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Potsdam-Mittelmark: Mit links nach Dreilinden
Wie Brandenburgs Finanzminister den S-Bahn-Ringschluss von Teltow nach Wannsee finanzieren will
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Kleinmachnow - Die Rampe ist verfallen, der Treppenaufgang zugewachsen und vom Gleisbett ist unter Gräsern und Moos nichts mehr zu sehen. Eingeweihte wissen trotzdem, wo sich der frühere S-Bahnhof Dreilinden in Kleinmachnow befindet. Gestern ließ sich Finanzminister Christian Görke (Linke) von Bürgermeister Michael Grubert (SPD) den zum Mauerbau geschlossenen Bahnhof zeigen, mit dem sich Kleinmachnow in die eine Richtung nach Wannsee, in die andere nach Stahnsdorf und Teltow anbinden ließe. Wenn man es will.
Die Landes-SPD hatte zu Jahresbeginn angekündigt, den Speckgürtel – zur Not zulasten der Peripherie – stärker zu fördern und im Zuge dessen den Bau oder die Belebung von S-Bahnachsen ins Berliner Umland bis 2016 neu zu untersuchen. Auch von der Teltower Region war bis hinauf zur Verkehrsministerin die Rede. Der Besuch Görkes hatte es in sich, denn bislang schien es, als wenn Brandenburgs Linke mit dem Paradigmenwechsel ihres Koalitionspartners Bauchschmerzen hat.
Zwar unterstrich Görke auch gestern, dass die Linke die „Partei der Regionen“ sei, dass es keinen neuen Schienenverkehr in Wachstumsregionen zulasten schwächerer Regionen geben werde. Dennoch schlug er auch versöhnliche Töne an. So präsentierte der Vize-Ministerpräsident eine Karte, auf der zu sehen war, dass die Region Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf über fast keine Schienenanbindung verfügt. Für einen Siedlungsraum mit 60 000 Einwohnern – größer als Frankfurt (Oder) – sei das fragwürdig.
Deshalb habe man sich ja auch schon im Koalitionsvertrag mit der SPD darauf verständigt, die Schienenanbindungen des engeren Verflechtungsraumes unter die Lupe zu nehmen, so der Finanzminister. Görke sieht im Teltower Raum ganz besonders großen Nachholbedarf, Falkensee etwa habe ja bereits eine exzellente Regionalbahnanbindung. Der Ringschluss Teltow-Wannsee sei „strukturpolitisch angezeigt, wirtschaftlich vernünftig und verkehrspolitisch sinnvoll“.
Zuvor hatte sich Görke mit Jacky Starck, dem Geschäftsführer des benachbarten Europarcs Dreilinden, unterhalten, der die Möglichkeit sieht, mit einer S-Bahnanbindung die Zahl der Arbeitsplätze – derzeit sind es fast 3000 – in kurzer Frist zu verdoppeln. Besonders die Bürokapazitäten seien ausbaufähig – und gerade Mitarbeiter-intensive Büros bräuchten einen guten ÖPNV. Klaus-Jürgen Warnick (Linke), der als Gemeindevertreter im Aufsichtsrat der kommunalen Planungs- und Entwicklungsgesellschaft sitzt, sieht die Chance, deren TIW-Gewerbepark auf der anderen Autobahnseite mit einem S-Bahn-Anschluss rasant zu füllen. Ein Ansiedlungs-interessierter Weltkonzern sei nur wegen der schlechten Bahnanbindung abgesprungen. Aus Stahnsdorf waren für den Greenpark schon ganz ähnliche Töne zu hören.
Kleinmachnows Bürgermeister Grubert betonte, dass es sich ja immer noch um eine planfestgestellte Bahnstrecke handelt, die sich binnen vier Jahren ohne aufwändiges Planverfahren ausbauen ließe. Im dritten Quartal wollen die drei Gemeinden eine Machbarkeitsstudie dazu vorstellen. Zudem seien Stahnsdorf und Kleinmachnow bemüht, die Trassengrundstücke zu erwerben. Andere Interessenten gebe es nicht, die Deutsche Bahn AG wolle bis Ende Juli entscheiden, ob sie verkauft. Dass die Bahn die Flächen überhaupt ausgeschrieben hat und damit eine riesige Chance zu verbauen droht, findet Grubert „pervers“.
Görke machte schließlich doch sehr deutlich, dass er als Finanzminister gekommen ist. Er sprach ausführlich über die Finanzierung – mit Ansage an den politischen Gegner. Denn unter den jetzigen Förderbedingungen sei der S-Bahn-Anschluss nicht zu betreiben. Und er werde einen Teufel tun, Strecken in der Peripherie für eine neue S-Bahnstrecke zwischen Teltow und Wannsee abzubestellen.
Er sprach den Streit zwischen Bund und Ländern um die Regionalisierungsmittel an, mit dem der Bund den Schienenverkehr der Länder finanziert. Der Bundesrat fordert, dass die Mittel in diesem Jahr von 7,4 auf 8,5 Milliarden Euro erhöht werden und danach um 2,1 statt jetzt 1,5 Prozent jährlich steigen. Nicht nur Görke hat den Eindruck, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Forderung in die Verhandlung um den Länderfinanzausgleich einbeziehen will. Und nicht nur für ihn hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Eine S-Bahnerweiterung gebe es jedenfalls nur, wenn Bundestag und Bundesfinanzministerium „ihre Verantwortung wahrnehmen“, stellte Görke klar. Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf sind also mitten im Haifischbecken der Bundespolitik gelandet.
Bürgermeister Grubert zeigte sich schon mal froh, dass im Land umgedacht wird. Der frühere SPD-Verkehrsminister Jörg Vogelsänger habe ja immer gesagt, dass er sich den S-Bahn-Ringschluss nicht vorstellen könne. Der neuen Landesregierung fehlt es zumindest nicht mehr an der Vorstellungskraft, den zugewucherten Bahnhof Dreilinden zu reaktivieren.
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