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Impfung gegen Windpocken.

© Lukas Schulze/dpa

Windpocken in Asylbewerberheim Teltow: Impfaktion nach Windpocken-Fall

Windpocken im Asylbewerberheim in Teltow: Das Heim wurde unter Quarantäne gestellt, acht Schwangere wurde in Sicherheit gebracht. Zwei weitere Verdachtsfälle gibt es aber noch.

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Teltow - Ein Tschetschene mit Windpocken hat im Teltower Asylbewerberheim für Unruhe gesorgt. Das Heim musste, wie das Landratsamt Potsdam-Mittelmark am Sonntag mitteilte, unter Quarantäne gestellt werden. Der erkrankte Bewohner war nach Beschwerden, die am Donnerstag begannen, am Freitag in eine Klinik gegangen. Dort wurde die Krankheit, die bei Erwachsenen meist schwerer als bei Kindern verläuft, festgestellt. Der Name „Windpocken“ kommt von der hohen Ansteckungsfähigkeit der Varizella-Viren, die auch über einige Meter in der Luft durch Tröpfcheninfektion übertragen werden.

Der Tschetschene wurde nach der Diagnose im Asylbewerberheim isoliert, auch zwei weitere Bewohner, die über Krankheitssymptome klagten, so der Sprecher des Landratsamtes, Kai-Uwe Schwinzert. Dass sie sich angesteckt haben, konnte bis Sonntag nicht bestätigt werden. Acht schwangere Frauen seien außerhalb des Heims untergebracht worden. Die Gefahr für Schwangere und immungeschwächte Personen gilt als besonders hoch.

Impfaktion für 400 Asylbewerber

Für alle Bewohner ohne Impfschutz wurde noch am Freitag ein Ausgehverbot ausgesprochen, sagte Schwinzert. Katastrophenschützer aus Bad Belzig und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) versorgten die Heimbewohner zunächst mit Essen und Trinken.

Noch am Freitag sei eine große Impfaktion für die knapp 400 Asylbewerber vorbereitet worden, so Schwinzert. „Am Samstagmorgen begann die Amtsärztin des Landkreises mit vier Impfteams in beiden Wohnheimen mit der Impfung.“ Danach hätten die Asylbewerber wieder uneingeschränkten Zu- und Ausgang bekommen. Schwinzert: „Die Bewohner zeigten sich größtenteils sehr kooperativ und waren von der Impfung zu überzeugen.“ Nur sechs Personen hätten sich nicht impfen lassen wollen, sie müssten vorerst im Haus verbleiben.

Immer wieder tauchen Masern- und Windpockenfälle auf

Es sei nicht das erste Mal, dass eine Infektionskrankheit in einem Asylbewerberheim in Brandenburg ausbricht, sagte der zuständige Referatsleiter im Gesundheitsministerium, Ulrich Widders, am Sonntag gegenüber den PNN. Im Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt musste wegen mehrerer Windpockenfälle vor einem Jahr ein Aufnahmestopp verhängt werden, das komme immer mal wieder vor, so Widders. Im November sperrte Berlin wegen Masern und Windpocken mehrere Heime für Neuankömmlinge.

Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales plant bis zum Sommer den Aufbau einer zentralen Impfstelle für Asylbewerber. In Brandenburg werden Flüchtlinge schon jetzt nach ihrer Ankunft geimpft, wie Widders bestätigte. Der Impfstatus werde bei einer gesundheitlichen Erstuntersuchung im Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt geprüft. Die Asylbewerber würden dann auf die Impfmöglichkeiten hingewiesen. Man folge dabei den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI), sodass es beispielsweise um Masern und Tuberkulose, aber auch Mumps, Röteln oder Tetanus gehe. Das RKI empfiehlt eine Windpockenimpfung bei Erwachsenen besonders für Risikogruppen wie Frauen vor der Schwangerschaft oder Neurodermitiskranke, wenn die Impfung nicht schon in der Kindheit erfolgt ist und sie noch keine Windpocken hatten. Nur wer Windpocken hatte, ist immun gegen die Krankheit.

Windpocken sind bei Erwachsenen schwieriger

Die Kosten für alle Impfungen würden von der Einrichtung übernommen. Zudem gebe es regelmäßig eine Impfsprechstunde. Allerdings gelte auch für Asylbewerber das Prinzip der Freiwilligkeit, sagte Widders. „Das Gesundheitsministerium setzt bei diesem Thema auf Beratung und Aufklärung.“

Windpocken bei Erwachsenen sind zwar seltener als bei Kindern, kommen aber trotzdem vor und sind im Verlauf häufig schwieriger. Ein Expertenteam der Stiftung Warentest hatte vor drei Jahren – abweichend von den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts – eine Impfung nicht generell für alle Kinder als sinnvoll erachtet. Befürchtet wurde, dass es durch die Impfung von Kindern gegen Varizellen bei möglicherweise nachlassendem Impfschutz zu einer Verschiebung der Erkrankung in höhere Lebensalter komme.

Das Robert-Koch-Institut wollte ein solches Szenario in einer Erwiderung nicht ganz ausschließen. Bei genügend hoher Beteiligung an der Impfung sei jedoch eine sogenannte Herdenimmunität zu erwarten, wie es damals vonseiten des Instituts hieß. „Das bedeutet, dass empfängliche Erwachsene und Menschen, die in besonderem Maße durch Varizellen gefährdet sind, durch die Impfung der Kinder gegen Varizellen sogar ein niedrigeres Risiko haben, an Varizellen zu erkranken.“ Sollten sich weniger Kinder impfen lassen, wachse die Gefahr, dass Ältere und besonders gefährdete Menschen an Windpocken erkranken.

Lesen Sie weiter: Soll es eine Impfpflicht gegen Masern geben? Ein Kommentar >>

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