Von Alexander Fröhlich: Lärmschutz mit Sonnenkraft
Einmaliges Modellprojekt an der A10 bei Michendorf / Jetzt sollen auch andere Standorte geprüft werden
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Michendorf - Dank Bürgerprotesten beschreitet Brandenburg jetzt ganz neue Wege für besseren Lärmschutz am Berliner Ring. Es ist ein in dieser Dimension einmaliges Modellprojekt: Auf der A 10 südwestlich von Berlin, die ab dem Jahr 2012 zwischen den Autobahndreiecken Nuthetal und Potsdam von sechs auf acht Spuren ausgebaut wird, sollen mit Solaranlagen bessere Schallschutzwände finanziert werden.
„Das ist eine wegweisende Idee“, sagte der brandenburgische Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) gestern den PNN. Das Projekt ist inzwischen Chefsache, die rot-rote Regierungskoalition strebt für Donnerstag einen Landtagsbeschluss an, das Vorhaben wird von allen Fraktionen unterstützt. Vogelsänger sagte, das Bundesverkehrsministerium habe auf Initiative Brandenburgs bereits die Freigabe für die Entwicklung der neuartigen Schutzwände erteilt.
Die Idee dafür kommt von der Bürgerinitiative „Lärmschutz Jetzt“ in Michendorf, wo die A 10 in unmittelbarer Ortsnähe verläuft. Auch Ferch ist vom Verkehrslärm betroffen. Die Autobahn ist die zentrale Ost-West-Trasse in Mitteleuropa und an dieser Stelle einer der meist befahrenen Abschnitte in Deutschland.
Einen ersten Erfolg hatte die Initiative im Frühjahr erreicht, als das Bundesverkehrsministerium zugesagt hatte, die Fahrbahn werde mit offenporigem Asphalt (Opa) gebaut. Mit diesem – auch Flüsterasphalt genannten Belag – werden die Fahrgeräusche der Autoräder verringert. Allerdings wollte der Bund daraufhin auch die Pläne für die Lärmschutzwände abspecken. Diese sollten nur noch vier bis sechs Meter hoch sein. „Wir wollen aber einen Lärmschutz anstreben, der über die rechtlichen Vorgaben hinausgeht“, sagte Infrastrukturminister Vogelsänger. Die Lösung lautet: Solaranlagen. Auf acht Meter hohe Wände kommen nach den bisherigen Plänen noch einmal zwei Meter hohe, leicht geneigte Photovoltaik-Module, die ebenfalls den Verkehrskrach abhalten.
Für tragbar hält dieses Konzept auch die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und bau GmbH (Deges), ein Unternehmen im Eigentum des Bundes und mehrerer Bundesländer. In einer Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums und des Infrastrukturministeriums in Potsdam kommen die Lärmschutz-Experten zu dem Schluss, dass das Vorhaben wirtschaftlich sei – und der Bund sogar 20 Prozent bei den Baukosten spart. Denn ein Privatinvestor würde die Lärmschutzanlagen über Einnahmen für den klimafreundlich produzierten Strom teilweise mitfinanzieren.
„In diesem Ausmaß ist diese Ideen noch nirgendwo realisiert worden“, sagte Andree Halpap, Sprecher der Initiative „Lärmschutz jetzt“. Es gebe bisher nur mehrere Testprojekte auf „kleinsten Streckenabschnitten“. Wenn der Plan in Michendorf aufgehe, wäre das ein deutliches Signal über die Grenzen Brandenburgs hinaus – „für einen besseren, selbst finanzieren Lärm- und Gesundheitsschutz in Ballungsräumen verbunden mit Klimaschutz, an Flächen, die sonst niemand braucht“.
Ähnlich äußerten sich Vertreter der brandenburgischen Regierungsfraktionen SPD und Linke. Auf ihren Antrag soll Verkehrsminister Vogelsänger weitere Standorte auch an Bahntrassen ausfindig machen. Ideen gab es bereits für den Berliner Ring im Norden, wo bei Birkenwerder die Fahrbahn einfach mit Solarmodulen gegen den Lärm überdacht werden könnte.
Jetzt hängt alles am Bund. Denn zahlreiche Rechtsfragen müssen noch geklärt werden, sicher ist noch nichts. Die Deges jedenfalls hält die Pläne für „weltweit einzigartig“, Brandenburg könnte eine „bundesweite Vorreiterrolle für einen höheren Lärmschutz“ an Bundesfernstraßen, „der größtenteils privat finanziert ist, übernehmen“. Die Deges schaut schon weiter – das Projekt könnte Anstoß sein für die wegen des Sparzwangs im Bund gestoppte Lärmsanierung zahlreicher Bundesfernstraßen.
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