Potsdam-Mittelmark: Kontrollierte Vernunft auf der Autobahn
Mehr Unfälle, mehr Tote – Polizei will verstärkt gegen Verkehrsverstöße von Lkw-Fahrern vorgehen
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Potsdam-Mittelmark – Die Polizeistatistik ist alarmierend. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Verkehrsunfälle auf mittelmärkischen Autobahnen rasant. Allein im ersten Quartal 2008 um 30 Prozent. Als Verursacher gelten insbesondere Lkws. Sie fahren zu schnell und zu dicht auf. In den kommenden Monaten wollen die Beamten des Schutzbereiches Brandenburg deshalb massiv gegen Verkehrsverstöße von Lastkraftfahrern auf Autobahnen vorgehen. „Mit Abstand – Sicher!“, lautet das neue Kontrollkonzept, dass jetzt gestartet wurde.
Mit einem großen Polizeiaufgebot an den Autobahnen und massiven Kontrollen, wie Geschwindigkeitsmessungen, technischen Überprüfungen, Überwachungen der Ruhezeiten, Abstandsmessungen vom Boden und aus der Luft sowie dem Einsatz von Videowagen, sollen Lkw-Fahrer auf die Einhaltung der Verkehrsregeln getrimmt werden. Täglich, massiv und überall müssen sich die Brummi-Lenker darauf einstellen, warnt Polizeidirektor Sven Bogacz vom Schutzbereich Brandenburg. Rund 60 Beamte waren jetzt am ersten Kontrolltag im Einsatz. Zwei davon aus Polen, sie sollen ihre deutschen Kollegen unterstützen.
Allein vom Jahr 2005 bis 2007 stieg die Zahl der Verkehrstoten bei Unfällen mit Lkws von 7 auf 12 an. 1313 Unfälle mit Lastern zählte die Polizei im vergangenen Jahr. Das sind 586 mehr, als noch 2005, erklärt Bogacz. Mit lauter Stimme versucht er gegen den Lärm der A 2 anzureden. Ein Großteil der Verkehrsopfer gab es allein auf dieser Strecke. Fast im Minutentakt winken seine Beamten im Hintergrund große Sattelschlepper von der Autobahn auf den Rastplatz. Nur wenige Meter vor der Kontrollstelle steht der neueste Blitzer der Polizei. Dem modernen Gerät entkommen selbst Raser von der dritten Spur nicht mehr. „Wir wollen mit dem Blitzer an dieser Stelle nicht zusätzlich kassieren, sondern unsere Kollegen schützen“, erklärt Bogacz. Denn die müssen sich, nur mit einer Kelle in der Hand, den riesigen Schleppern auf der Autobahn entgegenstellen, um sie zur Kontrolle zu leiten. So wie hier, sollen nun sämtliche der Polizei zur Verfügung stehenden Spezialtechniken auch an der A 9, der A 10 und der A 115 eingesetzt werden. Dazu gehören selbst Abstandsmessungen aus der Luft, per Tragschrauber. „Wir wollen den Druck gezielt erhöhen“, sagt Bogacz.
Als einen von vielen erwischt es an diesem Tag einen Lasterfahrer aus Schleswig-Holstein. Er ist auf dem Weg nach Berlin, als ihn die Beamten auf den Rastplatz leiten. Mit einem prüfenden Blick nimmt Hauptkommissar Dieter Ilsitz Fahrerkarte und Papiere des Brummi-Lenkers entgegen und verschwindet im Einsatzfahrzeug. Hier kann er am Computer die digital gemessenen Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers prüfen. Neun Stunden am Tag darf der seinen Laster bewegen. Zweimal in der Woche auch zehn, aber spätestens nach viereinhalb Stunden ist eine Pause für jeden Fahrer Pflicht.
Und tatsächlich. Trotz eines aufgeräumten Laderaums und dem technisch einwandfreien Sattelschlepper blinkt es auf Ilsitzs Laptop rot auf. Dreimal hat der Fahrer in den vergangenen 28 Tagen gegen die Ruhezeiten verstoßen. Wenn auch nur gering, aber das Gerät misst jede Minute. Die erste angefangene Stunde kostet ihn 30 Euro.
Einige Kilometer weiter hocken Beamte in zivil auf einer Brücke am Dreieck Werder. Mit einer Videokamera, einem Fotoapparat und einem Fernglas beobachten sie die unter ihnen rollenden Brummis. Fährt einer zu dicht auf, wird fotografiert. Das Video ist nur fürs Gericht. Mit einem Funkspruch alarmieren sie ihre Kollegen, falls ein ausländischer Brummi gegen den Mindestabstand verstoßen hat. Denn der muss sofort abkassiert werden, ein deutscher Fuhrunternehmer erhält einfach Post. 50 Meter muss der Abstand zwischen zwei Lastkraftwagen betragen, wenn sie außerorts schneller als 50 km/h fahren. Doch trotz der drohenden Strafe von 50 Euro drängeln sich einige Brummis im Windschatten ihres Vordermanns.
„Die Unfälle rechtfertigen unsere Kontrollen“, erklärt Bogacz. Bald will er auch Verkehrsrichter an die Autobahn holen, um ihnen einen Eindruck vor Ort zu vermitteln. „Vielleicht macht das die Beweisführung einfacher“, hofft Bogacz. Denn statt mit Unfallvorsorge und Kontrollen, sind viele seiner Beamten auch mit Rechtsstreitigkeit beschäftigt.
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