Potsdam-Mittelmark: Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt!
Mit viel Liebe und Sorgfalt: Ausstellung zu Einstein in Caputh
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Mit viel Liebe und Sorgfalt: Ausstellung zu Einstein in Caputh Von Gerold Paul Schwielowsee-Caputh. Im Berlin des Jahres 1913 fühlte sich Albert Einstein noch wie eine „lebende Mumie“, in Caputh zwischen 1929 und 1932 offenbar nicht. Hier schuf er neben dem berühmten „Glaubensbekenntnis“ acht weitere Arbeiten und Schriften. Sonst frönte er mit dem Segeln jenes Sportes, welcher „die geringste Energie beansprucht“, und jauchzte seinen Gästen fröhlich zu: „Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt!“ Sie kannte ihn längst als Erfinder der Relativität aller Dinge. Die Dörfler am Ufer der Havel kannten ihn auch. Mit anderen Idyllen irgendwo wollte der Vielgerühmte jetzt nimmermehr tauschen. Der Initiativkreis Albert Einstein-Haus um Peter Ackermann hätte es also gar nicht besser treffen können: Zum 75. Jubiläum des von Konrad Wachsmann 1929 errichteten Gebäudes, der mit dem 125. Geburtstag des jüdischen Physikers am vorigen Sonntag zusammenfiel, wurde im Seitenflügel des Caputher Schlosses eine sehenswerte Ausstellung über seine Berliner und Caputher Zeit eröffnet. Die Klärung der Eigentumsfragen am Hause von Einstein (1879-1955) war vielleicht ein befreiender Impuls, sich nun dem Manne selbst zu widmen, der Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit Max Planck die Euklidische Geometrie verließ, um sich „den Raum“ fortan gekrümmt zu denken, ganz relativ betrachtet Man sieht es der Ausstellung an, mit wieviel Liebe und Sorgfalt sie gestaltet wurde. Gut'' Initiativgeist und Forscherglück kamen wohl zusammen, das nicht gerade billige Prunkstück dieser Sammlung, ein 1930 aufgenommenes Photo mit handschriftlicher Widmung des Ehepaares Einstein, zu erwerben, den zweiten Abguss einer Bronze-Büste aufzuspüren, von dessen Existenz man nichts wusste, und gar daran zu denken, dass Manfred Bofinger in Ostzeiten ein entsprechendes Kinderbuch so hübsch illustrierte – Einstein allerorten. Man kann sich fast behaglich orientieren. Übersichtliche Schaubilder an den Wänden und Stehtafeln informieren über die Lebensstationen des putzmunteren Pfeifenrauchers, Grundrisse und Modelle des Hauses und seiner „Verwandten“ in Niesky weisen auf das Wirken des avantgardistischen Architekten Konrad Wachsmann (1901 bis 1980), dessen Lebenerinnerungen unter dem Titel „Wachsmann-Report“ 1986 in der DDR für einiges Aufsehen sorgten. Er hat am 16. Mai Geburtstag. Bevor er ans Werk ging, wollte die Gemeinde dem weltbekannten Physiker ein Häuschen verehren, aber daraus wurde nichts. Einstein verzichtete großzügig. Das Idyll selbst währte nur bis 1932. Aus Furcht vor den Nazis kehrte das Ehepaar von einer US-Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurück. 1936 wird die Sommerfrische Eigentum der Gemeinde, später lernt es vielerlei Mieter kennen. 1977 übernimmt es die ostdeutsche Akademie der Wissenschaften, 2003 die Hebräische Universität Jerusalem, letztgültig. Man will hoffen, dass diese informelle Präsentation mit all ihren Dokumenten und Devotionalien nach seiner Fertigstellung (geplant ist eine Restaurierung bis zum Frühjahr 2005) ein festes Zuhause in ihm bekommt. Dann wird, zur passenden Jahreszeit, auch ein Strauß Frühjahrsblüher des Namens „Narcissus Professor Einstein“ zur Hand sein, wie man ihn jetzt schon mit Staunen entdeckt, gleich neben der Stelle, wo man sein „Glaubensbekenntnis“ eigener Stimme abhören kann. Auch dem Aquarell des Potsdamer Künstlers Christian Heinze möge ein Domizil gegeben werden, hat er seine Vedute doch exklusiv für diese Exposition geschaffen. Mit ihr scheint der Durchbruch geglückt, für Initiativkreis und Ort nicht minder wie für alle Fans der Welt, die ohne Zahl sind. Caputh ist jetzt eine „offizielle“ Einstein-Adresse. Freilich sollte man nicht vergessen, dass hier auch ein „Vater der Atombombe“ geehrt wird, und – pfeif auf die Welt! – alles relativ ist, auch die schöne Theorie. Die Ausstellung ist Sonnabend und sonntags sowie an den Feiertagen bis zum 16. Mai von 10 bis 16 Uhr geöffnet, Eintritt frei.
Gerold Paul
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