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Potsdam-Mittelmark: Mild bis kräftig

Das Werderaner Weinbaugebiet wächst – die Ansprüche der Winzer auch 13. Brandenburgische Jungweinprobe in der frisch sanierten Villa Kempner

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Werder (Havel) - Ein kräftiger Weißburgunder, ein milder Müller-Thurgau, ein fruchtiger Saphira – auch in diesem Jahr können sich die Qualitätsweine aus Werder (Havel) wieder sehen und schmecken lassen. Insgesamt 30 000 Flaschen „weißen“ hat allein Winzer Manfred Lindicke aus der Lese des vergangenen Jahres produziert. Seine traditionsreicher Tropfen vom Werderaner Wachtelberg bekommt allmählich Zuwachs: Auf dem Phöbener Wachtelberg werden seit dem vergangenen Jahr Weißburgunder und Rosé-Cuveé angebaut, und ab 2013 sollen auch am Hang des Galgenberges unter der Bismarckhöhe Rebstöcke gesetzt werden – auf 1,4 Hektar. Auf dem Weingut Klosterhof in Töplitz wird indes schon vergangenem Jahr selbst gekeltert.

Die Nachfrage nach Qualitätswein von der Havel steigt – und mit ihr die Ansprüche, welche die Winzer an sich selbst stellen. Bei der Brandenburgischen Jungweinprobe am Freitag trafen Werderaner Weine auf jene aus dem südbrandenburgischen Schlieben. Seit 13 Jahren laden die beiden Fördervereine gemeinsam zur Kostprobe im Frühjahr. Der „Verein zur Förderung des historischen Weinbaus im Raum Werder (Havel)“ hatte diesmal die Villa Kempner angemietet. Das Haus erscheint nach seiner Sanierung mindestens ebenso edel wie die ausgereichten 15 Rebsorten „made in Brandenburg“.

Für das geschichtsträchtige Haus im Norden der Stadt war es die erste Veranstaltung seit Jahren. In den 1920ern wurde die Villa vom Berliner Rechtsanwalt Paul Kempner errichtet. Kempner arbeitete für seinen Schwiegervater, den Bankier Franz von Mendelssohn. 1938 floh er vor den Nationalsozialisten in die USA. Die Villa wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Kasino für die Rote Armee, zu DDR-Zeiten war sie Altersheim.

2006 übernahm ein russischer Millionär, der auch in Werder wohnt, das Anwesen, um es zu sanieren – allerdings sei sein Tatendrang bald durch die Behörden gebremst worden, sagte die Verwalterin Tatjana Weidemann. Immer wieder mussten die Arbeiten in dem denkmalgeschützten Bau neu beantragt und genehmigt werden. Aus der für Herbst 2011 geplanten Eröffnung ist nichts geworden, im Moment warte man noch auf die Brandschutztüren. Erst im Juni werde alles fertig sein.

Bis auf Weiteres werde es aber keinen durchgängigen Hotel- und Restaurantbetrieb geben. „Dafür müsste man genügend Personal zur Verfügung haben“, erklärte die Verwalterin. Deshalb könne die Villa mit ihren 15 Zimmern sowie Pool und Billardsalon im Keller erst einmal nur im Paket für Tagungen und Veranstaltungen angemietet werden. Aber es seien auch Veranstaltungen für die Öffentlichkeit denkbar, zum Beispiel mit dem Heimatverein zur Geschichte des Anwesens.

Von der Terrasse aus lässt es sich bis auf den Phöbener Wachtelberg blicken – passend zur Jungweinprobe am Freitagabend. Man hatte das Besondere gesucht, auch um das Erreichte zu feiern. Zehn Hektar umfasst das Werderaner Anbaugebiet mittlerweile, so der Vorsitzende des Weinvereins, Rolf-Hermann Löhr. „Wir mussten schon unsere Satzung ändern“, sagte er. Statt sich auf den Wachtelberg als Förderziel zu fokussieren, ist es nun der „Bereich Werder“ den man in punkto Weinbau voranbringen will. Die Entwicklung geht dabei so rasant, dass das zuständige Landwirtschaftsministerium (MIL) gar nicht hinterherkommt: In diesem Jahr will Winzer Lindicke seinen Wein erstmals selbst in Werder und nicht mehr in Sachsen-Anhalt keltern. Die Qualitätsprüfung muss dann das Land Brandenburg übernehmen – eine geplante Verwaltungsvereinbarung mit dem Ministerium in Magdeburg sei nicht möglich, räumte Peter Schubert vom MIL ein. Eine völlig neue Aufgabe, auf die man sich jetzt vorbereiten müsse, sagte er. Thomas Lähns

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