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Von Jana Haase: Minipausen für die „Alten“

15 000 Kursteilnehmer und 350 Ehrenamtler: Der Förderverein „Akademie Zweite Lebenshälfte“ wird 15

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Teltow – Angefangen hat alles mit einem Schock. Eine Million Ostdeutsche verloren Anfang der 1990er Jahre ihren Job oder wurden in den Vorruhestand geschickt, auch in Teltow gab es mehrere Tausend Betroffene. „Ihnen fehlte nicht nur die Arbeit, sondern plötzlich auch die sozialen Kontakte“, erinnert sich Ingrid Witzsche: „Sie fühlten sich ausgegrenzt.“ Die Pädagogin weiß, wovon sie spricht, denn sie war damals mit 37 Jahren selbst von einem Tag auf den anderen arbeitslos. Sie engagierte sich jedoch in einer der vielen „Arbeitsfördergesellschaften“ und wurde schließlich Mitinitiatorin der „Akademie Zweite Lebenshälfte“ – ein Weiterbildungsprojekt für Ältere, lange bevor die „Generation 55 Plus“ erfunden wurde und die Schlagworte vom „demografischen Wandel“ und dem „lebenslangen Lernen“ die Runde machten.

„Das war was ganz Exotisches“, erzählt Ingrid Witzsche. Das Projekt, das 1992 in Teltow und zwei anderen Brandenburger Kommunen als Pilotmodell startete, erhielt 1994 den festen Rahmen eines „Fördervereins“ und feiert in diesem Jahr seinen 15. Geburtstag. Ingrid Witzsche ist die Vereinsvorsitzende und kann brandenburgweit auf Kontaktstellen in zehn Orten und Städten mit 40 Mitarbeitern verweisen.

Allein im vergangenen Jahr zählte sie 15 000 Teilnehmer bei den Kursangeboten der Akademie. Neben Klassikern wie Englisch- oder Computerkursen gehören mittlerweile auch Kurse im Qi Gong, Stadtwanderungen, Bildungsreisen oder Vorträge etwa über Honigbienen oder die Brandenburger Wissenschaftslandschaft zum Programm.

„Es hat sich schnell herausgestellt, dass Ältere sich da sehr stark einbringen wollen“, erzählt Ingrid Witzsche: „Bildung allein reicht ihnen nicht.“ Ehrenamtsförderung sei daher in den vergangenen sieben Jahren immer wichtiger geworden: 350 Ehrenamtler engagierten sich heute unter dem Dach der Akademie. Sie helfen Schülern bei den Hausaufgaben, stellten in Teltow den „Wunschgroßelterndienst“ auf die Beine, begleiten Angehörige von pflegebedürftigen Menschen oder besuchen Seniorenheime. „Da gibt es noch mehr Potenzial“, meint Ingrid Witzsche.

Aber der Verein sucht sich auch anderswo neue Aufgaben. Etwa mit der Initiative „Hier möchte ich alt werden“ in Potsdam-Mittelmark. Gemeinsam mit dem Kreis sei untersucht worden, wie die Gemeinden noch seniorenfreundlicher werden können: Die Ergebnisse reichten von der Forderung nach mehr Unterstützung für das Ehrenamt bis hin zu konkreten Plänen für Bänke etwa in Seddin. „Die Leute haben Zeit, Wissen und sind kreativ“, sagt Witzsche: „Man muss sie nur einbeziehen.“ In Mittelmark sei genau dafür jetzt eine befristete Koordinatorenstelle geschaffen worden.

Die Akademie-Teilnehmer hätten sich im Vergleich zu den Anfangsjahren geändert, sagt Witzsche. Während in den 1990er Jahren noch viele davon ausgingen, dass die Arbeitslosigkeit nur vorübergehend sei, kämen heute immer mehr Senioren, die die Hoffnung auf einen Job längst aufgegeben haben: „Es gibt Leute, die haben drei Konkurse erlebt“, berichtet Ingrid Witzsche.

Aber auch um die „Alten“, die noch in Arbeit sind, kümmert sich der Verein. Im Zuge des Projektes „Hoffnung Alter“ sei gemeinsam mit Arbeitgebern untersucht worden, wie das Arbeitsumfeld altersgerecht gestaltet werden kann. Dabei könnten schon kleine Änderungen viel bewirken, erklärt Witzsche und erzählt von einem Seniorenheim in Brandenburg, wo für die Mitarbeiter sogenannte „Minipausen“ eingeführt wurden: „Wenn sie zum Beispiel einen Patienten geduscht haben, dürfen sie sich fünf Minuten zum Ausruhen hinsetzen.“ Dadurch dass die Pause, die ältere Mitarbeiter sowieso „zwischengeschoben“ hätten, nun erlaubt ist, habe sich das Arbeitsklima wesentlich verbessert.

Im Herbst soll auch ein Projekt starten, bei dem Ältere lernen, wie sie sich einen Arbeitsplatz selbst schaffen, indem sie ein gefördertes Projekt ins Leben rufen. Das sei genau das, was die „Akademie“ in all den Jahren macht, sagt Ingrid Witzsche. Denn eine feste Förderung für den Verein gibt es bis heute nicht.

www.akademie2.lebenshaelfte.de

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