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Kinder brauchen Schutz. Gerade Vereine in Berliner Umlandkommunen, deren Einwohnerschaft sich durch starken Zuzug stetig verändert, sollten aufmerksam und sensibel sein, wenn sich neue Übungsleiter vorstellen., rät der Landessportbund.

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Potsdam-Mittelmark: Kinder trotz Verbots trainiert

Vorbestrafter Sexualstraftäter schlich sich in Tischtennisverein ein. LSB startet Kinderschutz-Kampagne

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Potsdam/Werder (Havel) - Die rund 3000 Sportvereine in Brandenburg werden in den kommenden Tagen eine Broschüre erhalten. Inhalt: Informationen und präventive Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch von Kindern. „Seit einiger Zeit ist das kein Tabuthema mehr, doch viele Vereine wissen nicht, wie sie sich und die Kinder schützen sollen“, sagt Robert Busch vom Landessportbund (LSB). Dieser hat nun auf rund 30 Seiten Ansprechpartner, Institutionen und Behörden aufgelistet, Präventionsmaßnahmen empfohlen und auch Täterstrategien beschrieben, sodass Verantwortlichen in den Vereinen mögliche Missbrauchsfälle oder -versuche erkennen. Zudem führt der LSB Intensivschulungen für Vereine durch. „Die Vereine müssen sensibler werden und genauer hinschauen", sagt Busch.

Das kann Mario Rux nur unterstreichen. Der Vorsitzende des Tischtennisvereins Werder (Havel) hat gerade erst die Erfahrung gemacht, dass sich ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestrafter Mann in den Verein eingeschlichen und es tatsächlich geschafft hat, Trainingsstunden mit 12- bis 13-jährigen Kindern zu übernehmen. Der Mann saß wegen Kindesmissbrauchs in 13 Fällen zwei Jahre und sechs Monate im Gefängnis, nach seiner Haftstrafe wurde ihm verboten, sich für die Dauer von fünf Jahren Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren zu nähern.

Doch der homosexuelle Mann setzte sich über die Weisung des Landgerichts hinweg, als er sich dem Tischtennisverein als Kindertrainer anbot. Bereits im August 2012 hatte sich der Brandenburger bei dem Werderaner Verein als Spieler angemeldet und in der ersten Mannschaft trainiert. „Wir waren froh, als er sich anbot, die Kinder zu trainieren“, erinnert sich Vereinschef Rux. Von der kriminellen Vergangenheit sowie von den gerichtlichen Auflagen habe niemand im Verein gewusst.

Einen Vorwurf würde LSB-Jugendsekretär Busch dem Verein nicht machen. Die Arglosigkeit in den Vereinen sei häufig auch Kalkül der Täter. Doch gerade Vereine in Berliner Umlandkommunen, deren Einwohnerklientel sich durch starken Zuzug stetig verändert, sollten aufmerksam und sensibel sein, wenn sich neue Übungsleiter vorstellen. „Trainer-Hopping" nennt Busch die Methode, nach der vorbestrafte Sexualstraftäter immer wieder versuchen würden, sich in Vereine einzuschleichen. Auch wenn es bislang bei ehrenamtlichen Trainern nicht erforderlich ist, sollte sich jeder Verein überlegen, von neuem Übungsleiterpersonal ein polizeiliches Führungszeugnis zu verlangen. „Vor allem, wenn Trainer mit den Kindern in Trainingslager und zu Wettkämpfen fahren“, so Busch.

Dass es tatsächlich so ist, dass verurteilte Sexualstraftäter erneut Täter werden können, beweist der Fall des Werderaner Tischtennistrainers. Fast zeitgleich mit seinem Eintritt in den Verein saß er im Herbst 2012 auf der Anklagebank, weil er sich über die Weisungen der Führungsaufsicht hinweggesetzt und erneut Kinder missbraucht hatte. Er wurde zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, gegen die er Rechtsmittel einlegte. Da die Berufshandlung noch aussteht, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Kurze Zeit später, im Dezember 2012, übernahm er das Kindertraining in Werder. Der Mann errang schnell das Vertrauen der Eltern seiner Schützlinge. Einmal holte er sogar einen 13-jährigen Jungen von dessen Wohnort zum Training ab, brachte ihn mit Einverständnis der Mutter erst Stunden später zurück.

Anfang März dieses Jahres flog die Sache auf. „Die Polizei war bei uns im Verein und informierte uns über den Mann“, erinnert sich Rux. Der vorbestrafte Trainer tauchte ab – und vor wenigen Tagen erneut vor Gericht wieder auf: Wegen Verstoßes gegen die Weisungen der Führungsaufsicht verurteilte ihn das Schöffengericht zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Gegen die – so kündigte sein Verteidiger an – werde man in Berufung gehen.

Von Einsicht oder Reue des Angeklagten über sein Fehlverhalten war während der Verhandlung wenig zu spüren. Zwar räumte er den Vorwurf ein, betonte aber, es habe zu keiner Zeit Gefahr für die von ihm trainierten Kinder bestanden. Stets sei ein Erwachsener dabei gewesen. Während des polizeilichen Ermittlungsverfahrens hatten die Kinder des Tischtennisvereins erklärt, von dem Angeklagten nicht sexuell bedrängt worden zu sein. Hingegen machte während der Verhandlung der Staatsanwalt deutlich, dass durchaus eine latente Gefährdung der Kinder bestanden habe. Einer harmlos anmutenden Kontaktaufnahme hätte später durchaus ein sexueller Übergriff folgen können.

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