DasWAR“S: Klang der Zeit
DasWAR“S Warum Peter Könnicke einem Fanfarenton lange nachhört Seit einigen Wochen wird jeden Montag in unserem Großraumbüro Protest gegen Hartz IV laut. „Weg damit“ schallt es von den Montagsdemos auf dem Platz der Einheit zur Wilhelmgalerie herüber.
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DasWAR“S Warum Peter Könnicke einem Fanfarenton lange nachhört Seit einigen Wochen wird jeden Montag in unserem Großraumbüro Protest gegen Hartz IV laut. „Weg damit“ schallt es von den Montagsdemos auf dem Platz der Einheit zur Wilhelmgalerie herüber. In dieser Woche mischte sich unter die Protestreden ein vertrauter Klang. Eine Sirene, wie ich sie von früher kannte. „Sachsenring Zwickau gegen FC Karl Marx Stadt“, schoss es mir sofort durch den Kopf. Es war der selbe Ton, der früher jeden Samstag unser Wohnzimmer füllte. Die Tröte war in jedem Stadion der DDR-Oberliga zu hören. Und samstags, fünf nach halb Fünf, gab es Fußball mit diesem lang gezogenen Ton. Und in Schwarz-weiß. Der Oberliga-Ball rollte eine halbe Stunde durch unsere Stube. Dann schaltete mein Vater zur ARD-Sportschau um, jedesmal mit der Begründung: „Jetzt gibt es richtigen Fußball!“. Trotzdem hat er einmal mit unserem Dorffleischer gewettet, dass Magdeburg im Europapokal gegen Mönchengladbach gewinnt. Das Spiel endete drei zu eins und mein Vater brachte stolz seinen Wettgewinn nach Hause: eine geräucherte Salami. Eigenartigerweise wurde ich in dieser Woche den Signalton nicht mehr los. Vielleicht liegt es daran, dass die Fans von Energie Cottbus morgen bei Rot-Weiß Essen den alten Jungpionier-Klassiker „Uns“re Heimat“ singen wollen. Kann sein, dass die AOK Schuld ist. Deren Verwaltungsrat wollte sich gestern wohl ein besseres Bild von den ostdeutschen Beitragszahlern machen und eröffnete in Teltow eine Ausstellung mit DDR-Plakaten. Vielleicht liegt es auch an den Landschaftsbildern aus der DDR, die im Potsdamer Kutschstall zu sehen sind. Oder am Kanzler, der sich diese Woche in Budapest einen mit Zeitungen beklebten Trabant angeguckt hat und dabei aussah, als wollte er sich vor der „Pappe“ verneigen. Kann er ruhig. Womöglich tönt es auch deshalb in meinem Kopf, weil RTL uns jetzt zeigen will, wie 1983 die DDR war. Da war ich 14, unglücklich in Sandra F. aus der 8a verliebt, Fan von Bruce Springsteen und Dynamo Dresden. Und bei meiner Jugendweihe war ich halb so besoffen wie ich geplant hatte. Ich frage mich, ob die Sirene deshalb so hartnäckig nachklingt, weil es neuerdings so bissig „Ossis“ und „Wessis“ heißt. Ich hoffe nicht. Vielleicht klingt die Fanfare auch nur deshalb, weil Cottbus und Aue, Dresden und Erfurt inzwischen „richtigen Fußball“ spielen, mein Vater jetzt wettet, dass Alemannia Aachen im Europapokal gewinnt und man auf einen Trabant wieder warten muss.
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