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„Ich hätte zehn Abende zum Thema Glück machen können“. Dieter Nuhrs Essenz ist heute Abend im Fernsehen zu sehen.

©  RBB

Potsdam-Mittelmark: „Ich arbeite als Glückserzeuger“ Die Show „Nuhr im Glück“, die heute Abend ausgestrahlt wird,

hat Dieter Nuhr in der Biosphäre aufgezeichnet. „Wie das Paradies“ sieht es dort aus, findet er. Überhaupt – die Stadt gefällt ihm

Stand:

Herr Nuhr, die Show ,Nuhr im Glück’, die am Freitag in der ARD ausgestrahlt wird, haben Sie in der Biosphäre Potsdam aufgezeichnet. Sind Sie das erste Mal hier und wie kam es denn überhaupt dazu?

Ja, ich bin das erste Mal hier in der Biosphäre und finde es auf den ersten Blick sensationell. Und wir haben das ausgewählt, weil es so ein bisschen den visuellen Eindruck des Paradises vermittelt und da es um Glück geht, war das eine gute Idee. Und jetzt, da ich hier bin, sehe ich, dass es auch wirklich aussieht wie ein Paradies. Man sieht aber auch gleichzeitig, dass das Paradies kein Ort des ewigen Glücks ist – ich bin ganz froh, dass die Schlangen hinter Glas sind.

Haben Sie denn auch ein bisschen Zeit, sich in der Stadt umzusehen?

Potsdam kenne ich ja schon. Ich bin ja oft länger in Berlin und dann fahre ich auch immer mal nach Potsdam rüber und gehe durch die Stadt. Durch die Deutschlandtournee kenne ich mich eigentlich ganz gut aus im Land. Aber die Biosphäre ist tatsächlich noch Neuland für mich.

Gibt es denn in Potsdam einen Platz, den Sie besonders mögen?

Ich mag in Potsdam eigentlich diese ganze Innenstadtarchitektur. Diese flachen Häuser in rechtwinkligem Grundriss, die etwas sehr Heimeliges haben. Da sieht man, dass selbst einfache Gebrauchsarchitektur, die ja mal aus rein praktischen Gründen so gebaut wurde, nach ein paar Hundert Jahren etwas Heimeliges bekommt. Durch diese Patina und dadurch, dass es eben keine moderne Architektur ist, sondern alt, bekommt die Stadt eine sehr eigenwillige Ausstrahlung. Ich finde, da hat Potsdam wirklich etwas Einzigartiges.

Die Show läuft ja im Rahmen der diesjährigen ARD-Themenwoche zum Thema Glück. In Ihrem aktuellen Buch schreiben Sie: ,Das Glück ist ein kurzer Moment’. Heißt das, es gibt für Sie nur kurzes Glück oder viele kleine kurze Glücksmomente?

Viele kleine kurze Glücksmomente, glaube ich. Die Anzahl unterscheidet sich von Person zu Person. Es gibt auch verschiedene Arten des Glücks. Da gibt es zum einen eine grundsätzliche Zufriedenheit. Und das euphorische Gefühl des Glücklichseins, das kennen wir alle, das kommt immer so sekundenweise und dann ist es auch schon wieder vorbei, dann hat man sich auch schon wieder daran gewöhnt, dass die eigene Mannschaft 5:0 gewonnen hat, obwohl sie sonst immer 0:2 verliert. Und das ist auch etwas, was ich immer wieder versuche anzustreben: solche kleinen Glücksmomente zu erleben.

Und was ist dann – abgesehen vom Gewinnen der eigenen Mannschaft – so ein Glücksmoment für Sie?

Ich glaube, Glücksmomente sind häufig extrem banal. Also auch der Sieg der Fußballmannschaft ist eigentlich extrem nebensächlich, aber löst doch immer wieder Glücksmomente aus. Und dann sind natürlich diese grundsätzlichen Funktionen, die mit unseren Lebensbedürfnissen zu tun haben, Glücksmomente: Essen, Trinken, Geschlechtsverkehr. Und ansonsten glaube ich, dass all das, was man unter Kultur versteht, eher auf die allgemeine Zufriedenheit und nicht auf Glücksmomente ausgerichtet ist. Außer vielleicht Musik, das ist noch so ein direktes emotionales Ding. Lachen ist natürlich eine starke Emotion und ich glaube, das ist einer der Gründe, warum ich den Job mache, weil ich glaube, das ist wirklich eine ganz, ganz schöne Emotion. Und wenn dann 2000 Leute lachen, sind die in dem Moment ja auch glücklich. Ich arbeite quasi als Glückserzeuger.

Wenn Sie sagen, Kultur sei kein Glücksbringer: Haben Sie nie das Gefühl, wenn Sie ein gutes Buch oder ein Gedicht lesen oder einen starken Film sehen, das macht mich glücklich, das war bereichernd?

Ja, bereichernd schon, aber das betrifft nicht das euphorische Glücksgefühl. Ich meine, ein Buch von 700 Seiten ist ja auch einfach zu lang, um ein Dauerglücksgefühl zu erzeugen. Auch ein Gedicht funktioniert bei mir nur auf Umwegen. Da war ich dann bewegt oder ergriffen, aber nicht wirklich euphorisch. Ich glaube, Musik ist das Einzige, was tatsächlich direkt emotional ist und auf diese Glückszentren im Gehirn geht. Das ist ja im Prinzip ein banaler Vorgang, da werden dann entsprechende Flüssigkeiten ausgeschüttet und das war es dann. In der Hinsicht sind wir ja auch hilflose Schimpansen, wir reagieren, wenn irgendetwas bei uns im Hirn ausgelöst wird. Und das sind dann am Ende oft nur Bananen oder die Weibchen im Rudel ...

,Jemanden glücklich zu machen, ist das höchste Glück’, sagt Fontane. Sie engagieren sich für die SOS-Kinderdörfer. Können Sie das bestätigen?

Ja, absolut. Ich mache das natürlich weniger, um mich selbst glücklich zu machen, sondern einfach, weil ich sage, ich habe so viel Glück gehabt in meinem Leben, mit den Dingen, dich gemacht habe, so viel mehr erreicht, als ich mir vorgestellt habe. Daraus leite ich ab, dass ich eine Verantwortung habe, von meinem Glück auch etwas abzugeben. Das ist alles. Ich würde das jetzt auch nicht an die große Glocke hängen. Die Leute von SOS, die vor Ort arbeiten, leisten wirklich tolle Arbeit. Die sind extrem effektiv.

Sie sind ja auch ein leidenschaftlicher Fotograf. Ist das ein Hobby, das sie glücklich macht?

Ja schon. Meine grundsätzliche Zufriedenheit gründet ja auch in meiner Arbeit. Da gehört das Reisen dazu und auch das Bildermachen. Für mich ist das kein Hobby, sondern Teil meiner Tätigkeit. Ich habe ja Kunst studiert. Ich schreibe Texte, ich mache Bilder, ich schaue mich um. Ich betrachte das Leben insgesamt als Reise und mache was draus. Kreativ. Dabei nehme ich meine Bilder genauso ernst wie meine Texte und meine Auftritte. Und natürlich macht mich das alles sehr glücklich und zufrieden, dass ich so arbeiten kann und nicht gezwungen bin, mein Geld mit Dingen zu verdienen, die mich eigentlich nur peripher interessieren. Das ist wirklich ein großer Glücksfall, dass ich so selbstbestimmt leben kann.

Wie haben Sie sich denn dem Thema für die Aufzeichnung in Potsdam genähert?

Es ist ja so, dass ich Glück sowieso immer als Grundthema habe, somit passt das wie ’ne Eins. Was macht uns glücklich, was macht uns unglücklich? Darum dreht sich ja im Prinzip meine ganze Arbeit. Und da habe ich auch viel in alten Programmen gekramt und auch Textstellen von 1997 wieder rausgeholt, die heute noch genauso passen wie vor 16 Jahren. Ich habe ganz viel zusammengesammelt, was ich zum Thema hatte und habe das zusammengefügt und daraus dann ein Programm gemacht. Ich hatte so viel, ich hätte, glaube ich, zehn Abende machen können, weil es einfach so viel Material war. Es ist ja auch einfach die zentrale Frage des Lebens: Was macht mich glücklich, was macht mich unglücklich? Und in dem Moment, in dem man sich diese Fragen stellen kann, hat man ja auch schon einen gewissen Glückszustand erreicht. Denn die meisten Menschen auf dieser Welt können sich das gar nicht fragen, die sind einfach mit dem Überleben beschäftigt. Und das ist eigentlich auch das größte Glück, was ich habe: als weißer Mann in Mitteleuropa im 21. Jahrhundert geboren zu sein. Und nicht in einer Zeit, in der gerade die Pest oder mordende Söldner umhergehen. Das ist einfach ein ungeheures Glück, was in unserer Gesellschaft viel zu wenig erkannt wird. Und das ist ja auch das große Thema des Programms.

Wenn Sie jetzt gleich auf der Bühne stehen werden, was überwiegt dann: Nervosität oder das Glücksgefühl ,Ich darf das hier machen und das ist einfach großartig’?

Das Letztere. Ich bin vor einem Auftritt auch nicht wirklich nervös, weil ich einfach das Programm kenne, die Texte fertig habe. Nervös bin ich, wenn ich weiß, die Sendung ist in vier Wochen und ich habe noch keinen Text, muss noch etwas erarbeiten. Wenn ich den Text fertig habe, fällt die Nervosität von mir ab, ab dann ist alles ein echter Spaß. Gleich sitzen ein paar Hundert Leute vor mir, es ist ja relativ klein hier, und die lachen, die kann ich einzeln sehen. Die lachen mich an für eine Stunde und das macht einfach Freude.

Das Interview führte Sarah Kugler

Die Sendung „Nuhr im Glück“ wird am 22. November um 22.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

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