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Potsdam-Mittelmark: Kontroverse um Stasi-Hauptmann

Sieghard Rabinowitsch (Linke) will im Kreistag bleiben. Doch jetzt werden neue Details über seine frühere Tätigkeit bekannt

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Potsdam-Mittelmark - Der Kreistag Potsdam-Mittelmark steht exemplarisch vor einem Problem, das in Brandenburg die Kommunalpolitik plagt. Wie geht man mit neu gewonnenen Erkenntnissen über das DDR-Vorleben von Politikern um? Die Debatte konzentriert sich auf den früheren Hauptmann des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Sieghard Rabinowitsch, der der Fraktion der Linken angehört. Ihn hat der Kreistag auf seiner Sitzung am 23. Juni aufgefordert, wegen seiner früheren Tätigkeit das Mandat niederzulegen, was Rabinowitsch ablehnt. Dabei wird er vom Fraktions- und Kreisvorstand seiner Partei unterstützt.

Von Rabinowitsch sind indes erst in den vergangenen Wochen Details zu seiner Tätigkeit beim MfS bekannt geworden. Er begann dort 1982 seine Offizierslaufbahn und arbeitete eigenen Angaben nach sofort auf der sogenannten Linie XX, die sich mit der Bekämpfung der inneren Opposition in der DDR beschäftigte und unter anderem auch die Überwachung der Aktivitäten der Kirche als Aufgabe hatte. Auf dieser von der MfS-Zentrale in Berlin über die Bezirksverwaltung in Potsdam organisierten Linie war Rabinowitsch als Offizier der Kreisdienststelle Belzig mitverantwortlich für die seit dem Ende der DDR gut dokumentierten Verletzungen von Menschenrechten. Bisher war nur wenig Konkretes über seine Arbeit bekannt. Dazu hat er nach eigenen Angaben öffentlich nicht Stellung bezogen, und auch in der Partei sei darüber nach Auskunft des Fraktionsvorsitzenden der Linken im Kreistag, Thomas Singer, nicht gesprochen worden.

Im Falle eines Pfarrers im Ruhestand aus dem Kirchenkreis Belzig belegen Aktenauszüge allerdings, dass der heutige Linkspolitiker Maßnahmen organisierte, die eine Inhaftierung des Kirchenmannes wegen „Herabwürdigung der staatlichen Ordnung“ zum Ziel hatten. Grund dafür waren kritische Meinungsäußerungen des Pfarrers zur Politik der SED. Rabinowitsch ließ sich dafür von der Generalität die Einleitung eines sogenannten operativen Vorgangs (OV) genehmigen, der unter anderem den Einsatz von Spitzeln und eine Postkontrolle vorsah. Rabinowitisch selbst sagt heute, er erinnere sich nicht an diesen OV „Dreieck“ und auch nicht an die vorangegangene, über mehrere Jahre erfolgte Bespitzelung des Pfarrers, die auf einer Denunziation durch SED-Mitglieder basierte und die er organisiert hatte. Er habe für seine Zeit beim MfS nur im Gedächtnis, dass er vier andere operative Vorgänge durchgeführt hat. Er habe zu all diesen Aktivitäten nach 1989 nie Details erzählt, „weil nie danach gefragt wurde“. Über die Tatsache hinaus, dass er einst MfS-Offizier gewesen war, „hat das nie jemanden interessiert.“

Der Kreistagsabgeordnete der Grünen, Martin Köhler, der im gleichen Wahlbezirk wie Rabinowitsch kandidierte, sagt dazu, dass ihm während des Wahlkampfes überhaupt nichts zu der Stasi-Vergangenheit seines Konkurrenten von der Linken bekannt war und er erst durch die Kommission des Kreistages zur Stasi-Überprüfung informiert wurde. Aber auch in den letzten Sitzungen des Kreistags waren Details zu der Arbeit von Rabinowitsch nicht bekannt geworden.

In einer Stellungnahme der Kreistagsfraktion der Linken heißt es, es habe gegen den einstigen MfS-Offizier zu keinem Zeitpunkt „einen Vorwurf“ gegeben. Es wird auch darauf verwiesen, dass Rabinowitsch 1998 nach einem Überprüfungsverfahren des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG) seine Zulassung als Anwalt erreichte. Tatsächlich entschied damals der Präsident des OLG über die Anträge zur Zulassung. Inwieweit die frühere Tätigkeit Rabinowitschs dabei bekannt war und bewertet wurde, kann die Rechtsanwaltskammer aber aus Datenschutzgründen nicht sagen.

Mit den jetzt allmählich bekannt gewordenen neuen Informationen über die frühere Tätigkeit des heutigen Politikers der Linken dürften die Auseinandersetzungen im Kreistag von Potsdam-Mittelmark an Schärfe zunehmen. Bei der Abstimmung zum Mandatsverzicht hatten 25 von 43 Abgeordneten Rabinowitsch den Rücktritt empfohlen, neun Abgeordnete votierten dagegen und ebenfalls neun enthielten sich. „Wenn die das alles gewusst hätten, wäre die Zahl derer, die Rabinowitsch zum Verlassen des Gremiums aufgefordert hätten, noch wesentlich größer gewesen“, meint der Grünen-Abgeordnete Köhler.

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