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Potsdam-Mittelmark: Kleine Schätze aus Baumgartenbrück

Zwischen „Mark und Metropole“: Ausstellung zum Werk der Fotografin Marie Goslich öffnet am Sonnabend

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Schwielowsee / Werder - Die Unterschiede könnten kaum größer sein: Hier die Mietskasernen und Hinterhöfe im rasant wachsenden Berlin, dort die fast noch unberührte Landschaft rund um den Schwielowsee; einerseits „feine Leute“ beim Flanieren durch den Park, andererseits Bauern bei der Arbeit, Kinder beim Spielen und fahrende Leute auf ihrem Weg durch die Dörfer der Mark. Es ist ein facettenreicher Blick, den die Fotografin und Journalistin Marie Goslich (1859-1936) auf die Wilhelminische Epoche geworfen hat. Ihre Bilder sind kleine Schätze, die in Geltow jahrelang gehütet wurden. Erstmals werden sie jetzt in großem Umfang ausgestellt.

Passend zum Motto des Kulturlandjahres 2008 „Mark und Metropole“ sind ab Sonnabend an fünf Standorten zwischen Schwielowsee und Werder die Fotografien von Marie Goslich zu bestaunen: im Schloss Caputh der „Blick auf die Metropole“, im Heimathaus Aufnahmen aus der Modewelt, auf der Bismarckhöhe in Werder Landschaftsfotografien, in der Schinkelkirche Petzow Bilder aus dem Arbeitsleben von Frauen in der Provinz und in der Geltower Gaststätte Baumgartenbrück Eindrücke vom „Weg über die Havel“. An allen Standorten gibt es ein Begleitprogramm mit Lesungen, Musik und geführten Streifzügen durch die Landschaft.

Viele Jahre ihres Lebens verbrachte Marie Goslich in Geltow, vor allem in der Gaststätte „Baumgartenbrück“ der Familie Herrmann. Ab 1915 wohnte sie hier, zog später in eine Wohnung in der Havelstraße. Albrecht Herrmann verwaltet das Erbe der Journalistin – und weiß noch heute, wie seine Mutter Liselotte die Glasnegative zum Kriegsende hin versteckt hat. „Andere haben das Tafelsilber vergraben, bei uns wurden die Fotografien in Sicherheit gebracht. Als Achtjähriger hatte ich dafür noch kein Verständnis.“

Vor ihrem Tod 1936 – dessen Umstände sind bislang noch ungeklärt – hatte Goslich ihre Freundin Liselotte Herrmann gebeten, die über 400 Glasnegative zu verwahren. Nach der Sprengung der Baumgartenbrücke im April 1945 hatte Liselotte Herrmann die Aufnahmen unter der Dachschräge verborgen. Als die Rote Armee da war, habe die Familie sieben Wochen nicht im Haus wohnen können – und doch haben die Glasnegative unentdeckt überdauert.

Seit nunmehr zwei Jahren werden die Negative digitalisiert – und im gleichen Zuge die Lebensgeschichte von Marie Goslich erforscht. Ausstellungskuratorin Krystyna Kauffmann, Leiterin des Heimathauses Caputh, arbeitet dafür unter anderem mit der Uni Potsdam zusammen und hat bereits ein Buch mit dem Titel „Die Poesie der Landstraße“ herausgegeben. Noch sind viele Fragen über das Leben der Fotografin offen, zum Beispiel wo sie ihr Handwerk erlernt hatte. Kauffmann vermutet: „Die Bilder von Treppenfluren und Aufgängen weisen auf eine Ausbildung beim Lette-Verein hin – solche Aufnahmen sind typisch dafür.“ Der Berliner Verein „Zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts“ eröffnete unverheirateten Frauen Perspektiven auch in für sie untypischen Branchen.

Die bereits gewonnenen Erkenntnisse über Marie Goslich künden von einem wechselvollen Leben: Nach dem Tod ihres Vaters 1875 wohnte sie zeitweilig im Hause und unter der Vormundschaft von Rudolf von Tirpitz, Vater des späteren Staatssekretärs des Reichsmarineamtes und Initiator der schicksalhaften deutschen Flottenrüstung Alfred von Tirpitz. In den 1880ern wohnte sie für ein Jahr in der französischen Schweiz, arbeitete danach in Berlin als Sprachlehrerin. Marie Goslich schrieb anschließend für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, auch für die Preußischen Jahrbücher. 1910 verheiratet und wohnhaft in Potsdam, wurde sie 1915 wieder geschieden und zog nach Geltow. Politisch war Goslich Anhängerin der Bodenreformbewegung, die sich gegen Grundstücksspekulationen und die Anhäufung von Grundeigentum aussprach – sie sah die Konsequenzen unmittelbar in Berlin. Künstlerisch wird sie in der Tradition von Heimatmalern wie Karl Hagemeister gesehen, sie griff sogar selbst manchmal zu Pinsel und Palette.

Den Reiz der Ausstellung an fünf Orten: Man kann sich selbst ein Bild von den Landschaften auf Goslichs Fotos machen – und damals mit heute vergleichen.

Weitere Infos unter

www.marie-goslich.de

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