Von Thomas Lähns: Kein Staat im Staate
Die Bundeswehr wirbt in Beelitz für den Erhalt ihres Standortes – und um Nachwuchs
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Beelitz - Kapitulation kommt nicht infrage – auch wenn knappe Kassen der Gegner sind. Seit mit dem Ende der Wehrpflicht feststeht, dass zahlreiche Bundeswehrstandorte schließen müssen, werben die in Beelitz stationierten Logistiker intensiver denn je für den Erhalt ihrer Kaserne. „Es ist wichtig, dass wir die Verankerung in der Bevölkerung manifestieren“, sagt der Komandeut des Logistikbataillons 172 Boris Nannt. Statt abzuwarten, wie in Berlin zur Zukunft der Zieten-Kaserne entschieden wird, geht man in die Offensive: Da werden Politiker mobilisiert, und es werden Aktionen gestartet, bei denen Bürger und Soldaten ihren Gemeinsinn zeigen. Erst vor Kurzem schwammen sie für einen guten Zweck um die Wette, regelmäßig treffen sie sich zur Pflege der Kriegsgräber. All das getreu dem Bataillons-Schlachtruf „Gemeinsam stark!“ Die Truppe hat ein neues Selbstbewusstsein entwickelt.
Das rührt besonders von den Auslandseinsätzen her, die das Bataillon in den vergangenen Jahren absolviert hat. Regelmäßig waren Kompanien im Kosovo oder in Afghanistan vor Ort, um die Bundeswehr und ihre Bündnispartner mit Materialnachschub und Lebensmitteln zu versorgen, oder um als „Pannenhelfer“ liegengebliebene Fahrzeuge aus Krisenregionen zu holen. Der nächste Einsatz ist für Oktober 2012 geplant. Von der Landesregierung gab es im Dezember vergangenen Jahres mit der Verleihung des Fahnenbandes eine der höchsten Auszeichnungen Brandenburgs, und auch die Beelitzer stehen hinter ihrer Truppe. Einerseits wissen sie um den wirtschaftlichen Motor, der da vor den Stadttoren liegt, andererseits gibt es eine lange Tradition als Garnisionsstadt. Mit der einst in Heilstätten stationierten Roten Armee tauschte man Waren und pflegte Freundschaften, und den von der Öffentlichkeit isolierten NVA-Soldaten kam man im Januar 1990 sogar zur Hilfe, als sie gegen ihre Offiziere aufbegehrten.
Die Verbundenheit zeigte sich auch am Donnerstagabend, als beim öffentlichen Gelöbnis in der Altstadt rund 170 freiwillig Wehrdienstleistende und Zeitsoldaten auf den Dienst an der Waffe eingeschworen wurden. Die Berliner Straße war gesäumt von Uniformen, alle paar Meter standen Fackelträger, während das Musikkorps Märsche spielte. Dahinter Hunderte schaulustiger Bürger. Fast fühlte man sich zurückversetzt ins alte Preußen – nur dass hier keine Husaren im Dienste des Königs standen, sondern militärisch ausgebildete Staatsbürger in Uniform. Und in den Reihen standen Dutzende Frauen – ein klares Zeichen dafür, dass die Bundeswehr auch in gesellschaftlicher Hinsicht mit der Zeit gegangen ist.
Das Signal, das von Beelitz ausgehen sollte: Eine deutsche Armee wird es auch weiterhin geben – reduziert und technisch modernisiert, aber immer noch auf Traditionen bauend. Und es soll sie auch in Beelitz weiterhin geben. „Die Bundeswehr muss in der Fläche präsent bleiben“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in seiner Rede. Er erinnerte an die Einsätze bei den Hochwassern an Oder und Elbe vor einigen Jahren und sprach den jungen Rekruten seine Anerkennung aus für ihre Entscheidung, sich in den Dienst am Volke zu stellen. Dabei müssten die Soldaten aber auch Sorge tragen, dass sich der Charakter der deutschen Armee nicht ändern werde. „Unsere Bürgerarmee wird sich behaupten und nicht zu einem Staat im Staate werden“, so Platzeck.
Die größte Sorge der Bundeswehr selbst dürfte jedoch der Nachwuchswerbung gelten. Bislang waren es die Wehrpflichtigen, die durch ihren Dienst die Truppe kennenlernten und sich dann um eine Stelle als Zeit- oder Berufssoldat beworben haben. Nun gilt es, das Interesse bei jungen Menschen außerhalb der Kasernen zu wecken. Dafür gehen Soldaten an die Schulen, dafür werden Schülerpraktika angeboten. Und es werden Aktionstage veranstaltet wie der bundesweite „Girls Day“. Am 14. April werden dazu 30 Schülerinnen die Zieten-Kaserne besuchen. Zwar waren die 170 Rekruten am Donnerstag eine beachtliche Zahl, doch stammen sie aus mehreren Einheiten in Norddeutschland. Längst lohnt es sich nicht mehr für jedes Bataillon, die Grundausbildung selbst durchführen. Geschult und gedrillt wird im Verbund. Und so waren neben den Beelitzer Logistikern auch blau-bemützte Sanitätssoldaten aus Berlin angetreten, um Treue und Tapferkeit zu schwören – oder bei einer Dienstzeit von unter zwei Jahren in der milderen Eidesform zu „geloben“. Oberstleutnant Nannt sagte zu den Rekruten, sie hätten sich zu Recht für den Dienst bei der Bundeswehr entschieden, auch wenn dieser weder einfach noch bequem sei. „In den Auslandseinsätzen ist die besondere Dimension des Begriffes ,Tapferkeit’ schon heute Realität“, erklärte er.
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