Potsdam-Mittelmark: Himmelwärts gerichtet
Der Stahnsdorfer Metallgestalter Christian Roehl findet am morgigen Samstag seine letzte Ruhe auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf
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Stahnsdorf - Die Atelierwerkstatt des Metallgestalters Christian Roehl grenzte an den Südwestkirchhof Stahnsdorf. Hier, in diesem Raum sind so manche seiner zahlreichen Kunstwerke entstanden. Doch nun musste der Künstler seinen Arbeitsort für immer verlassen. Das Feuer ist verloschen, den Schmiedehammer kann er nicht mehr in Bewegung setzen. Der 1940 in Berlin-Grünau geborene Künstler starb ganz unerwartet am 4. April. Nebenan auf dem Friedhof, auf dem er immer wieder spazieren ging, meditierte und Kraft für seine Arbeit schöpfte, wird man ihn am morgigen Samstag zur letzten Ruhe tragen.
Nach dem Abitur in Charlottenburg, einer Lehre in Neukölln als Bauschlosser im Feinstahlbau, wurde er Mitarbeiter des renommierten Berliner Metallgestalters Fritz Kühn. Von ihm erhielt er entscheidende Anregungen. Doch Christian Roehl hat seinen eigenen Weg gefunden, indem er versuchte, die mühevolle handwerkliche Schmiedekunst künstlerisch neu zu beleben. Er hat unterschiedliches Metall, vor allem Stahl, nicht nur verwendet, es wurde durch ihn in wunderbarer Weise verwandelt.
Zum Beherrschen des Materials gehört aber auch Durchschauen, gehört es, Grenzen und vorgegebene Bedingungen ständig vor Augen zu haben und dennoch frei zu bleiben für neue Ideen und gestalterische Lösungen. Er hat eben nicht nur als Formgestalter gewirkt, der entwirft und dann „ausführen lässt“, er hat den schöpferischen Prozess bis zuletzt selbst durchlebt. Dies erklärt dann auch Christian Roehls bestechende Gediegenheit, die augenfällig bei allen seinen Arbeiten ist.
Er war ein Zeitgenosse, der sehr wach unsere Welt wahrnahm, ihre Freude an ihr und die Sünden, die man ihr ständig zumutet. Aber er hat das tiefe Träumen von einer heilen Welt, von dem sorgsamen Umgang mit der Schöpfung immer im Blick gehabt. Auch in seinem künstlerischen Werk. „Ein Schmied hämmert auch im Traum“, heißt eine alte Redensart.
Christian Roehl hat allen unnötigen Zierrat in seinen Skulpturen weggelassen. Von schwebender und oftmals auch von heiterer Zeitlosigkeit begegnen sie dem Betrachter. Sie sind erdverbunden, doch immer himmelwärts gerichtet. Himmel und Erde wollen sich berühren. Dies erlebt man an der 1974 geschaffenen Hommage an den Gärtner, Philosophen und Schriftsteller Karl Foerster aus Bornim auf der Potsdamer Freundschaftsinsel. Roehl wählte für die Skulptur ein Zitat Foersters: „Wer Träume verwirklichen will, muss wacher sein und tiefer träumen als andere.“ Zwei verschiedene Blattformen öffnen sich, strecken sich dem Licht entgegen, weisen auf das Lebendige hin. Wohl jeder Besucher der Insel kennt diese Plastik, hat sie wohl schon einmal berührt. Zweifellos gehört sie zu den bekanntesten Kunstwerken, die zu DDR-Zeiten für Potsdam entstanden sind.
Zeichen setzte Roehl auch im öffentlichen Bewusstsein der Stahnsdorfer Bürger. Vor dem Gemeindezentrum steht die Stele „Aufrecht“. Ein gekrümmter Stahlkörper begibt sich in eine aufrechte Höhe, nicht getrieben, zunächst zaghaft, doch dann mit vollem Selbstbewusstsein. Zuletzt arbeitete er auch an einem Entwurf eines Denk-Zeichens für die 750-Jahr-Feier Stahnsdorfs.
Christian Roehls Arbeiten – unter anderem Brunnen, Tore, Gitter, Grabkreuze und Plastiken – sind an vielen Orten unseres Landes zu sehen. Für Mitte Mai wollte Christian Roehl seine Plastik zum Taufgedenken der Kirchengemeinde Stolpe (Oberhavel) überreichen. Dies wurde durch seinen überraschenden Tod verhindert. Doch das Gedenken an Christian Roehl ist durch seine Kunst nicht auslöschbar.
Die Trauerfeier und anschließende Beisetzung von Christian Roehl beginnt am morgigen Samstag um 12 Uhr in der Stabholzkirche des Südwestkirchhofs. Die Familie bittet auf Blumengaben zu verzichten und stattdessen um Spenden für die Realisierung des Werkkatalogs „Christian Roehl – Vom Innehalten der Plastik im Raum, Werke 1968 – 2013“
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