Potsdam-Mittelmark: Landwirte müssen zurück in die Mitte der Gesellschaft
Erstmals Bauerntag in neuen Ländern – in Seddiner See. Kleine Agrarbetriebe sehen sich benachteiligt. Lob von Bundes-Ministerin Kühnast
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Erstmals Bauerntag in neuen Ländern – in Seddiner See. Kleine Agrarbetriebe sehen sich benachteiligt. Lob von Bundes-Ministerin Kühnast Seddiner See. Eine starke Lobby für die Landwirtschaft: In den neuen Bundesländern fehlt vielen Kleinbauern eine Interessenvertretung, die auch auf Bundes- und Europaebene Einfluss hat. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) ist traditionelles Forum kleiner Betriebe in Westdeutschland. In Brandenburg ist man momentan mit dem Aufbau eines Landesverbandes beschäftigt, um auch die hiesigen Bauern mit ins Boot zu holen. Am Wochenende trafen sich Landwirte aus allen Ecken Deutschlands in der Seddiner Heimvolkshochschule zum jährlichen Bauerntag - zum ersten Mal fand diese Tagung in den neuen Bundesländern statt. Neben Bauern, Agrarwissenschaftlern und anderen Gästen war auch Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Kühnast der Einladung an den Seddiner See gefolgt. Ungefähr 40 Landwirte aus der Mark seien bereits im AbL organisiert, erläuterte Bundesgeschäftsführer Georg Janßen. Bundesweit zähle die Gemeinschaft 5000 Mitglieder. Kleine Betriebe würden von der Politik stark benachteiligt: Nur 20 Prozent aller landwirtschaftlichen Unternehmen - meist die größeren - bekämen 80 Prozent aller Direktförderungen. Der Widerstand gegen solche Ungerechtigkeiten gehöre ebenso zu den Grundsätzen des AbL wie die Entwicklung eigener politischer Positionen. „In Brandenburg ist offensichtlich nur das förderfähig, was groß dimensioniert wird", sagt auch die Prignitzer Landwirtin Cornelia Schmidt. Im Podium schilderte sie ihren Werdegang: Vor fünf Jahren habe sich die gelernte Erzieherin entschlossen, einen Hof zu eröffnen, mit eigener Produktion, Verarbeitung und Vermarktung. Aller Anfang war schwer, wurde sie doch gleich mit den Mechanismen der Bürokratie konfrontiert: „Während einer produziert, bräuchte ich zwei weitere Mitarbeiter für den Briefverkehr." Es folgte das Problem, die Nutzfläche zu vergrößern. Die Bodenverwertungs und -verwaltungs GmbH (BVVG) ist Treuhänder der meisten Flächen in ihrer Umgebung – wie in fast allen Regionen Ostdeutschlands. Im Auftrag des Bundes soll die BVVG ehemalige LPG-Ländereien privatisieren. „Zwischen 2000 und 2002 liefen die meisten Pachtverträge der hiesigen Agrargenossenschaft aus", Cornelia Schmidt hoffte auf die Möglichkeit, einige Hektar zu erhalten. Doch bereits Mitte der 1990er Jahre seien die Verträge verlängert worden – keine Chance also für eine Neuverteilung. Die Ausgangssituation der LPG-Nachfolger sei weitaus günstiger als die der Kleinbauern: „Wo die großen den Pachtpreis subventioniert bekommen, müssen die kleinen draufzahlen." Die Arbeitsweise der BVVG prangerte der Mecklenburgische Landwirt und Vorsitzender des dortigen, seit drei Jahren bestehenden AbL-Landesverbandes Jörg Gerke an. Nach der Wende wurden 25 Prozent der Flächen im Osten neu verteilt, doch 70 Prozent der Bauern seien von dieser Verteilung ausgeschlossen worden. Zu selten sei das Land tatsächlich an die Alteigentümer zurückgegeben worden, „damals als diese Menschen noch an ihrer alten Heimat hingen". Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Rückgabe solcher Ländereien begrüße Gerke: Auf diesem Wege käme es endlich zu einer Gleichverteilung. Konkurrenz bis nach Planetal Trotz aller Einschnitte und Umbrüche: „Die Landwirte im Osten haben sich etwas aufgebaut", bemerkte Bundesministerin Kühnast anerkennend. Sie erläuterte die jüngsten Entwicklungen in der Politik. So sollen mit der EU-Agrarreform nicht mehr nur die landwirtschaftliche Produktion gefördert werden, sondern auch die „Multifunktionalität" von Betrieben Unterstützung erfahren: Verarbeitung, Vermarktung und nicht zuletzt der Tourismus-Faktor. „Wir müssen die Landwirtschaft wieder dorthin führen, wo sie hingehört: In die Mitte der Gesellschaft." Noch wichtiger als Förderungen ist den Bauern jedoch die Möglichkeit, aus eigener Kraft zu existieren: „Wir wollen endlich reale Preise für unsere Produkte", forderte Reinhard Benke. Er hat einen 100-Hektar-Betrieb im mittelmärkischen Planetal und die ausländische Konkurrenz bekäme auch er zu spüren. „Weizen in Argentinien wird unter ganz anderen Qualitätsmaßstäben produziert als in Deutschland – aber unter gleichen Bedingungen hier verkauft." Preisausgleichszahlungen aus öffentlicher Hand würden zwar den Lebensunterhalt sichern, änderten aber am Grundproblem nichts. Aufklärung und Werbung für deutsche Produkte sei eine Kernaufgabe des AbL, so Cornelia Schmidt. Neben solchen traditionellen Themen wird sich die Arbeitsgemeinschaft in den neuen Bundesländern auch mit neuen Problemen auseinandersetzen müssen - das zeigte die Tagung. Thomas Lähns
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