
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Lebenswege in Buchform
In der Teltower Mädchenzukunftswerkstatt bieten die Künstlerinnen Helma Hörath und Ingrid Benes ein Projekt für Geflüchtete und Deutsche an
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Teltow - Erinnerungen sollte man möglichst sofort festhalten, sonst fliegen sie davon, sagt die Kunsttherapeutin Helma Hörath. In der Mädchenzukunftswerkstatt in Teltow verarbeiten geflüchtete und deutsche junge Frauen in dem Projekt „Lebenswege“ ihre bisherigen Erfahrungen zu Erinnerungsbüchern. Helma Hörath und Ingrid Benes, die beide zum Künstlerinnenkollektiv Blutorangen gehören, betreuen das Projekt. Um ihre Erinnerungen darzustellen, können die Jugendlichen sich kreativ austoben: Fotos, Zeichnungen, Graffiti, Näharbeiten – alles ist erlaubt.
Seit Projektbeginn im März seien drei Afghaninnen regelmäßig dabei. „Und, was uns besonders freut, auch drei deutsche Mädchen kommen regelmäßig“, sagt Hörath. Die Jugendlichen tauschen sich bei den Treffen über die unterschiedlichen Wege aus, die sie in ihren bisherigen Leben gegangen sind, so die Künstlerin. Eine der geflüchteten jungen Frauen habe erzählt, wie sie mit ihrer Familie von Westafghanistan über den Irak und die Türkei zu Fuß gegangen sei. Eine andere trug eine permanente Handverletzung davon, als sie durch einen Stacheldrahtzaun klettern musste. Auch wenn die Lebenswege der deutschen Jugendlichen bisher weit ruhiger verlaufen seien, gingen sie sehr ungezwungen mit den geflüchteten Altersgenossinnen um, sagt Hörath. „Als Erstes haben sie gefragt, ob die afghanischen Mädchen ihre Kopftücher immer tragen und sich erklären lassen, wie man so ein Tuch bindet.“
Die Mädchenzukunftswerkstatt unter Trägerschaft des Humanistischen Verbands versteht sich als geschützter Raum für Mädchen zwischen neun und 19 Jahren. Am Mittwoch bekam die Einrichtung Besuch von Teltower Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) sowie der SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein und der SPD-Bundestagskandidatin Manja Schüle, die derzeit als Büroleiterin des Brandenburger Bildungsministers Günter Baaske arbeitet.
Die Werkstatt bietet Freizeitprojekte wie eine Graffitigruppe, Capoeira oder auch ehrenamtliche Nachhilfe an. Im vergangenen Juni zog sie von einem maroden Gebäude in der Oderstraße nach einigen Provisorien in eine alte Schlecker-Filiale in der Käthe-Niederkirchner-Straße. In dem Wohngebiet werde der Treff gut angenommen, so Leiterin Sonja Roque. Täglich kämen etwa 15 bis 20 Mädchen in die Einrichtung. Besonders gefragt ist die Mathematiknachhilfe, die die Zwölftklässlerinnen Lara Niedermeyer und Anna Scholz einmal wöchentlich anbieten. „Wir helfen Schülerinnen ab der 7. Klasse – da wird es wegen der negativen Zahlen für viele verwirrend“, erklärte die 17-jährige Lara Niedermeyer den anwesenden Politikern. Die beiden Ehrenamtlichen helfen bei den Hausaufgaben, bei der Vorbereitung auf Klausuren oder bei allgemeinen Verständnisproblemen, die im Unterricht zu kurz gekommen sind. Im kommenden Jahr wollen die beiden jungen Frauen ein weiteres Projekt in der Mädchenzukunftswerkstatt anbieten. Darin wollen sie Mädchen in ihrem Selbstbewusstsein und einer positiven Körperwahrnehmung stärken.
Helma Hörath und Ingrid Benes haben bereits im vergangenen Jahr ein Projekt für geflüchtete Mädchen angeboten: Sie nähten gemeinsam im Mehrgenerationenhaus Philantow einen Patchworkteppich. „Wir haben uns schon damals gewünscht, dass doch mal Frauen oder Familien aus dem Haus dazukommen und sich die Kulturen etwas mischen“, sagt Benes. Umso mehr haben sich die beiden Ehrenamtlichen gefreut, dass dieses Mal auch deutsche junge Frauen am Projekt teilnehmen. Sprachprobleme gebe es übrigens kaum: „Die Afghaninnen sprechen schon super Deutsch“, sagt sie. Die Erinnerungsbücher sollen in einer Ausstellung im Dezember im Rathaus Teltow zu sehen sein. Julia Frese
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