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Potsdam-Mittelmark: Mammut-Gemeinden in kreisfreiem Land ? Zukunftsdebatte in Nuthetal: Landes- und Kommunalpolitiker diskutierten Gemeindereform

Nuthetal – Die letzte Reform endete für Michendorf im Debakel: Mit Händen und Füßen hatten sich die damals noch selbstständigen sechs Gemeinden gegen ihre Zwangsfusion gewehrt. Für lange Zeit wurde um jeden Cent im kommunalen Haushalt gerungen; es dauerte Jahre, bis sie Frieden miteinander schlossen.

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Nuthetal – Die letzte Reform endete für Michendorf im Debakel: Mit Händen und Füßen hatten sich die damals noch selbstständigen sechs Gemeinden gegen ihre Zwangsfusion gewehrt. Für lange Zeit wurde um jeden Cent im kommunalen Haushalt gerungen; es dauerte Jahre, bis sie Frieden miteinander schlossen. „Mittlerweile entdeckt man eine gemeinsame Identität“, sagt Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) heute – fast zehn Jahre nach der Gemeindegebietsreform 2003.

Längst hat die Debatte um eine erneute Neugliederung von Kommunen und Kreisen in Brandenburg Fahrt aufgenommen. Der Nuthetaler Ortsverband der Bündnisgrünen hatte deshalb am Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema eingeladen. Mitglieder der zuständigen Enquete-Kommission des Landtages wie die Grüne Ursula Nonnemacher erläuterten ihre Ideen, Kommunalpolitiker aus dem Potsdamer Umland erklärten, was sie davon halten. Thema war auch die Einschätzung der Landes-SPD, dass in zwanzig Jahren nur noch Gemeinden mit mindestens 12 000 Einwohnern und Landkreise mit mindestens 200 000 Einwohnern überlebensfähig seien. Hintergrund sind der demografische Wandel und die rückläufigen Gemeindefinanzen: Nicht jede Kommune, so die Prognose, kann sich künftig noch eine eigene Verwaltung leisten.

„Diese Zahlen sind absurd“, sagte der Potsdamer Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg, der für die Linken in der Kommission sitzt. Vor allem in der Peripherie würden Fusionen zu Gemeinden dieser Größe nicht funktionieren. Die Mindestzahl von 5000, die seit 2003 in Brandenburg gilt, habe sich dagegen bewährt. Allerdings wolle er den Zwang, den das Land damals ausgeübt hatte, nicht wiederholt sehen. Für die Zukunft sollte die freiwillige Kooperation von Gemeinden gefördert werden – auch finanziell. „Ein späterer genereller Zusammenschluss ist dann ja nicht ausgeschlossen“, so der Linkspolitiker.

Kooperationen gibt es bereits, zum Beispiel zwischen Michendorf und Nuthetal. „Obwohl wir hier noch viele Kinder haben, werden wir auch langfristig unter 10 000 Einwohnern bleiben“, erläuterte Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) die Lage in ihrer Gemeinde. Damit müsse man umgehen, und so lote man jetzt schon Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene mit Michendorf aus. Die Diskussionen um ein eigenes Leitbild würden beide Gemeinden in diesem Jahr in die Wege leiten – parallel und im Dialog, kündigte Hustig an. Eine erneute Kommunalreform dürfe man „bloß nicht von oben überstülpen“, unterstrich auch ihr Amtskollege Mirbach.

Gegen die Zahlenspiele der SPD sprach sich Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) aus, der als Präsident des märkischen Städte- und Gemeindebundes im Podium saß. „Wir müssen doch erst einmal sehen, welche Aufgaben die Kommunen künftig erledigen sollen.“ Große verwies auf das Beispiel Dänemark, wo Gemeinden zwar mindestens 55 000 Einwohner hätten, es dafür aber auch keine Kreise gebe. Zudem mahnte er an, das demokratische Element bei der Reformdebatte nicht zu vergessen: „Die Menschen vor allem im ländlichen Raum identifizieren sich mit ihren Gemeinden – und sie wollen mitbestimmen.“

Die Zahlen seien doch nur als „Provokation“ gemeint gewesen, um die Debatte anzustoßen, erklärte indes Rudolf Zeeb (SPD), Staatssekretär im brandenburgischen Innenministerium. „Aber es ist auch klar, dass fünf-, sechs- oder siebentausend Einwohner nicht reichen werden.“ Zwang werde in den nächsten Jahren zwar nicht von der Landesregierung ausgehen, „aber am Ende ist er notwendig, um zu einer für alle verlässlichen Struktur zu kommen“, so der in der Gemeinde Nuthetal wohnende Zeeb weiter. Wichtig sei nur, dass der Bürger vor Ort einen Ansprechpartner habe, jemanden, der ihm helfen könne – ob es nun ein Mitarbeiter einer Verwaltung oder ein ehrenamtlicher Ortsbürgermeister sei.

Und die Landkreise ? RBB-Reporter Tim Jäger, der die Veranstaltung moderierte, hakte nach, ob man die nicht einfach abschaffen könnte? Ihm sei der Gedanke immer sympathisch gewesen – in Anbetracht der Kreisumlage, die auch seine Stadt Jahr für Jahr abführen müsse, erklärte Werner Große. Sein politischer Gegenpol Scharfenberg hielt dagegen, dass man die Landkreise auch langfristig brauchen werde, um kommunale Aufgaben zu bündeln. Die Landesregierung werde auf jeden Fall darüber nachdenken, was die Gemeinden in einem Brandenburg ohne Landkreise selbst machen könnten, erklärte Zeeb. „Aber auch in zehn Jahren wird es noch Landkreise geben“, unterstrich er. Ihre Abschaffung sei ohnehin verfassungsrechtlich nicht möglich, hatte der Geschäftsführer des Landkreistages, Paul-Peter Humpert, bereits Anfang März erklärt (PNN berichteten).

Die Pläne für eine Verwaltungsreform und die möglichen Konsequenzen für Nuthetal sind auch Thema eines Diskussionsabends mit Innenstaatssekretär Zeeb, zu dem die SPD Nuthetal am heutigen Donnerstag um 19.30 Uhr in Fiedlers Gasthaus „Rehbrücke“, Arthur-Scheunert-Allee 154, einlädt.

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