
© dpa
Potsdam-Mittelmark: Im Landkreis fehlen Strukturen zur Früherkennung
Studie zweier evangelischer Einrichtungen zeigt neue Wege zur Behandlung von Demenz auf
Stand:
Teltow - Immer wieder sei die alte Frau aus der Nachbarschaft auf dem Pfarrhof aufgetaucht, mehrmals am Tag. „Und immer stellte sie dieselbe Frage - Wissen Sie, wie ich heiße?“, erzählt Matthias Blume, Vorsteher des evangelischen Diakonissenhauses Teltow-Lehnin von seiner ersten Erfahrung mit Demenz. Der Frau sei trotz ihrer zunehmenden Verwirrung nie etwas passiert: „Das ganze Dorf passte auf sie auf.“ Heute sind in Brandenburg rund 30 000 Menschen dement, fast die Hälfte wird von den Angehörigen gepflegt.
Die Zahl wird sich in den kommenden Jahren drastisch erhöhen. „Demenz ist die größte Zukunftsaufgabe in der Pflegepolitik und ebenso eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft“, sagte Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD), bei der Abschlusspräsentation eines Demenzprojektes im Diakonissenhaus. Daraus geht hervor, dass sich die Lebenssituation von Betroffenen, aber auch von pflegenden Angehörigen durch vernetzte Hilfsangebote und umfassendeBeratung sowie praktischer Hilfen im Alltag nachhaltig verbessern lässt. Entscheidend für die Behandlung der bisher unheilbaren Krankheit ist eine frühzeitige Diagnose. Genau daran aber scheitere es in Brandenburg viel zu oft, sagt Pia Reisert-Schneider vom Diakonissenhaus, die das Projekt zusammen mit der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal ins Leben rief.
„Viele Hausärzte erkennen erste Symptome oft nicht und in den Landkreisen Potsdam-Mittelmark und Barnim fehlen sogenannte Gedächtnisambulanzen -Anlaufstellen für die Früherkennung und Behandlung von Demenz und Alzheimer. „Das kann aber so nicht bleiben“, so Baaske. Zudem müssten bestehende Beratungsstellen besser vernetzt, Hausärzte besser geschult werden. „Auch die Kommunen sind gefordert, ehrenamtliche Projekte und Netzwerke zu stärken – damit das „Dorf“ die Erkrankten wieder beschützt, greift Reisert-Schneider das Eingangsbeispiel von Blume wieder auf. Doch das Thema ist für viele ein Tabu: „Viele wollen lieber gar nicht wissen, ob sie erkrankt sind“, so Reisert-Schneider.
Auch deshalb sei das Projekt zunächst nur zäh angelaufen. Schließlich blieben 22 Teilnehmer, die über die Dauer des gesamten Projekts begleitet wurden. „Das Wort Demenz haben unsere Mitarbeiter aber quasi nie in den Mund genommen, das hätte viele verschreckt“, so Reisert-Schneider. Wichtiges Kriterium für die Teilnahme war, dass die Krankheit noch nicht zu weit fortgeschritten war, die Betroffenen mussten noch zuhause oder in betreuten Wohngruppen leben. Daneben mussten andere Ursachen, die Demenz-Symptome hervorrufen können, ausgeschlossen werden. Dazu zählen Alkoholabhängigkeit, psychische Leiden wie Depressionen oder auch Schilddrüsenerkrankungen.
Zuletzt mussten auch die Angehörigen der Teilnahme zustimmen. Nicht nur, weil sie mit den Betroffenen oft lange Anfahrtswege zu den Untersuchungen auf sich nehmen mussten - schließlich sollte auch ihre Situation verbessert werden. In vieler Hinsicht sei das auch gelungen. „Vielen tut es schon gut, wenn ihre aufopferungsvolle Pflege wertgeschätzt wird“, so Sylvana Hänsch von der Universität Potsdam, die das Projekt wissenschaftlich betreut hat. Der Schmerz über den zunehmenden Verlust der Beziehung zu dem geliebten Menschen aber bleibe. Deutlicher sei der Erfolg bei den Erkrankten selbst zu erkennen gewesen. „Die meisten freuten sich auf die Tests, machten sich schick für die Untersuchungen, entwickelten neuen Ehrgeiz“, so Hänsch. Ein Grund dafür könne sein, dass die Betroffenen durch das Projekt wieder stärker in soziale Strukturen eingebunden waren.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: