KulTOUR: Hundert Jahre später ...
Museum im Fercher Kossätenhaus präsentiert die Havelmaler-Generation nach Hagemeister
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Schwielowsee - Werder kümmere sich mehr um die Gegenwart, Ferch eher ums Vergangene, erklärte neulich jemand vom Fach. Gemeint ist die Malerszene von einst und von jetzt an Havel und Schwielowsee. Tatsächlich eröffneten am Wochenende zwei retrospektive Ausstellungen, aber während die in Werders Schützenhaus „zurück nach vorn“ zu blicken versucht, führt das Museum der Havelländischen Malerkolonie in Ferch absichtsvoll ganze hundert Jahre retour.
Zwei Konzeptionen, zwei Wege, nicht zu vergleichen, oder doch? Der Satz des Nicaraguaners Ernesto Cardenal könnte beide auf einen Nenner bringen, meinte er doch sinngemäß, ein jeder Künstler würde in die Gesellschaft integriert, nur eben nicht unbedingt in die seine. Das trifft nun auf die „Mauerbilder“ in Werder (PNN berichteten) genauso zu, wie auf die Nachfolger und Erben von Karl Hagemeister und Co. in Ferch, „vor hundert Jahren“. Vor hundert Jahren nämlich vollzog sich auch am Schwielowsee ein Generationswechsel.
Der sechzigjährige Altmeister stand unmittelbar vor seinem „Durchbruch“: Künstlerische Anerkennung, ein Bildankauf der Berliner Nationalgalerie und eine Ehrenprofessur lohnten sein Lebenswerk in den folgenden Jahren. Während es ihn nun freilich nach Rügen zog, rückten neue Landschaftsmaler rund um Eugen Bracht mit vitalem Interesse an märkischer Landschaft gen Schwielowsee-Land nach, teils auch, weil es in der Metropole Ärger mit den Königlich-Akademischen gab. Sie bildeten nun die zweite Generation der Havelländischen Maler, ob nun „Kolonie“ oder nicht.
Gustav Schliwa, Theodor Schinkel und Arthur Borghard besetzen in dieser sehr durchdachten und wieder trefflich gestalteten Ausstellung (Jelena Jamaikina) neben Karl Hagemeister den Hauptraum, während Carl Kayser-Eichberg, dem Jüngsten unter ihnen, ein eigener gewidmet ist, exklusiv, sozusagen; auch er wurde um 1909 „anerkannt“.
Man stritt und zankte damals ja kräftig, besonders um die Frage, ob das Sichtbare auch das Wesentliche sei, übersetzt: um den Anteil von Realismus und dem aus Frankreich impertierten Impressionismus in einem Werk. Hagemeisters Bilder „Novembertag am Schwielowsee“ und „Ziehender Nebel“ erzählen viel davon. Aber vielleicht kann man diese Schau auch ohne kunsthistorische Schablonen verstehen, die den Bildern so klug zugeordneten Zitate sagen ja schon viel.
Arthur Borghard malte um 1910 Ferch in Sommer und Winter gleichermaßen licht, Philipp Braumüller verewigte eine „Verschneite Uferböschung“, Theodor Schinkel zeigt den Schwielowsee 1911 von seiner eher finsteren Seite. Daneben gibt es Landschafts- und Genrebilder von Carl Kayser-Eichberg eben, den noch im Sitzen schaffenden Landmann, eine kleine Tanne inmitten welliger Landschaft, Ansicht von Potsdam um 1910. Manches hat Gilb oder Patina angesetzt, das sollte man Hundertjährigen gönnen.
Die Vernissage war übrigens rammelvoll, viele Berliner darunter, doch mitnichten nur Leihgeber für die zwanzig vorgestellten Arbeiten. Natürlich kann man Maler und Werke allem Möglichen zuordnen, hundert Jahre später. Wirft man den kulturhistorischen Ballast aber mal ab, beginnen die Bilder selber zu reden. Vielleicht wird „die zweite Reihe“ dabei für manchen zur ersten. Es ist so viel Härte in ihnen, Romantik, Vergessen und Gilb. Einfach nur schön, vor genau hundert Jahren.
bis 31. Januar 2010 Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr, Beelitzer Straße 1
Gerold Paul
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