend berichteten Bauherren und Architekten im Rathaus über ihre Erfahrungen. Die Gründe, nach Werder zu ziehen, sind meist praktische: Leben in der Natur und trotzdem nahe zur Großstadt, Hausbau statt Miete zahlen. Was jemanden dazu bringt, im Sanierungsgebiet zu bauen, geht weiter: Wie für Schmiedels war es auch für andere eine Herzensangelegenheit. Die Journalistin Katja Kaden hatte 2001 das Haus in der Mühlenstraße 4 erworben. Der Zustand damals: „Desolat und furchtbar. Meine Verwandten haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.“ Nach und nach wurde saniert – die Entscheidung dazu bereue sie nicht.
Eine ähnliche Bilanz zog Dieter Möller. Der CDU-Stadtverordnete wohnt seit 1992 in Petzow, wollte aber auch auf der Insel investieren. Beim Adventssingen auf dem Marktplatz habe er den Bürgermeister gefragt, der habe auf das Eckhaus Am Markt 9 gezeigt. „Das sah schlimm aus.“ Es sei nicht einfach gewesen, sich als Neu-Werderaner in der Ausschreibung durchzusetzen, aber Möller konnte das Gebäude schließlich kaufen. Heute befinden sich dort ein Geschäft und zwei Mietwohnungen.
Zwar verspricht das Bauen im Sanierungsgebiet Steuervorteile und oft gab es auf der Insel Fördermittel für Hüllensanierungen – aber auch Auflagen. „Wenn wir dann sagen, die Holzfenster müssen drin bleiben, ist der Bauherr oft überfordert“, so Jutta Storch vom Landesamt für Denkmalpflege. Doch man sei sich im Klaren über neue Ansprüche an alte Häuser, besonders hinsichtlich der Haustechnik.
Architekt Torsten Schmitz hat gleich fünf Häuser zwischen Markt und Michaelisstraße privat saniert – und er habe durchaus Spielräume gehabt, entgegnete er auf die Vermutung, dass sanieren weniger kreativ sei als neu bauen. Seine Objekte habe er – passend zum Schinkeljahr – mit italienischem Flair versehen. „Das sind aber keine Renditeobjekte, die nach zehn Jahren verkauft werden.“
Einen bitteren Beigeschmack vermutete Architekt Detlef Grüneke: Jede Sanierung ziehe die Verdrängung Alteingesessener nach sich. Dem trat man am Mittwoch jedoch entschieden entgegen, die Häuser seien schließlich nicht von großen Firmen, sondern privaten Bauherren hergerichtet worden. Auch Schmitz“ habe zwei frühere Bewohner in ihrem Haus gelassen. Bürgermeister Große spitz: „Ein paar Werderaner werden wir dort schon noch lassen.“ Thomas Lähns
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