
© Thomas Lähns
ZUR PERSON: „Menschen besinnen sich gern auf ihre Wurzeln“
Philip Kiril Prinz von Preußen, zurzeit Pfarrer in Langerwisch, über seine Herkunft, die Monarchie und die Rolle der Kirche
Stand:
Herr von Preußen, Sie arbeiten seit 2009 als Pfarrer, im April dieses Jahres sind Sie nach Langerwisch gekommen. Werden Sie oft auf Ihre Herkunft angesprochen?
Natürlich fragen die Leute nach, das bringt der Name mit sich. Manche treten schüchtern an mich heran, andere offen und neugierig. Mir begegnen erfreulich wenige Ressentiments. Das habe ich als Kind und Jugendlicher anders erlebt. Bei den Gemeindemitgliedern herrscht eine positive Aufgeschlossenheit. Da wirkt es sich wohl auch aus, dass ich ein eher untypischer Vertreter des Hochadels bin, wie mir immer wieder bestätigt wird: ohne Dünkel, Distanziertheit und dem Adelsjargon. Ich bin bürgerlich erzogen worden – und habe auch als Christ sehr schnell verstanden, dass vor Gott nicht der Name gilt. Er gewichtet mein Herz, meine Überzeugungen und meine Taten.
Die Neugier mag auch an der Präsenz Ihrer Vorfahren anlässlich diverser Jubiläen liegen: Vor 600 Jahren kam mit Burggraf Friedrich von Nürnberg der erste Hohenzoller in die Mark, vor 300 Jahren wurde Friedrich II. geboren. Wie gehen Sie damit um?
Ich halte wenig davon, sich nur auf den Glanz der früheren Generationen zu berufen. Daraus kann man lernen, aber im Wesentlichen muss man sich sagen: Du hast heute deine Aufgabe. Meine Vorfahren hatten zu ihrer Zeit ihre Verantwortung, die sie mal mehr und mal weniger gut wahrgenommen haben. Wobei man bei Friedrich dem Großen merkt, dass ihm die Herrschaft Brandenburg-Preußens eine Herzensangelegenheit war. Es ist doch großartig, wenn sich ein absolutistischer Monarch als erster Diener seines Staates sieht. Und so ist auch für mich die Frage: Wie kannst du deinem Land dienen? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich es am besten als Pfarrer kann.
Die Zeiten dafür sind nicht einfach: Die Kirchenbänke bleiben immer häufiger leer, Kirchenkreise müssen fusionieren, weil Geld und Personal knapp werden.
Leider ist vielen die Kirche nicht mehr wichtig genug. Wenn die Menschen merken würden: Es ist etwas Existenzielles, ich brauche das, ich bekomme da etwas, das mir guttut, dann würden sie auch kommen. Dafür muss man dicke Bretter bohren, mit fröhlichem Gottvertrauen.
Die Kirchenferne wird hier oft mit der DDR-Vergangenheit begründet.
Die Erklärung geht nicht tief genug. Im Westen gibt es längere Mitgliederlisten, aber genauso wenig Kirchgänger wie hier. Damit dürfen wir uns nicht abfinden, es wäre unterlassene Hilfeleistung. Wir müssen uns als Pfarrer an die eigene Nase fassen: Wie können wir die hocherfreuliche, beglückende und befreiende Nachricht von der Liebe Gottes noch besser vermitteln. Und zwar auf eine Weise, die nicht aus frommen Floskeln besteht und über die Köpfe hinweg geht. Ein weiterer Punkt ist der oft fehlende missionarische Impetus. Jesus sagt: Geht hin in alle Welt und macht alle Völker zu Jüngern. Das heißt, dass wir uns auch hier umschauen müssen. Und was viele meiner Kollegen anscheinend kaum den Menschen mehr zumuten wollen: dass es irgendwann mal ein jüngstes Gericht geben wird.
Wie kann Kirche wieder mehr Menschen erreichen?
Indem wir die Botschaft vom Kreuz verkünden – und dabei auch an die „Verpackung“ denken. Also an die Sprache, an die Musik, die wir wählen. Nicht jeder mag zum Beispiel Orgelklänge. Man kann Interviews oder Filmsequenzen in den Gottesdienst einbauen. Es geht darum, niedrigschwellige Zusatzangebote zu schaffen. In der Wilhelmshorster Kichengemeinde habe ich überraschend viele junge Familien vorgefunden, die sich auch in der Richtung engagieren. So etwas sieht man sonst selten. Die zweite Ebene, auf die es ankommt, ist das „Ora“, also Gott zu bitten, dass er die Menschen bewegt. Das darf natürlich nicht als Selbstentlastung für die Pfarrer gesehen werden.
1989 hatten sich Zehntausende unter dem Dach der Kirche versammelt, um in der DDR ihre Vorstellungen von Freiheit zu formulieren. Hätte man darauf aufbauen müssen? Sollte Kirche wieder politischer werden?
Kirche ist immer politisch gewesen. Das ist es ja gerade: Die Wächterfunktion wurde überbetont – während der Ruf zum Glauben an Jesus, den Herrn der Welt, der uns eine innere Freiheit schenkt, unterbelichtet wurde. Gesellschaftskritik üben, das können Amnesty International und Greenpeace viel spektakulärer. Die gesellschaftskritische Funktion der Kirche ist eine zwar wichtige Folge des Glaubens. Wenn man sie ins Zentrum rückt, erzeugt man keine Bindung an Gott, sondern nur an Themen.
Es kann doch kein Zufall sein, dass die beiden führenden Köpfe Deutschlands einen christlichen Hintergrund haben: Joachim Gauck war früherer Pfarrer und Angela Merkel stammt aus einer Pfarrersfamilie.
Ich denke, den meisten Bürgern ist das gar nicht bewusst. Die beiden haben ihre Herkunft ja auch nie heraushängen lassen. Ich habe vor kurzem gelesen, dass die ostdeutschen Pfarrersfamilien intelligente, unabhängige, gebildete und freiheitsliebende Charaktere hervorgebracht haben. Und die sind offensichtlich gerade sehr attraktiv.
Auch Sie beziehen politisch Stellung: Nach den Affären um Ex-Bundespräsident Christian Wulff hatten sie die Wiedereinführung der parlamentarischen Monarchie zur Diskussion gestellt und für Schlagzeilen gesorgt.
Mir ist wichtig zu unterscheiden zwischen dem Hohenzoller, der ich nun mal bin und der sich dazu, wenn er gefragt wird, äußert, und dem Pfarrer, für den auf der Kanzel andere Dinge eine Rolle spielen. Die Debatte hat gezeigt, dass die Vorstellung einer Monarchie die Leute umtreibt. Natürlich gab es auch negative Wortmeldungen. Es sind aber nicht wenige, die positiv, teilweise euphorisch reagieren – keine Hofklakeure, die schon immer ihren „Kaiser Wilhelm“ wiederhaben wollten, sondern reflektierte Leute. Die Menschen besinnen sich gern auf ihre Wurzeln – mit der Erforschung des Stammbaums, aber auch durch die Rekonstruktion von Häusern und der Umbenennung von Straßen. Aber was viele noch nicht zu denken wagen: Dass es darauf hinauslaufen müsste, diese gesellschaftliche Rückbesinnung auch mit Leben zu füllen. Da zehren wir noch immer an den schrecklichen Hypotheken unserer deutschen Geschichte.
Immerhin: Das Potsdamer Stadtschloss ist fast aufgebaut, das Berliner ist in Planung ...
Prima, aber nicht das gleiche. Wenn im Buckingham Palace nicht die Queen residieren würde, sondern das Parlament – oder noch glanzloser: ein Kulturforum – würden die Leute nicht in Scharen hinpilgern, das hat nicht diese Aura. Es sind Menschen, welche die über Jahrhunderte getragene Verantwortung symbolisieren, die es ausmachen und mit denen man sich identifizieren kann.
Das Interview führte Thomas Lähns
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Philip Kiril Prinz von Preußen, Jahrgang 1968, ist ein Ururenkel des letzten Deutschen Kaisers, Wilhelms II. Philips Vater Friedrich Wilhelm (*1939) war Kronprinz, wurde jedoch enterbt, weil er eine „Bürgerliche“ geheiratet hat. Philip Kiril wuchs bei seiner Mutter im ostholsteinischen Plön auf und studierte Jura. Später arbeitete er als Grund- und Hauptschullehrer für Religion, Deutsch und Sport. 1998 begann er ein Theologiestudium, seit 2009 arbeitet er als Pfarrer in Brandenburg. Von April bis September 2012 ist er für die Kirchengemeinden Langerwisch und Wilhelmshorst zuständig und vertritt Pfarrerin Steffi Jawer in ihrer Elternzeit. Der Hohenzoller ist verheiratet und hat sechs Kinder, die Familie lebt in Oranienburg. lä
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