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Potsdam-Mittelmark: Klinik mit Fitnessfaktor

Der neue Standort für die Heilstättener Parkinsonklinik kostete zehn Millionen Euro. Zum Weltparkinsontag wird er eröffnet. Betroffene werben um mehr Verständnis für die Krankheit

Von Enrico Bellin

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Beelitz - Peter Huschke hasst es, an der Supermarktkasse zur Eile aufgefordert zu werden. Wenn jemand Hektik verbreitet, während er im Portemonnaie nach Kleingeld sucht, sagt er schlicht: „Tut mir leid, ich habe Parkinson. Und weil Sie mich jetzt in Aufregung versetzt haben, dauert es noch länger.“ Huschke ist Landesgruppenbeauftragter der Deutschen Parkinsonvereinigung. Vor acht Jahren wurde die Krankheit bei dem 58-Jährigen Wiesenburger diagnostiziert. Seither musste er schon zweimal für jeweils zwei Wochen ins Facharztzentrum nach Beelitz-Heilstätten, um seine Medikamentendosis der fortschreitenden Krankheit anzupassen.

Da mit steigender Lebenserwartung der Bevölkerung auch die Erkrankung häufiger vorkommt, ist die Beelitzer Parkinsonklinik zum Jahresanfang vom Hauptgebäude der Heilstätten in das frisch sanierte Gebäude des Architekten Egon Eiermann gezogen, einen denkmalgeschützten Flachbau, der 1944 eröffnet und 2013 saniert wurde. Offiziell eröffnet wird das Gebäude erst am Freitag – dem Weltparkinsontag. Die Recura Klinken GmbH investierte etwa neun Millionen Euro in den Umbau des Gebäudes und die neue Gestaltung der Außenanlage. Die Kliniken Beelitz GmbH als Tochter der Recura hat in die neue Ausstattung noch einmal fast zwei Millionen Euro gesteckt.

„Statt bisher 51 Betten im Hauptgebäude der Kliniken können im sanierten Haus 63 Patienten aufgenommen werden“, sagt Georg Abel, Geschäftsführer der Kliniken Beelitz GmbH. Die frei gewordenen Räume werden zur Erweiterung des Brandenburgischen Querschnittzentrums sowie der neurologischen Frührehabilitation genutzt.

Die Kapazitätssteigerung der Parkinsonklinik um 12 Betten klinge zwar nach keiner großen Steigerung. In der umgebauten Klinik – eine von bundesweit gerade einmal zwölf Fachkliniken für Parkinson – seien aber viele Verbesserungen wie großzügigere Therapieräume und ein neuer Fitnessraum umgesetzt worden. Außerdem werde sich am Standort nicht nur um die Patienten, sondern auch um deren Angehörige gekümmert.

Das macht auch Peter Huschke mit seinen 20 Parkinson-Selbsthilfegruppen in Brandenburg, die zusammen 420 Mitglieder haben. Gemeinsam wollen sie auch die Bevölkerung über die Krankheit aufklären. „Das Zittern, ein typisches Zeichen von Parkinson, wird leider oft auf Alkoholmissbrauch zurückgeführt“, so Huschke. Außerdem bekommen viele Erkrankte ein verkrampftes Gesichtsbild, weshalb sie so aussehen, als ob sie immer schlechte Laune haben. „Manche Patienten ziehen sich deshalb immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurück und werden so tatsächlich verbittert“, sagt Huschke.

Zudem wird durch Veränderungen im Gehirn bei vielen Parkinsonpatienten weniger Dopamin ausgeschüttet, ein Botenstoff, der im Volksmund als Glückshormon bezeichnet wird. Deshalb werden in den Beelitzer Heilstätten nicht nur Bewegungsabläufe trainiert, auch seelische Konsequenzen der Krankheit werden therapiert. „Unser Schwerpunkt liegt aber auf der Einstellung von Hirnschrittmachern, der Anpassung der Medikamentendosis und dem Bewegungstraining“, sagt Georg Ebersbach, Chefarzt der Parkinsonklinik. Hirnschrittmacher gleichen durch Stromstöße Schwankungen der Medikamente im Kopf von Erkrankten aus.

Ebersbach und seine zehn Kollegen in den Heilstätten haben federführend für ganz Europa die in den USA entwickelte BIG-Therapie erforscht, bei der Erkrankte unter Anleitung lernen, wieder große Schritte und Gesten zu machen. Die Forschungsgelder für das Projekt stammten von der Deutschen Parkinsonvereinigung.

Neben der Therapie hilft auch moderne Unterhaltungselektronik beim Bewegungstraining. So steht im Wartebereich vor dem Fitnessraum eine Wii-Spielekonsole, die man durch Bewegungen steuert und bei der man unter anderem virtuell Tennis spielen kann. Auch durch Spiele auf dem Smartphone könnten Patienten mit wenig Aufwand zu Hause trainieren, so der Chefarzt. Besonders jüngere Patienten nutzten diese Möglichkeit.

Etwa zehn Prozent der Betroffenen erkranken rund um das 40. Lebensjahr. „Junge Menschen haben jedoch trotzdem eine gute Lebensqualität“, sagt Ebersbach. Eine Therapie sei zeitlich unbegrenzt möglich. Probleme mit dem Parkinson gebe es meist erst im Zusammenhang mit anderen Alterserscheinungen.

Auch Peter Huschke bekam die Diagnose mit 49 Jahren, als er als Elektroinstallationsmeister mitten im Berufsleben stand. Durch die nachlassende Feinmotorik musste er den Beruf wechseln und wurde zum Haustechniker – einer Art Hausmeister, der sich auch um Elektrik kümmert. Fünf Jahre lang konnte er diesen Beruf noch ausüben, dann wurde er durch Parkinson zum Frührentner.

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