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Keine Berührungsängste. Wenn die Rentner am Computer nicht weiterwissen, kommen sie zu Franz Neudert (l.).

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: „Keine Angst, die Maus beißt nicht“

Mit Bits und Bytes kennen sie sich aus: Rentner in der Region Teltow geben sich Computer-Nachhilfe

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Region Teltow - Nein, das ist keine Krankheit, das ist ein Virus. Mit großen roten Buchstaben auf dem Bildschirm meldet sich Georgios Bograkos Computer zu Wort. Wenn die schlanke Rechenmaschine reden könnte, würde sie wohl um Hilfe rufen. Doch stattdessen piept der Laptop kurz. „Der Computer ist durcheinander und ich auch“, sagt Bograkos und lässt die Schultern hängen. Hilfesuchend blickt der griechische Rentner zu Franz Neudert, der sich dem technischen Patienten nähert. „Ich hab dir gesagt, du sollst deinen Neffen da nicht ranlassen“, mahnt Neudert. Dann atmet er einmal tief durch und greift zur Maus.

Rentner haben niemals Zeit – na klar, sagt Franz Neudert, weil sich viele Ältere immer häufiger mit einem Computer beschäftigen. Schon vor drei Jahren besaßen in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund die Hälfte aller Seniorenhaushalte einen Computer. Die Tendenz ist steigend, das merkt auch Neudert.

Der 69-Jährige leitet in der Stahnsdorfer Jugend- und Freizeiteinrichtung Clab am Bäkedamm 2 ehrenamtlich einen Computerkurs für Senioren. Immer donnerstags um 9 Uhr treffen sich die Rentner in dem Raum, den am Nachmittag Jugendliche belagern. Während die Jugend den kostenlosen Internetzugang nutzt, um Hausaufgaben zu erledigen, sich mit Freunden über Facebook zu unterhalten oder die neuesten Musikvideos zu laden, basteln Neuderts Rentner an Grußpostkarten, lassen sich die Internettelefonie erklären, Programme installieren und helfen sich, wenn einer nicht weiterkommt.

„In der Regel sind wir sechs bis acht Leute“, sagt Georgios Bograkos, während sich Neudert an seinem kränkelnden Laptop zu schaffen macht. Vor einem halben Jahr habe er von dem Angebot erfahren und war seitdem fast immer hier. „Zu Hause habe ich allein am Computer gesessen.“ Gemeinsam lösen sich Probleme aber besser und man kann von den anderen lernen, sagt Bograkos.

Lern- und wissbegierig seien die Rentner der Region Teltow allemal. Das sagt auch Katrin Klingauf von der Akademie 2. Lebenshälfte in Kleinmachnow. Im kommenden Jahr feiert der Bildungsträger sein 20. Jubiläum und genauso lange werden in der Akademie Computerkurse für Rentner angeboten. Über mangelnde Nachfrage kann sich Klingauf nicht beschweren. Gerade wenn es draußen kälter und regnerischer wird, wollen sich viele Senioren mit ihrem Computer beschäftigen. Sie bringen ihre Laptops dann einfach mit in den Kurs, die Akademie hat aber auch eigene zum Lernen. „Wir wollen den Rentnern etwas bieten, mit dem sie zu Hause ganz praktisch etwas anfangen können“, sagt Klingauf. So gibt es neben den Einsteigerkursen für Neulinge auch Anleitungen zur Bildbearbeitung, zum Telefonieren über Internet, zum Digitalisieren von alten Videos sowie zum Er- und Versteigern von gebrauchten Dingen beim Internetauktionshaus Ebay. Rund 96 Euro kostet ein mehrwöchiger Kurs. Die Preise berechnen sich je nach Länge und Thema. So können Interessierte ab dem 19. November sogar lernen, E-Mails zu verschlüsseln.

Das bei Weitem noch nicht alle Älteren in Deutschland so ausgefuchst mit Computern umgehen können, hat die jüngste Pisa-Studie für Erwachsene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD gezeigt. Vor allem Ältere haben Schwierigkeiten am Computer und mit digitalen Netzwerken. Mehr als ein Viertel der Testpersonen in der sogenannten Piaac-Studie konnte keine Computer-Maus bedienen.

„Ja ja, die Maus“, sagt Franz Neudert. Auch er hat in seinem Seniorenkurs schon so einiges erlebt. Eine ältere Dame habe sich vor der Computer-Maus sogar gefürchtet. Neudert konnte sie beruhigen: „Keine Angst, die beißt nicht.“ Gelacht wird über solche Fragen nicht, sagt Neudert. „Jeder kann hier alles fragen und ich versuche zu antworten.“

Dabei kann der gelernte Rundfunk- und Fernsehmechaniker auch auf die Hilfe seiner Freunde und Bekannten zählen. Vor rund 30 Jahren hatte er in Berlin einen Computer-Klub gegründet, damals beschäftigte sich der heutige Stahnsdorfer noch mit dem Heimcomputer „TI-99/4A“. Die alten Kontakte hat er aufrechterhalten. Als Rentner bewarb sich Neudert bei der Akademie 2. Lebenshälfte um eine Ausbildung zum Seniorentrainer. Neun Tage lang versorgte ihn die Akademie mit weiterem Computerwissen, dass er nun gerne an seine betagten Computerfreunde weitergibt.

Zum Beispiel auch an Regine Höpfner. Die 61-jährige frühere Kita-Leiterin hat sich die Sache mit dem Computer selbst beigebracht. Vor einem Urlaub druckt sie eigene Postkarten, montiert sich und ihren Mann an einen Strand am Urlaubsziel. Wenn sie unterwegs ist, braucht sie sich um den Kartenkauf dann nicht mehr sorgen. Aber manchmal komme sie mit ihren Karten einfach nicht weiter. „Dann könnte ich zum Rumpelstilzchen werden“, sagt Höpfner und auch Georgios Bograkos lacht. So geht es ihm auch sehr oft mit seinem kränkelnden Computer.

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