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Potsdam-Mittelmark: Kein dauerhafter Diebstahlschutz
Eine aktuelle Statistik belegt, dass Diebe nicht von künstlicher DNA abgeschreckt werden – Einbruchshochburgen wie Kleinmachnow bekommen das zu spüren
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Kleinmachnow - An Haustüren, Briefkästen und selbst an den Ortseingängen in Kleinmachnow prangen die Schilder. Darauf der Hinweis, dass Einbrecher vorgewarnt sein sollten, denn Wertgegenstände seien hier mit künstlicher DNA gesichert. Doch das schreckt die Diebe offenbar nicht mehr ab. Eine aktuelle Statistik zeigt, dass sich Einbrecher bereits an den modernen Diebstahlschutz gewöhnt haben.
Auch in Kleinmachnow bekommt man das zu spüren: „Trotz der Warnhinweise gab es Einbrüche“, sagt die Rathaussprecherin Martina Bellack. Wie viele es waren, konnte sie nicht sagen. Unter den Einbrechern habe sich die neue Methode herumgesprochen, mutmaßt Bellack. Seit einem Jahr verkauft das Rathaus an Kleinmachnower Hausbesitzer Sets mit der Kunst-DNA. „Wir mussten etwas machen“, sagte Bellack.
Denn Kleinmachnow zählt zu den Einbruchshochburgen im Berliner Speckgürtel: Von Januar bis Juli dieses Jahres registrierte die Polizei bereits 59 Einbrüche. Im vergangenen Jahr konnten die Diebe in Kleinmachnow in 110 Häuser einbrechen – ein bisheriger Höchststand. In den Jahren zuvor zählten die Beamten 97 beziehungsweise 91 Einbrüche. Auch in Stahnsdorf und Teltow wird immer häufiger eingebrochen.
Mit dem Einsatz der künstliche DNA hofften Hausbesitzer, Kommunen und die Polizei, Diebe abzuschrecken. Das Prinzip der High-Tech-Farbe ähnelt einer Fahrradcodierung: Die kaum sichtbaren Farbkleckse werden auf Uhren, Schmuck oder Fernseher aufgetragen und mit einem bestimmten Code verbunden. Wird dann zum Beispiel eine wertvolle Uhr gestohlen und fällt bei einer Kontrolle auf, leuchten die Beamten das Objekt mit einer Schwarzlichtlampe ab. Der Lack reagiert auf das UV-Licht und leuchtet lila. So werden Täter überführt, die Uhr kommt zurück zu ihrem Besitzer.
Während die künstliche DNA in Kleinmachnow und anderen Kommunen im Land nicht flächendeckend zum Einsatz kommt, ist das in Bremen anders. Dort wird wie berichtet seit 2009 im Stadtteil Bremen-Nord die Wirkung der Kunst-DNA in über 7000 Privathaushalte getestet. Das Ergebnis: In den ersten zwei Jahren nach der Einführung war das Abschreckungspotenzial hoch. Die Einbruchsquote war in Wohnungen ohne Warnschilder fast zehnmal höher als in denen mit Hinweis. In den Folgejahren verringerte sich der Unterschied: Die allgemeinen Einbruchszahlen waren nur noch 2,3- beziehungsweise 1,3-mal so hoch wie in den Versuchshaushalten.
Der Bremer Stadtteil sei vergleichbar mit Kommunen im Speckgürtel, sagt Polizeikommissar Ulrich Jobst. Auch dort gebe es viel Zuzug von gut situierten Familien in Einfamilienhäuser. Jobst hat vor zwei Jahren das Projekt „Künstliche DNA“ im Land Brandenburg angeschoben. Für ihn sind die vorliegenden Ergebnisse aus Bremen kein Grund zur Sorge: „Der Abschreckungsgedanke funktioniert noch in Brandenburg.“ Dennoch räumt er ein, dass die Polizei damit gerechnet habe, dass sich Diebe an die Kunst-DNA schnell gewöhnen würden. „Das ist nichts Ungewöhnliches.“
Mit der Einführung der Methode im Land vor rund zwei Jahren habe sich allerdings das Vorgehen der Einbrecher geändert: „Sie lassen jetzt die markierten Gegenstände in den Häusern und nehmen die unmarkierten mit.“ Während Fernseher, Laptop oder Digitalkamera unangetastet bleiben, greifen die Diebe vermehrt zu Schmuck und Bargeld. Bisher wurden in ganz Brandenburg nur vier markierte Gegenstände von der Polizei sichergestellt, sagt Jobst.
Doch er sagt auch: „Über einen Hersteller der künstlichen DNA sehen wir, dass der Abschreckungsgedanke noch wirkt.“ Eine Firma aus dem baden-württembergischen Schriesheim verkaufe an viele Kommunen die Sets, sagt Jobst. Komme es zu einem Einbruch, würde die Firma den Hausbesitzern das Geld für das DNA-Set erstatten. „Mir sind von solchen Geld-zurück-Fällen nur zwei bekannt.“
Massive Kritik an dem Einsatz der High-Tech-Farbe kommt indes vom Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer: „Man dachte, die künstliche DNA sei der Königsweg – damit ist man gescheitert.“ Es sei naiv, anzunehmen, dass das Diebesgut auf dem deutschen Markt bleibe. „Es handelt sich um gut organisierte Banden, die auch Zeitung lesen können“, so der Kriminologe. Den verunsicherten Bürgern seien zu Unrecht Versprechungen für mehr Sicherheit gemacht worden. Statt den Einsatz der künstlichen DNA voranzutreiben, müsste die Polizei bundesweit mehr Beamte im Bereich der Einbruchs - und Cyberkriminalität einsetzen. „Bei den Tötungsdelikten sind die Zahlen rückläufig – wieso können die Beamten nicht flexibler in anderen Abteilungen eingesetzt werden?“
Ein Allheilmittel sind die kaum sichtbaren Farbkleckse nicht, sagt auch Polizeikommissar Jobst. „Das hat auch nie jemand behauptet.“ Sie seien nur ein Baustein in der Gesamtprävention. Der beste Schutz vor Einbrechern seien nach wie vor aufmerksame Nachbarn. Um ihre Aufmerksamkeit frühzeitig auf das Thema Einbruchsschutz zu lenken, habe man sich für das griffige Kunstwort entschieden. „Künstliche DNA klingt interessant, ist eine neu Form des Diebstahlschutzes und für viele der Anfang, mehr Prävention zu betreiben.“
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