Potsdam-Mittelmark: „Kleiner Aufschwung“ zum Luft holen
Hiesiger Mittelstand vermisst den großen Boom / Unternehmer bemängeln Zahlungsmoral
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Werder · Glindow - Für Werder baut Peter Matzdorf gern: Die Stadt bemühe sich, ihre Aufträge an hiesige Firmen zu vergeben, die Arbeitswege sind nicht weit und bei Problemen kann man sich unkompliziert miteinander verständigen. Vor allem aber werde immer pünktlich gezahlt. Dass dies längst nicht bei allen Auftraggebern der Fall ist, erfährt der Geschäftsführer der Tiefbau- und Erschließungs GmbH (TEG) mit Sitz in Glindow leider immer wieder. Der Straßenbaubetrieb arbeitet vorwiegend in der Region, viele Aufträge kommen aus Potsdam. Zur Spezialität der TEG gehören Stein- und Pflasterstraßen.
Schlechte Zahlungsmoral vor allem bei größeren Privatkunden, Angst vor oder Unkenntnis von vereinfachten Vergabeverfahren in den Verwaltungen und schließlich gestiegene Betriebs- und Materialkosten: Das sind die Probleme, mit denen der hiesige Mittelstand zurzeit zu kämpfen hat. 3873 Betriebe sind allein zwischen Werder und Teltow in der Handwerkskammer Potsdam (HWK) organisiert, elf Prozent davon in Werder. HWK-Präsident Bernd Ebert besuchte gestern unter anderem zwei Glindower Betriebe, um hier einen unmittelbaren Eindruck von Auftragslage, der Situation auf dem Ausbildungsmarkt und der allgemeinen Stimmung zu bekommen.
Vom großen Aufschwung, der Ende vergangenen Jahres von der Bundesregierung proklamiert wurde, komme unten nicht viel an. „Das war allenfalls eine Phase, in der wir kurz durchatmen konnten – aber die scheint auch wieder vorbei zu sein“, so Matzdorf. Da durch den Klimawandel in der Baubranche auch im Winter durchgearbeitet werden kann, würde jetzt schon für 30 Prozent der Mitarbeiter die Arbeit fehlen. Traditionell werden Bauprojekte immer erst ab Frühjahr angesetzt, also gehen die öffentlichen Aufträge im Moment gegen Null - und die machen immerhin 40 Prozent der TEG-Projekte insgesamt aus. Ein Zuschlag kommt mittlerweile erst auf die zwanzigste Bewerbung. Auf der anderen Seite klettern Diesel- und Materialkosten, „und den Mitarbeitern müssen wir einfach mehr zahlen“, betont er die moralische Verpflichtung.
Seit 1997 gibt es die TEG in der Klaistower Straße, die Wurzeln der Firma – und auch einiger Mitarbeiter – reichen aber noch bis in die DDR-Zeit zurück, als die Meliorationsgenossenschaft hier für die Infrastruktur zuständig war. 56 Mitarbeiter beschäftigt der Glindower Betrieb heute kontinuierlich, dazu gehören seit zwei Jahren auch fünf Lehrlinge, die übernommen werden sollen. Aus den Bewerbern gute Kandidaten auszuwählen, falle mittlerweile immer schwerer. „Im letzten Jahr haben wir 85 Prozent wieder nach Hause geschickt“, erinnert sich Matzdorf an die schlechten schulischen Leistungen.
Die muss auch der Glindower Unternehmer Christian Schmidt den meisten seiner Bewerber bescheinigen. Er führt zwei Unternehmen: Einen Kaminbau- und Fliesenlegerbetrieb sowie eine Elektroinstallationsfirma. Und gerade hier wird mittlerweile mit sehr fortschrittlicher Technik gearbeitet. Zehn Prozent der Kunden lassen sich so genannte EIB-Systeme in ihre Häuser installieren. Das Kürzel steht für „Europäischer Installations-Bus“ und meint ein geschlossenes Haustechniksystem, in der alles drin ist: von der Alarmanlage über den Brandmelder bis hin zum Lichtschalter. Bedient wird alles von einem Terminal aus. „Eine Zwei in Mathe müsste man also schon haben“, sagt er. Stattdessen werden Vierer-Zeugnisse eingereicht. Schuld sei aber nicht die Schule, sondern die Eltern, die ihre Kinder mehr motivieren müssten, sagen beide Unternehmer übereinstimmend.
1991 hatte Schmidt seinen Elektro-Installationsbetrieb gegründet, zwei Jahre später den Kaminbaubetrieb von seinem Vater übernommen. Allein, dass es beide Unternehmen heute noch gibt, zeugt von Durchhaltevermögen. „Und wir schreiben wieder schwarze Zahlen“, so der Chef mit zurückhaltendem Stolz. Insgesamt beschäftigt er zirka 30 Mitarbeiter, bildet auch aus. Doch die schlechte Zahlungsmoral mache ihm besonders stark zu schaffen: Bei Aufträgen von mehr als 10 000 Euro müsse grundsätzlich gemahnt werden – und manchmal müsse man sich den Lohn vor Gericht erstreiten. „Die Leute zahlen nicht, weil sie ja nicht müssen – so ist die Rechtslage“, meint Schmidt kopfschüttelnd. In dem Fall warte er dann bis zu zwei Jahre auf das Geld – wenn es denn überhaupt noch gezahlt wird.
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