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Rückläufige Zahlen. In den beiden Teltower Heimen in der Potsdamer Straße 5 und 5 a leben aber noch immer die meisten Flüchtlinge im Kreis – in beiden Häusern zusammen aktuell 413.

© A. Klaer

Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark: In der Warteschleife

Noch kein Umzugstermin für Flüchtlinge aus Teltower Notaufnahme. Situation im Kreis entspannt sich, weitere Heime schließen.

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Teltow – Die Tür steht offen. Im Haus hüpfen zwei dick eingemummelte Kinder fröhlich durch den Gang, aus der Pförtnerloge tönt dezente Musik. Die Stimmung scheint ungetrübt. Dennoch warten die rund 120 Asylbewerber der Notunterkunft in der Warthestraße seit Monaten auf eine baldige Besserung ihrer Wohnsituation. Schon zu Beginn des Jahres hatte der Kreis Potsdam-Mittelmark angekündigt, die Bewohner der Erstaufnahme aus dem vierstöckigen DDR-Plattenbau in ein moderneres Bürohaus in der benachbarten Oderstraße umzuziehen. Doch der Umzug verzögerte sich.

Erst gab es Probleme mit dem Baurecht, dann mit der Teltower Stellplatzsatzung, zuletzt mit dem Brandschutz. Da der private Eigentümer die strengen Brandschutzvorschriften zunächst nicht erfüllt hatte, habe der Kreis die Nutzung bisher nicht freigeben können, erklärte der Landkreissprecher Kai-Uwe Schwinzert. Noch immer gibt es keinen Umzugstermin, jedoch solle der Wechsel „in den nächsten Tagen organisiert“ werden, erklärte er.

Mit einer von Polizisten begleiteten Demo machten am Wochenende ein gutes Dutzend Flüchtlinge und einige Flüchtlingshelfer noch einmal auf die akute Lage vor Ort aufmerksam. Von der Neißestraße zogen sie durch die Oder- und schließlich zur Potsdamer Straße, wo eine Schlusskundgebung stattfand. Initiiert hatte sie FDP-Kreistagsmitglied Christian Kümpel. Ihm gehe es nicht nur darum, die Situation für die Asylbewerber in der Warthestraße zu verbessern, sagte er. Vielmehr sei es wichtig, vor allem die Familien in den Heimen zu schützen. Mit der Verlegung des Somaliers, der aus Frust vor einigen Wochen in einem Heim in Stahnsdorf einen Kleiderhaufen angezündet und damit sämtliche Heimbewohner gefährdet hatte, habe der Kreis inzwischen reagiert, freut er sich. Zudem wünscht sich der Stahnsdorfer in der Region noch ein zusätzliches Freizeitangebot, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auffängt.

Im Heim in der Warthestraße sehen Bewohner und Mitarbeiter die Situation indes zweigeteilt, einige betrachten auch die Demo mit Skepsis. Sie fürchten, dass zu viel Druck zur Folge haben könnte, dass die Familien die Platte verlassen müssten, noch bevor das neue Domizil in der Oderstraße bezugsfertig ist. „Die Leute warten lieber hier, als dass sie etwa nach Bad Belzig oder in andere entfernte Heime verlegt werden“, erklärte eine Flüchtlingshelferin, die nicht namentlich genannt werden will. 25 Kinder gingen in Teltow zur Schule, rund 70 werden in umliegenden Kitas betreut, die Erwachsenen besuchten Integrationskurse. Sie wollten nicht weg. Auch seien die Zeiten, da bis zu zehn Asylbewerber in den für maximal sechs Personen ausgelegten Zimmern wohnen mussten, vorbei. Die Zahl der Flüchtlinge in der Notunterkunft habe sich von einst 160 auf heute 122 reduziert, auch gelinge es, sie schneller in umliegende Heime zu vermitteln, sagte die Helferin.

Im Vergleich zu 2015 habe sich die Situation drastisch verändert, bestätigt auch Schwinzert. Zählte der Landkreis zum Jahresende 2015 noch 2453 geflüchtete Menschen, so sind es aktuell 1616. Von Januar bis März 2016 seien noch 164 Geflüchtete gekommen, dann stagnierte der Zuzug, so Schwinzert. Bis November kamen insgesamt knapp 200 Flüchtlinge neu hinzu, damit deutlich weniger als noch im Frühjahr erwartet.

Inzwischen hat der Kreis auf die neue Situation reagiert. Drei der 14 Flüchtlingsunterkünfte sind bereits geschlossen worden, zwei in Beelitz, eines in Groß Kreutz. In Kürze werden noch weitere Einrichtungen wegen der rückläufigen Zahl der Asylbewerber aufgegeben. So soll das Heim auf dem Gelände der ehemaligen Bundeswehrkaserne in Brück zum Jahresende schließen. Auch die Notaufnahme in Kuhlowitz/Bad Belzig wird dicht gemacht.

Für anerkannte Flüchtlinge bleibe aber die Wohnungssuche laut Kreisverwaltung eine „vorrangige Herausforderung“. Zwar hatte der Kreis 2015 ein Förderprogramm aufgelegt und insgesamt 700 000 Euro bereitgestellt, um privaten Wohnraum herzurichten, doch sei die Situation in Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf weiter sehr angespannt. Von 28 ausgebauten Wohnungen würden sich vier in Teltow und Stahnsdorf befinden. „Naturgemäß ist die berlinferne Region stärker im Angebot an Wohnungen“, erläutert Schwinzert. Jedoch nicht jeder Asylberechtigte sei bereit, „eine eigene Wohnung der Gemeinschaftsunterkunft vorzuziehen“. Insgesamt würden derzeit 171 Geflüchtete im Kreis in Wohnungen leben.

Nicht überall wird die Entwicklung positiv gesehen. Vergebens haben etwa die ehrenamtlichen Helfer der Erstaufnahme in Ferch/Glindow um den Erhalt ihrer Einrichtung gekämpft. In dieser Woche verlassen die letzten Flüchtlinge den Standort. „Wir sind enttäuscht“, sagte Mitarbeiterin Martina Meder den PNN. Zwei Jahre lang hätten die rund 60 Aktiven und ihre unzähligen Helfer geackert, um die Aufnahme mit Räumen, Kleiderkammer, Nähzirkel, Sportgeräten und Fahrrädern auszustatten und entsprechend herzurichten. Viel Herzblut hätten sie investiert. Von jetzt auf gleich sei alles vorbei. Mit einem Offenen Brief hatte sich das „Netzwerk der Hilfe“ zuletzt noch an die Landesregierung und die Zentrale Ausländerbehörde gewandt. Genutzt hat es nicht. Der Vertrag mit dem Deutschen Roten Kreuz wurde vorfristig aufgelöst, das Gelände geräumt. Der Traum von einer gut erschlossenen Dauereinrichtung für geflüchtete Familien, Schwangere oder traumatisierte Menschen – in Ferch/Glindow ist er ausgeträumt.

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