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KulTOUR: Keine Fragen

Michael Fritz las im Huchelhaus aus „Die Rivalen“

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Michendorf - Eigentlich wird viel zu wenig über den Zusammenhang zwischen Autor und Werk nachgedacht. In einem Reiseessay ist er wohl immer enthalten, aber in einer Erzählung, einem Roman? Die Frage hätte sich beim jüngsten Literaturgespräch im Wilhelmshorster Huchel-Haus von selbst angeboten, denn Autor Michael G. Fritz gestand seinem neuen Roman „Die Rivalen“ durchaus autobiographische Züge zu. Was man da aber genau vor sich hatte, erschloss sich allerdings weder aus der Lesung noch durch seine Erläuterungen, man muss ja nicht alles wissen.

Wahrscheinlich geht es um „Vergangenheitsbewältigung“ der persönlichen wie öffentlichen Art, schließlich ist der Märker 1953 in die DDR hineingeboren und gleichsam in sie verstrickt worden. Die „Wende“ brachte alles ans Licht. Der Leser begegnet dem Ich-Erzähler Albrecht, als er in der belebten Friedrichstraße seinen alten Freund und Blutsbruder Wilhelm wiedersieht. Statt ihn brüderlich zu umarmen, flieht er ihn, von allerlei Gewissensqualen gebissen. Grund: Vor dem Hintergrund der „Tschechenkrise“ 1968 fühlte sich Albert irgendwie an Verhaftung, Exmatrikulation und der Ausreise Wilhelms schuldig, obgleich man bald erfährt, dass sein Anteil daran eher „gering“ gewesen sei und Wilhelm seinen Widersachern längst vergeben hat.

Albert baut nun im Roman eine lebhafte Erinnerungswelt auf, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des seltsamen Freundespaares zeigen, etwa hinsichtlich der jugendlichen Liebe zu einer heißen Bettina. Albert der Zögerliche, Wilhelm der Draufgänger, ein Aktionist und – Autor! Beide verhalten sich zueinander wie Yin und Yang in der chinesischen Lehre.

War Fritzens Lesung auch in Ordnung, so gab das Roman-Konstrukt doch manches Rätsel auf. Glaubhafte Gründe für Alberts Zögerlichkeit hörte man genauso wenig wie den Grund, warum ausgerechnet seine Frau Carola von dieser Vergangenheit nicht wissen soll. Am Schluss verfolgt er eine seiner Lesungen durch das Schau-Fenster einer Galerie hindurch wie ein Voyeur, wo Wilhelm genau jene Geschichte erzählt, die Alberts Ich dem Leser schildert, ganz schön raffiniert.

Rätsel dieser Art bemerkte auch Grit Poppe, keine geborene Moderatorin. Sie fragte, hinterfragte aber wenig. Aufarbeitung schon, meinte Fritz, aber erst im nächsten Roman werde sie „konsequent“ betrieben. Warum? Der wortbewusste, dafür in Teilen fast kolportierend wirkende Stil wiegt die unentschlossene Konstruktion des Textes eben nicht auf, man spürte die „offenen Stellen“ doch sehr.

Fritzens Aussagen zu Leben und Selbst waren hingegen lebhaft. Einmal Märker – immer Märker, obwohl er wahlweise in Berlin und Dresden lebt! Tief in Sachsen will er den dortigen Dialekt zu Boden ringen, welcher ihn gruselt, indes seine erwachsene Tochter ihn als Zweitsprache lernt. Auch über die DDR wusste er alert zu reden. Erfahrungen könne man zwar nicht wegwaschen, wer aber diesen Staat als „Solidargemeinschaft“ romantisiere, solle mal die Stasiakten seiner Umgebung studieren, sagte er. Vielleicht hat das auch mit dem Buch zu tun. Im Gegensatz zu einer unreformierbaren Diktatur sei „das jetzige System“ sehr wohl veränderbar: Er setzt auf Widerstand durch wohlgezielte „Nadelstiche“. So endete dieser Abend. Fragen? Das Publikum hatte keine.

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