Potsdam-Mittelmark: Im sensiblen Bereich
Erstmals geht es beim Verkehrsprojekt Nr. 17 direkt an die Havel. Die Planer verweisen auf reduzierte Eingriffe, die Gegner protestieren weiter
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Erstmals geht es beim Verkehrsprojekt Nr. 17 direkt an die Havel. Die Planer verweisen auf reduzierte Eingriffe, die Gegner protestieren weiter Von Peter Könnicke Potsdam. Auf der zweiten Seite des Prospektes, mit dem der Bund den Ausbau der Havel illustriert, lächelt noch immer Matthias Wissmann. Bundesverkehrsminister ist der CDU-Mann schon lange nicht mehr, und genauso überholt sind seine Worte in dem Editorial: „Am Wert der Flüsse wird sich durch die behutsamen Ausbaumaßnahmen nichts ändern.“ Schon vor zwölf Jahren schenkten Kritiker des Havelausbaus den Worten wenig Glauben. Heute sagt Hans-Jürgen Heymann, Chef der Berliner Wasserstraßenbauer, dass es der zähe Protest von Natur- und Umweltverbänden war, der einen Ausbau der Havel verhindert hat, wie er einst mit wenig Fingerspitzengefühl projektiert war. Ohne den Widerstand hätte das Deetzer Knie nach seinen über Dutzend Durchstichen, die es in den letzten 100 Jahren an dieser engen Flussbiegung gab, einen weiteren Schnitt erhalten. Dort, wo sich die Havel im 90 Grad-Winkel um das Festland krümmt, hätte man kräftig geholzt und gebaggert, um den Flusslauf zu begradigen. Auch die später statt des Durchstichs geplanten Abbaggerungen am Deetzer Knie ließen wenig von der Behutsamkeit erkennen, die Wissmann einst beschwor. Dieser Tage nun präsentieren die Ingenieure des Wasserstraßen-Neubauamtes ein neues „mathematisches Modell“, das jegliche Eingriffe an der sensiblen Krümmung der Havel zwischen Potsdam und Brandenburg überflüssig macht. Die Berechnungen zeigen, dass sich zwei Schiffe in dem Nadelöhr begegnen können, ohne den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von zwei Metern zu verletzen. Das verlangt zwar äußerstes Manövriergeschick der Kapitäne. Aber es geht. Natürlich freut sich beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Flussexperte Winfried Lücking über den Sinneswandel und die Anerkennung, dass das jahrelange Einmischen Wirkung gezeigt hat. Doch den Fähigkeitsnachweis, der Schiffsführern bei der Passage des Deetzer Knies abverlangt werde, sieht Lücking nur wenig gefragt. Der Fall, dass sich hier zwei Großmotorgüterschiffe oder 185 Meter lange Schubverbände gleichzeitig begegnen, sei äußerst selten. Nach wie vor halten die Gegner des Flussausbaus den Planern schwache Prognosen entgegen, die für die Binnenschifffahrt erhoben werden. „Der Bedarf ist nicht gegeben“, schüttelt Lücking weiterhin den Kopf. 46 Millionen Euro wird der Ausbau der Unteren Havel kosten. Auf über einen Kilometer Länge werden bis zu 22 Meter breite Uferzonen abgebaggert. „Behutsam“, wie betont wird, „potemkinsche Dörfer wollen wir nicht bauen“, beschwichtigt Heymann noch immer allgegenwärtigen Argwohn. Aber: „Egal wie man es verkauft“, sagt BUND-Fachreferent Lücking, „die Eingriffe bleiben ökologisch relevant und bedenklich“. 1,1 Millionen Kubikmeter Baggergut fallen beim Ausbau der Flusshavel an. Lücking nennt das einen „Unterwasserkahlschlag“. Für Peter Dietrich vom Wasserstraßen-Neubauamt ist „die Havel ein 100 Jahre alter Verkehrsweg.“ Während die Umwelt-Lobby den Bereich zwischen Potsdam und Brandenburg den wertvollsten und sensibelsten Abschnitt der Havel nennt, der zu 90 Prozent unter europäischen Naturschutz steht, betonen die Wasserstraßenbauer den Wert des Flusses als Transportweg, der noch ein Bedeutung gewinnen werde, wenn sich die Europäische Union in Osteuropa erweitert. Dann werde Brandenburg zum Transitland, visionierte bereits Ex-Verkehrsminister Meyer. Inzwischen lobt sein Nachfolger, Frank Szymanski, die „Lernfähigkeit“ der Flussplaner und wünscht sich in Zukunft Großmotorgüterschiffe „in großer Zahl“ über die Havel schippern. Das wird dauern. Wöchentlich drei große Schiffe die Havel rauf, drei die Havel runter werden erwartet, ist der Fluss ausgebaut. Bei diesen Zahlen fühlt sich Winfried Lücking in seiner Annahme bestätigt, dass sich die großen Kähne am Deetzer Knie wohl nie nahe kommen werden. „Für sechs Schiffe so ein Aufwand“, begehren die Ausbau-Gegner nach wie vor auf. „Wir bauen ja nicht nur bis 2015 aus, sondern für 100 Jahre “, hält dann Hans-Jürgen Heymann entgegen. Nach einer Statistik der Internationalen Vereinigung der Rheinschiffsregister gibt es in Deutschland 117 Gütermotorschiffe. Ist die Havel erst verkehrstauglich, werden die Schiffe auch kommen – argumentieren und hoffen die Befürworter der Milliarden-Investition. Sie widersprechen zudem dem Einwand, wegen des zu geringen Güteraufkommens sei der Flussausbau nicht notwendig. Für die Untere Havel wird aktuell ein Anstieg von 5,2 Millionen Tonnen im Jahr 1997 auf 7 Millionen Tonnen 2015 prognostiziert. „Das sind plus 35 Prozent“, gibt sich Heymann gewappnet gegen den Vorwurf mangelnder Perspektiven für die Binnenschifffahrt. Dabei stimmen die Widersacher sogar zu, dass es einen Transportzuwachs geben wird. Durch das fertiggestellte Wasserstraßenkreuz in Magdeburg, das ein Überqueren der Elbe und die Weiterfahrt via Elbe-Havelkanal ganzjährig ermöglicht, werde sich auch die Wirtschaftlichkeit der Binnenschifffahrt auf der Havel verbessern. Und diese ermögliche bereits jetzt einen Verkehr mit vollbeladenen Schiffen. Daher wird trotz aller vorgenommenen Reduzierungen das anstehende Planfeststellungsverfahren heftige Gegenwehr hervorrufen. Denn mit den Bauabschnitt zwischen Ketzin und Brandenburg wird zum ersten Mal seit Matthias Wissmanns Hochglanz-Grußwort zum Projekt Deutsche Einheit Nr. 17 die Havel direkt betroffen sein. Für Befürworter und Gegner ist es der sensibelste Abschnitt.
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