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Potsdam-Mittelmark: Inklusion – ein Problem für Horterzieher
Teltow fordert mehr Geld und mehr Hilfen für die Betreuung am Nachmittag. Land fordert Landkreise zur Finanzierung auf
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Teltow - Sich einzugestehen, dass mit dem eigenen Kind etwas nicht stimmt, das sei das Schwierigste, sagt Solveig Haller, Chefin des Teltower Kita-Eigenbetriebes. Die Kleinen haben Probleme beim Rechnen, Sprechen, Schreiben, beim Bewegen oder beim Freunde finden. Sie sind aggressiv oder einfach ein Stück hinterher. Und dann ist da oft noch die finanzielle Belastung, so Haller. Weil viele Eltern keine Hilfe suchen oder sich nicht leisten können, bleibt die Last immer öfter an den Erziehern hängen.
Laut einer aktuellen Untersuchung des Teltower Unternehmens Kindertagesstätten zeigt fast jedes fünfte Hortkind in der Stadt ein auffälliges Verhalten. Nur für etwa die Hälfte davon wurden von Eltern Hilfen beantragt. Viele Horterzieher sind deshalb überlastet – nicht nur in Teltow. Mit einem Positionspapier hat sich der Teltower Kitaträger jetzt an den Landkreis und Brandenburgs Bildungsministerium gewandt. Darin fordert der städtische Eigenbetrieb einen höheren Zuschuss für die Betreuung auffälliger Kinder am Nachmittag. Nach eigenen Berechnungen fehlen in der Stadt zehn zusätzliche Helfer im Hort, die Grundschülern mit Behinderungen oder Schwierigkeiten helfen.
Wie schwierig die Lage vor Ort oft ist, hat Barbara Hirsch in Teltow beobachtet. Vor zwei Jahren hat die Heilpädagogin gemeinsam mit ihrer Kollegin Silke Schubert ihre Arbeit in Teltow begonnen. Die beiden Frauen unterstützen Erzieher in Kindergärten. Seit die zwei kommunalen Grundschulen im Ort – die Anne-Frank- und die Stubenrauch Schule – Teil des brandenburgweiten Pilotprojekts „Inklusive Grundschule“ sind, haben die beiden Helferinnen immer öfter auch am Nachmittag im Hort zu tun. Statt in die Förderschule haben einige Eltern behinderter oder benachteiligter Kinder ihren Nachwuchs in die Pilotschulen geschickt.
Gemeinsam lernen, das ist das Ziel der Inklusion. „Doch die Horte wurden bei der Inklusion schlichtweg vergessen“, sagt Hirsch. Während die Arbeit mit den Kindern am Vormittag meist gut funktioniere, stünden die wenigen Horterzieher am Nachmittag oft vor schier unlösbaren Problemen. Die zusätzlichen Helfer, die vormittags in der Grundschule arbeiten, haben dann längst Feierabend.
Hilfe müssen die Eltern selbstständig beantragen – eine enorme Hemmschwelle, sagt Hirsch. Gleich danach kommt die nächste: Während solche Hilfen im Kindergarten meist kostenfrei sind, müssen Eltern mit Beginn der Schulzeit oft dafür zahlen, teilweise bis zu 800 Euro im Monat. Dabei wird ein Unterschied gemacht, ob Kinder körperlich oder geistig eingeschränkt sind – das kostet mehr – oder eine psychologische Störung vorliegt – das kostet teilweise nichts.
Dem Land ist zumindest dieser Missstand bewusst. In Brandenburg werden nach Kenntnis des Bildungsministeriums derzeit für nur sehr wenige Kinder mit Behinderungen besondere Leistungen zur Hortbetreuung erbracht. Wie viele es genau sind, ist dem Ministerium nicht bekannt. Bildungsministerin Martina Münch und Sozialminister Günter Baaske (beide SPD) fordern jetzt, was die Finanzierung der Nachmittagsbetreuung angeht, eine Änderung der Bundessozialgesetzgebung. In den vergangenen Monaten hätten Eltern behinderter Kindern immer wieder auf das Problem der Ungleichbehandlung aufmerksam gemacht, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom Donnerstag. Bis es eine Lösung gibt, sollten die zuständigen Landkreise alle Anträge nach dem Sozialgesetzbuch bewilligen, teilten Münch und Baaske mit. Eine Bitte, mehr nicht.
Kitaeigenbetriebschefin Haller drängt deshalb bei Kreis und Land auf eine pauschale Lösung, also mehr Personal. Die Helfer sollten einfach da sein, so Haller. So würden die Hürden der Antragstellung abgebaut und die Erzieher entlastet. Die Diagnose, welches Kind welche Hilfe benötigt, könnte in Teltow vom Eigenbetrieb gestellt werden. Schon jetzt sind die beiden Heilpädagoginnen Hirsch und Schubert damit befasst.
Auch wenn die Landes- SPD bei der umstrittenen Inklusion inzwischen auf die Bremse tritt, wolle man an der Forderung festhalten, so Haller. Denn das laufende Programm mit den Pilotschulen soll in Brandenburg zunächst fortgesetzt werden. 84 Schulen im Land nehmen teil, in der Region neben den zwei Teltower Grundschulen auch die Kleinmachnower Grundschule „Auf dem Seeberg“ und die Evangelische Grundschule. In Potsdam sind es acht Grundschulen – und am Nachmittag eben auch Horte.
Fast alle klagten dort über die gleichen Probleme wie in Teltow, sagt Haller. Anders als für die Kitas angekündigt beabsichtigt die SPD im Land derzeit jedoch noch nicht, den Erzieherschlüssel zu verbessern. Während in der Krippe bald fünf statt sechs Kleinkinder von einem Erzieher betreut werden, sind es in der Kita zwölf Kinder. Im Hort kommen in der Regel bis zu 20 Grundschüler zusammen.
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