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Potsdam-Mittelmark: Kampf gegen den Rausch

Landkreis baut in Mittelmark Suchtberatungsnetz für Jugendliche auf / Zusammenarbeit mit Polizei, Schulen und Jugendklubs / Start des Anti-Drogen-Projekts „Konvoi“

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Potsdam-Mittelmark - Potsdam-Mittelmark will seine Jugendlichen künftig besser vor Drogenmissbrauch schützen. Der Landkreis baut derzeit Suchtberatungs- und Selbsthilfe-Strukturen für Kinder und junge Erwachsene auf, erklärte der mittelmärkische Suchtbeauftragte, Wolf Stein, auf PNN-Anfrage. „Wir wollen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Prävention und frühe Intervention setzen“, so Stein. Denn der Landkreis habe nicht nur ein Alkohol-, sondern auch ein ernsthaftes Drogenproblem.

Nach der jüngsten Studie des Landes Brandenburg hat etwa jeder dritte Zehntklässler in der Mark schon Cannabis konsumiert. Etwa genauso viele 16-Jährige rauchen täglich Zigaretten, und rund 30 Prozent aller männlichen Schüler trinken jede Woche Alkohol. Zudem haben fast zehn Prozent aller Zehntklässler bereits Rauschsubstanzen geschnüffelt, und 16 Prozent haben sich mit künstlichen Drogen wie Amphetaminen, LSD und Ecstasy berauscht. Zwar gebe es keine Statistik für den Landkreis, doch hält Stein diese Zahlen auch dort für realistisch.

Steins Ziel ist es darum, auch die Schulen und Lehrbetriebe mit ins Boot zu holen. Hin und wieder einzelne Informationsveranstaltungen wie bislang reichten aber nicht aus, ist er überzeugt. Die Schulen und Ausbildungsstätten benötigen langfristige Konzepte: Die AWO, die im Auftrag des Landkreises die Suchtberatung in Potsdam-Mittelmark organisiert, arbeitet bereits zusammen mit dem Oberstufenzentrum Teltow gemeinsam an einem solchen Konzept, etwa daran, wie man das Thema Suchtmittel fächerübergreifend – im Biologie-, Deutsch- und Erdkundeunterricht – behandeln kann. Stein hofft, das Konzept bald der Öffentlichkeit vorstellen zu können.

Bereits gestartet ist in Potsdam-Mittelmark das neue Projekt „Konvoi“ mit Kursen für jeweils acht bis zehn Jugendliche. Die Teilnehmer können über ihre Drogenerfahrung sprechen, aber auch über alle anderen Sorgen, sie werden während der acht Kurstermine über Suchtmittel aufgeklärt sowie über rechtliche Belange. Und damit sich die Jugendlichen tatsächlich von dem Programm angesprochen fühlen, gibt es auch gemeinsame Events, erklärte Stein: „Zum Beispiel Indoor-Klettern“. Im vergangenen Jahr wurde das Projekt geplant und vorbereitet.

Denn der Drogenmissbrauch sei gerade für Jugendliche gefährlich, weil der menschliche Körper und das Gehirn sich noch bis ins 20. Lebensjahr hinein entwickeln, so Stein. Die Heranwachsenden seien zudem in einer schwierigen Lebensphase, in der sie ihre Rolle in der Gesellschaft finden müssen. In den ländlichen Regionen im Osten der Republik fehle ihnen dabei häufig die Perspektive. Hinzu kommt, dass im Fall der in unserer Kultur fest verankerten Droge Alkohol die Jugendlichen erst lernen müssten, Maß zu halten, erklärte Stein. Die AWO-Suchtberatung will darum auch mit den Jugendklubs im Landkreis zusammenarbeiten, deren jugendliche ehrenamtliche Mitarbeiter schulen, wie sie zum Beispiel damit umgehen sollten, wenn Gäste betrunken sind oder Drogen dabei haben. Vereinbart ist die Zusammenarbeit aber auch mit dem Kreisjugendring, dem Jugendamt und der Polizei, die durch Drogenkonsum auffällig gewordene Jugendliche an die Suchtberatung vermitteln will. Zudem plant Stein, vorhandene Selbsthilfegruppen zu vernetzen und neue aufzubauen.

Insgesamt stehen der AWO-Suchtberatung mehr als 200 000 Euro aus Kreis- und Landesmitteln zur Verfügung. Mit dem Geld werden Suchtkranke ambulant betreut, Beratungsstellen und die Angebote für die Jugendlichen finanziert. Für die Jugendarbeit bezahlt der Landkreis der AWO-Suchtberatung seit 2006 sogar einen sechsten Mitarbeiter. Der ist dringend notwendig. Denn noch sind im Landkreis kaum Anlaufstellen für „junge Suchtmittelkonsumenten“ vorhanden. Wie fast überall in den neuen Bundesländern habe man auch in Potsdam-Mittelmark nach der Wende lange Zeit negiert, dass es ein Problem auch mit illegalen Drogen gebe – auch die Schulen.

Diese Erfahrung machten auch verschiedene Selbsthilfegruppen und Vereine aus Werder, Schmerwitz und Teltow, die Schulen Informations-Veranstaltungen mit Betroffenen anbieten. Selbst Eltern scheinen häufig das Drogenproblem ihrer Kinder zu verdrängen: Kürzlich hat Scarabäus e. V., der in Schmerwitz eine stationäre Einrichtung für Suchtkranke betreibt, einen Elternkreis für Väter und Mütter drogenabhängiger Jugendlicher gegründet. Doch es kommen kaum Eltern. Ähnlich sieht es beim bereits zehn Jahre alten Elternkreis in der Region Teltow aus. Dort erscheinen nur etwa drei bis vier Betroffene mehr oder weniger regelmäßig. „Eigentlich müssten viel mehr kommen, aber sie trauen sich nicht“, vermutet eine Sprecherin. Niemand solle wissen, dass das eigene Kind Drogenprobleme hat, aber in einer Kleinstadt kenne nun einmal jeder jeden. Die Teltower träfen sich darum in Zehlendorf. Auch Stein von der AWO-Suchtberatung sieht diese Probleme. Trotzdem glaubt er fest an den Erfolg des Vorhabens, aber: „Das braucht Zeit.“

Juliane Wedemeyer

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