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Königsgemüse und Naturschutz: Kratzer an der Spargelfolie
Die Grünen kritisieren, dass intensiver Spargelanbau geschützte Vögel vertreibt - weil die Felder jetzt mit Folie überdeckt sind. Beelitzer Spargelbauern halten das für Nonsens
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Beelitz - Kurz vor dem Abschluss der Spargelsaison kratzen die Grünen am Image der Brandenburger Spargelbauern. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Benjamin Raschke, warnt vor dem Schwund von Vogelarten durch den großflächigen Einsatz von Spargelfolien. „Der Folieneinsatz beschert den Bauern zwar eine größere Ernte, steht aber im Konflikt mit dem Artenschutz“, meint Raschke.
Neben dem Spargel würden kaum andere Pflanzen wachsen, es gebe dort kaum Insekten, die wiederum Nahrungsgrundlage für Vögel seien. „Aber auch Brutflächen gehen verloren. Dabei lässt sich äußerst schmackhafter Spargel auch sehr gut ohne Folie anbauen“, meint Raschke. Er spricht sich dafür aus, dass höchstens zehn Prozent einer Anbauregion unter Folien liegen dürfen.
Vom Land fordert Raschke, die Wirkungen der Spargelfolie auf Vogelschutzgebiete genauer zu untersuchen. Auf seine Frage, welche Untersuchungen zum Brutvogelbestand in Gebieten mit Spargelanbau in diesem Jahr in Brandenburg durchgeführt werden, antwortete Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD), dass nur im Vogelschutzgebiet „Mittlere Havel“ Vogelbestände erfasst würden. Dieselbe Antwort hatte Raschke im vergangenen Jahr bekommen. „Auch in anderen Regionen sind umfassende Kartierungen notwendig, um Rückschlüsse ziehen zu können“, findet er. So hatte im vergangenen Jahr schon der Landschaftsförderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung den Folieneinsatz im Beelitzer Raum kritisiert.
Bei den Beelitzer Spargelbauern ruft der Vorstoß Kopfschütteln hervor. „Es wird keinen Spargelanbau in diesem Maßstab ohne Folie geben“, warnt Ernst-August Winkelmann, Mitinhaber des größten Spargelhofs in der Region in Klaistow. Die Folien sind aus seiner Sicht nicht nur vorteilhaft für den Spargel.
„Sie verhindern die Bodenerosion und halten die Feuchtigkeit in den Dämmen, sodass wir weniger bewässern müssen.“ Beides sei auch für den Umweltschutz interessant, meint er. Zudem würden die Spargelbauern viel für den Naturschutz tun und nachhaltig wirtschaften. „Wir wollen ja nicht die Landschaft ausbluten und dann abhauen“, so Winkelmann.
Das betont auch der Vorsitzende des Beelitzer Spargelvereins, Manfred Schmidt. Allein in diesem Jahr seien unter der Federführung des Vereins im Raum Schlunkendorf drei Teiche angelegt und der Spargelwanderweg mit Obstgehölzen bepflanzt worden. Das Projekt sei vom Naturschutzfonds Brandenburg begleitet und unterstützt worden. Schmidt kann die Kritik ohnehin nicht nachvollziehen. „Von 8000 Hektar Landwirtschaftsfläche im Beelitzer Raum sind 1500 Hektar Spargel.“
Die Folien würden lediglich zwei Monate im Jahr liegen bleiben. „Auf den frühen Feldern ist jetzt schon wieder alles grün. Was die Grünen erzählen, ist Nonsens.“ Seit 150 Jahren werde in Beelitz Spargel angebaut, selbst ohne Folien würden zwischen den Dämmen wegen der Spargelstecher kaum Vögel nisten. Allerdings würden Rehe und Hasen an Feldrändern die Spargelspitzen anknabbern.
Die Grünen fordern derweil von der Landesregierung, die Daten erst mal ordentlich zu erfassen. „Die Datenlage zu Vogelvorkommen in Spargelanbaugebieten ist völlig unzureichend“, so Benjamin Raschke. Bisherige Untersuchungen deuteten jedoch darauf hin, dass der großflächige Einsatz von Folien zu Bestandsrückgängen und sogar zum Verschwinden von Vogelarten führt.
Raschke verweist auf das Monitoring im Vogelschutzgebiet „Mittlere Havelniederung“. Die Erfassung aller Brutvögel in den Gemarkungen Mötzow und Grabow zwischen 1999 vor dem Spargelanbau und 2012 mit großflächigem Spargelanbau unter Folie habe das Verschwinden von 15 Arten der Roten Liste Brandenburgs gezeigt. Bei neun bedrohten Arten reduzierten sich die Brutbestände auf 10 bis 20 Prozent. Eine letzte Brut von Großtrappen habe dort 2006 stattgefunden. Auch der örtliche Imkerverband führe den Verlusten von Bienenvölkern in der Region Mötzow auf den intensiven Spargelanbau zurück.
Die Landesregierung hat eine andere Auffassung: Die Verluste der Artenvielfalt in der Mittleren Havelniederung gingen auf generelle Veränderungen in der Feldflur, etwa Wegebau, Grabensysteme, Bewässerung, Stoffeinsatz, Umnutzung und Intensivierung von Flächen, zurück, wurde den Grünen zu dem Thema geantwortet. Allerdings wird eingeräumt, dass Spargelfolie negative Auswirkungen auf die Tierwelt habe, da die direkt „verpackten“ Flächen praktisch keine Lebensraumfunktion haben. Eine Ausnahme ist die Knoblauchkröte, ihr ist die Folie egal.
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