Potsdam-Mittelmark: Mehr Freiheit, mehr Verantwortung
Neuregelung des Schornsteinfegerwesens sorgt im Landkreis Potsdam-Mittelmark für Verunsicherung
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Potsdam-Mittelmark – Bei vielen sorgt er erst einmal für Verunsicherung: Hauseigentümer im Landkreis erhalten zurzeit einen „Amtlichen Feuerstättenbescheid“ von ihrem Bezirksschornsteinfeger. Darin aufgelistet sind die anfallenden Kehrarbeiten und Überprüfungen an Heizungs- und Lüftungsanlagen für die nächsten Jahre. Eine Rechnung für die Ausstellung des Bescheides – je nach Zahl der Anlagen in Höhe von 12 bis 40 Euro – liegt ebenfalls bei. Es ist ein Novum, denn bislang hatte der Handwerker in Schwarz die Arbeiten automatisch ausgeführt. Ab dem kommenden Jahr jedoch herrscht Wahlfreiheit: Wer mit seinem Bezirksschornsteinfeger unzufrieden ist, kann wechseln – und mit einem neuen Auftragnehmer die Preise frei verhandeln.
Mit der ab Januar 2013 geltenden Novellierung des bundesweiten Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes wird das bisherige Monopol der Bezirksschornsteinfeger zumindest teilweise aufgebrochen, der Markt entsprechend EU-Vorgaben liberalisiert. Sogenannte freie Schornsteinfeger stehen in den Startlöchern, um künftig die handwerklichen Arbeiten ihrer innungs-organisierten Kollegen zu übernehmen. Sie werben mit Preisvorteilen von bis zu 30 Prozent. Für die bisherigen „Platzhirsche“ bedeutet die Neuregelung eine klarere Trennung ihrer Aufgaben einerseits als Behörde, andererseits als Handwerker: Während ein Bezirksschornsteinfeger weiterhin von Amtswegen für brandschutzrechtliche Aufgaben wie die Feuerstättenschau, die künftig zweimal in sieben Jahren erfolgen soll, oder die erstmalige Abnahme von Heizungsanlagen zuständig ist, muss er als Handwerker künftig um turnusmäßige Aufträge für Kehrarbeiten, Abgasmessungen und Ähnliches mit anderen konkurrieren.
Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer mit Sitz in Berlin begrüßt die Neuregelung. „Wenn das eine Entlastung für die Eigentümer bedeutet, kann es nur gut sein“, so Verbandssprecher Holger Becker gegenüber den PNN. Allerdings sei es nur ein erster Schritt „und nicht das Ziel unserer Träume“. Laut Becker hätte man die amtlichen Aufgaben der Bezirksschornsteinfeger generell den Baubehörden übertragen müssen – um so einen Konflikt zwischen behördlichen und wirtschaftlichen Interessen von vornherein auszuschließen.
Der Verband beobachte im Moment zahlreiche Revierkämpfe, so Becker weiter. Freie drängen auf den Markt, während die Bezirksschornsteinfeger versuchen würden, ihre Kunden an sich zu binden. Im Zusammenhang damit kritisierte er die Informationspolitik letzterer. Statt ihre Kunden auf die neuen Möglichkeiten hinzuweisen, würden sie unterschriftsreife Kehrverträge verschicken.
Der Landesinnungsverband des Schornsteinfegerhandwerkes weist die Kritik zurück. Natürlich wolle jeder seinen Kundenstamm erhalten, aber nicht mit allen Mitteln, so Vorstandsmitglied Olaf Hernick, gleichzeitig Bezirksschornsteinfeger in Stahnsdorf – einem der 22 Kehrbezirke im Kreis. „Seit 2010 werden bei mir alle Kunden mit verständlichen Schreiben informiert – und ich bekomme 90 Prozent der Aufträge zurück“, erklärte er. Dass durch die Neuregelung die Kosten für den Schornsteinfeger sinken, hält er für unwahrscheinlich. Denn aus bisher klar definierten Gebühren würden künftig Preise. Der freie Markt sei längst da, aber auch die freien Schornsteinfeger müssten sehen, wie sie wirtschaftlich arbeiten.
Hernick beobachtet indes ein ganz anderes Phänomen: Durch die Liberalisierung würde längst nicht mehr jeder Kunde die Notwendigkeit einsehen, dem Schornsteinfeger die Tür zu öffnen. In diesem Jahr habe er bereits zwei sogenannte Ersatzvornahmen einleiten müssen, bei denen ihm die Polizei Zutritt zu den Heizungsanlagen verschaffen musste. „Das hat es bei mir in zwölf Jahren nicht gegeben.“ Tatsächlich haben Hauseigentümer ab dem kommenden Jahr nicht nur die Wahlfreiheit, sondern auch mehr Verantwortung. Sie müssen schriftlich nachweisen, dass die im Feuerstättenbescheid geforderten Arbeiten tatsächlich und zu den vorgeschriebenen Terminen ausgeführt worden sind. Ansonsten drohen saftige Ordnungsgelder. Eine mögliche einfache Alternative wäre zwar, Heizungsbaufirmen mit diesen Aufgaben zu betrauen, doch laut Hernick würde es sich für diese Unternehmen kaum lohnen, die entsprechenden Qualifizierungen zu erwerben – weil Kosten und Nutzen zu weit auseinander liegen würden.
Aufgrund des höheren Aufwandes werden wohl auch die meisten Mittelmärker bei ihrem Schornsteinfeger bleiben – wenn sie nicht sogar schon unterschrieben haben. Für ihn sei es auch eine Frage der Sicherheit, sagt zum Beispiel der Beelitzer Stadtverordnete und Hauseigentümer Günter Hamecher. „Es ist ganz gut, wenn neben der Heizungsfirma auch noch einmal ein Unabhängiger die Anlagen überprüft.“ Er sei zufrieden mit seinem Schornsteinfeger und werde ihn deshalb auch behalten – ob er nun günstiger oder teurer wird als andere.
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