Potsdam-Mittelmark: Lautlos in die Zukunft
Kleinmachnow war gestern Startpunkt der eTour / Auch lokale Akteure fuhren mit
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Kleinmachnow – Den ganzen Samstag hatte Wolfgang Köhn an seinem Auto geschraubt und um Mitternacht stand fest, dass es mit der Teilnahme an der ersten eTour-Brandenburg doch noch klappen würde. Da hatte der Teltower Ingenieur mit seinem Citystromer „E Golf 3“ gerade erstmals die Distanz 63 Kilometer zurückgelegt. Auf den letzten Metern bis zum Haus musste er zwar ein paar Neustarts einlegen, aber die 60-Kilometer-Marke war geschafft – dank neuer Nickel-Cadmium-Batterie, die Köhn sich aus Holland geholt hatte. Die alte Batterie schaffte nur noch eine Reichweite von rund 30 Kilometern.
Das Doppelte war nötig für die eTour, die am Sonntagmorgen vom Kleinmachnower Rathaus startete und über Feldheim bei Treuenbrietzen bis Saalow und zurück nach Kleinmachnow verlief. Die Distanz zwischen den Etappen betrug je 55 Kilometer und an jedem Etappenziel gab es einen Ladehalt für die rund 40 Fahrzeuge der Tourteilnehmer, darunter Elektro- und Hybridfahrzeuge. Am Kleinmachnower Rathaus gibt es seit zweieinhalb Jahren eine Stromtankstelle für Elektromobile.
Einen Baustein zur Energiewende nannte Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) am Sonntagmorgen die Veranstaltung, für die sie die Schirmherrschaft übernommen hatte. Zum Start kam auch Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD), der in seiner Begrüßungsrede die verschiedensten Klimainitiativen im Ort begrüßte. Eine Bemerkung Gruberts ließ aufhorchen: „Bei den Bürgern kommt die Energiewende nicht an!“ Die Kleinmachnower Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm (Grüne) wollte das nicht stehenlassen: „Richtig ist, dass die Verwaltung die Bürger ausbremst!“
Behm erinnerte an das Vorhaben einer Bürgersolaranlage auf dem Rathausdach, das 2005 von einer Initiative angeregt und trotz Versprechen des Bürgermeisters nie umgesetzt wurde. Ebenso seien viele Aktivitäten im Ort in Sachen Klimaschutz gerade dem Bürgerengagement in Lokalen Agendagruppen zu verdanken.
Julian Affeld, Organisator der eTour, mahnte in seiner Rede, dass Politik sich an der Praxis orientieren müsse. „Am Schreibtisch kann man nicht festlegen, wo Ladestationen gebraucht werden“, das wüssten am besten die Fahrer von Elektro- und Hybridfahrzeugen, so Affeld.
Die bewiesen am Sonntag eindrucksvoll, dass sanfter Tourismus und nachhaltige Mobilität auch ländlichen Räumen neue Entwicklungschancen eröffnen können, denn ein großer Teil der emmissionsfreien Flitzer tankt Sonnenstrom. Mancher auch aus eigener Produktion, wie bei Wolfgang Köhn. Sein Golf ist zwar mit Baujahr 1996 fast schon ein Oldtimer, aber so alltagstauglich, dass er über die Hubraum-Status-Mentalität vieler Neuwagenbesitzer, die noch Benzin tanken, nur lächeln kann. Von dem Elektrogolf baute VW seinerzeit eine Kleinserie von 30 Stück.
Auch Christian Bergner hat umgesattelt. Bergner fährt seit einigen Jahren einen CityEL der Smiles AG, einen Kabinenroller auf drei Rädern, der wie eine Mischung aus Space Shuttle und Sportwagen anmutet. Beim Einstieg in den Zweisitzer muss das Dach hochgeklappt werden.
Der CityEL, der zu den sparsamsten Wagen im Verbrauch zählt – auf 100 Kilometer etwa 4 Kilowattstunden – gehörte am Sonntagvormittag zum bunten Angebot der Fahrzeugschau am Rathaus. Daneben ein Citroën Saxo, Baujahr 1998, dessen Ladezeit statt der üblichen sechs Stunden durch Umbau auf eine Stunde Ladezeit reduziert werden konnte.
Als die grüne Flotte um 10 Uhr startete, hörte man bei den Elektroautos nur den Kies unter den Reifen knirschen. Die Zukunft, so der Eindruck der Zuschauer, kommt lautlos.
Kirsten Graulich
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