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Auf Wiedersehen. Fischer Schenk muß noch einige Jahre warten, bis er den Besatz aus dem vorigen Jahr fangen kann.

© FSG Havel eG

Potsdam-Mittelmark: Kostbar wie Kaviar

Die Fischer fangen immer weniger Aale und Wissenschaftler warnen vor dem Ausbluten des begehrten Fisches in der Havel

Von Eva Schmid

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Potsdam–Mittelmark - Die Sache mit dem Aal sei die gleiche wie mit dem Kaviar, sagt Fischer Karl-Heinz Schenk. „Der ist auch knapp und teuer.“ Der Havelfischer aus Pritzerbe ist auf Aalfang spezialisiert. Doch wie schon in den letzten Jahren wird sich auch mit dem bevorstehenden Saisonstart die Situation nicht bessern. Der Nachwuchs hat seinen Preis.

Die kleinen zappelnden Fische, die als Larven in der Sargassosee geschlüpft sind und eine lange Reise über den Atlantik angetreten haben, werden von Fischern an den Küsten Europas abgefangen. Ein Teil von ihnen wird dann in die Havel gesetzt: „Ein Kilo Glasaale kostet über 1000 Euro“, sagt Schenk. Die Kosten für den Aalbesatz trägt der Fischer nicht allein, die Euroäpische Union und das Land Brandenburg fördern das Projekt. Dennoch muss Schenk tief in die Tasche greifen. Ihm bleibt keine andere Möglichkeit, denn ohne die teure Brut würde er bald keine Aale mehr fangen.

„Ohne den zusätzlichen Besatz würde der Aal aus der Havel weitgehend verschwinden“, sagt der Wissenschaftler Erik Fladung vom Institut für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow. Die sich seit Langem abzeichnende Entwicklung ist jetzt durch ein vierjähriges Forschungsprojekt von ihm und seinen Kollegen bestätigt worden. Darin haben die Wissenschaftler zum ersten Mal auch die Sterblichkeitsfaktoren für die Aale in der Havel untersucht.

„Vor der Wende habe ich noch zwei Tonnen Aal pro Jahr rausgeholt, heute sind es 200 Kilo“, erzählt Fischer Schenk. Ohne Besatz würde alles noch viel schlimmer aussehen. Um die Aal-Flaute einigermaßen auszugleichen, ist er gezwungen, sich auf andere Fische zu konzentrieren: „Jetzt fange ich eben Wels, doch für den bekommt man viel weniger Geld.“ Der Werderaner Berufsfischer Tobias Mai beschreibt die Situation sogar als katastrophal. In seinen Netzen würden nur noch zehn Prozent der Menge an Aalen landen, die er in guten Zeiten zum Anfang der 90er -Jahre gefangen habe.

Laut der Studie werden etwa 4,5 Millionen Jungaale jährlich zusätzlich in die Havel gebracht. Die gesamte Havel-Population wird aktuell auf etwa 17 Millionen Fische geschätzt. Nur 30 000 gelangen jährlich noch auf natürliche Weise als Jungaale in die Havel. „Das ist fast nichts“, so Wissenschaftler Fladung. Das seien fünf Prozent der Menge, die noch vor 1980 allein die Havel erreicht haben. Trotz des Besatzes werde der Havel-Aal in etwa zehn bis fünzehn Jahren ausbluten, so Fladungs Prognose. „Er stirbt zwar nicht ganz aus, wird aber noch seltener.“ Staudämme, Wasserkraftwerke, Wehre und Schwellen würden die natürliche Wanderung der Tiere in den Binnengewässern behindern.

„Die Elbe ist total verbaut – da kommt doch kein Aal mehr bis zu uns“, schimpft auch Fischer Mai. Schuld sei aber auch der Kormoran. „Der frisst 600 Gramm Fisch pro Tag. Und Aal schmeckt dem besonders gut“, so Mai. Auch Havelfischer Schenk sieht den Ruderfüßer als Feind der Aal-Fischer.

Die Forscher des Fischerei-Institutes kommen in ihrer Studie zu einem anderen Ergebnis: „Der Kormoran trägt nur zu vier Prozent zum Rückgang des Aals in der Havel bei“, so Erik Fladung. 73 Prozent der Fische würden aus natürlichen Gründen sterben, zum Beispiel an Krankheiten oder als Beute anderer Raubfische. „Durch die Fischer und Angler sterben sieben Prozent der Population, in Wasserwerken verenden zwei Prozent der Fische“, zitiert Fladung aus der Studie. „Die verbleibenden 14 Prozent wandern als Blankaale wieder aus der Havel zum Laichen ab.“ Neben diesen Binnenfaktoren gebe es sogenannte ozeanischen Faktoren, die ebenfalls den Rückgang der Aale seit den 90er-Jahren begünstigen, erklärt Fladung. Dazu zählten Klimaveränderungen und eine schlechtere Nahrungsgrundlage in der Sargassosee.

Ronald Menzel von der Fischereigenossenschaft „Havel“ in Brandenburg an der Havel hat indes die Hoffnung auf einen besseren Aalfang noch nicht aufgegeben: „Die Besatzmaßnahmen machen sich schon bemerkbar“, sagt er. Und die Gewässer seien barrierefreier für Aale geworden. „Havel und Elbe sind jetzt Topareale.“ Vor Kurzem habe er auch gute Nachrichten von den Fischern der europäischen Küsten erhalten. „In England und Frankreich sind dieses Jahr so viele Glasaale wie seit Jahren nicht mehr gefangen worden“, so Menzel. Jährlich kauft er sie dort ein, um sie gemeinsam mit Kollegen im Land Brandenburg auszusetzen.

Für Fischer Schenk ist der gute Fang an der Küste indes noch kein Grund zur Entwarnung: „Auch wenn dort wieder mehr Aale ankommen, würden wir erst in sieben oder acht Jahren davon profitieren.“ Dann erst sind die Fische groß genug und könnten gefangen werden.

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