zum Hauptinhalt

Von Thomas Lähns: Mit Stock und Stiefel hoch hinaus

Klaus Hänel baut in Zauchwitz ein Reise- und Tourismusmuseum auf. Er will die Region entwickeln und fordert eine Kulturmeile von Beelitz nach Trebbin

Stand:

Beelitz – So ein Stock ist schon ein eigenartiges Ding: Seit Jahrtausenden begleitet er die Menschheit – und wird dabei kaum gebührend wahrgenommen. Klaus Hänel hat genau hingeschaut: Er findet Stöcke als Zeichen persönlicher Hoheit wie beim Zepter, Taktstock und am Stöckelschuh, oder als Mittel zur Aufwertung von Gebäuden – denn was ist eine Säule anderes als ein Stock? Und ist ein Fachwerk nicht ebenfalls nur ein Geflecht aus Stöcken? „Wanderstöcke sind mehr als nur eine Stütze, sie sind eine Waffe“, erläutert der 65-jährige und lässt zur Untermalung einen prächtig beschlagenes Exemplar in seine Hand klatschen.

Es lässt sich vortrefflich philosophieren über eine so simple Sache, und Klaus Hänel gerät in Verzückung, wenn beim Gegenüber der „Aha-Effekt“ einsetzt. Eine ganze Sammlung hat er zusammengetragen und mit bewusst wissenschaftlichem Beiklang „Stockadium“ genannt. Der mit Lichterketten umrahmte Schrein ist Teil seines Schaudepots in Zauchwitz mit dem Namen „Die Reisekugel“. „Museum“ will er seine Wirkungsstätte in der Dorfstraße nicht nennen, denn bis dahin liegt noch ein Stück Weg vor ihm. Andererseits würde ihm ein Museum im herkömmlichen Sinn auch gar nicht reichen: „Gegen Staub und Langeweile“ will er seine Exponate mit Leben füllen. Die Leute sollen lernen und spielen, sagt er.

Vor fünf Jahren hat der Berliner Räume im Stall des Vierseit-Hofes angemietet, auf 80 Quadratmetern dreht sich alles um das Thema Reise: Vom frühen Fotoapparat über den Wanderstiefel bis hin zu Stock und (Pflaster-)Stein. Letzterer stammt noch aus der Römerzeit, erzählt Hänel stolz. Auch ein Wohnzimmer hat er eingerichtet, denn dort startet und endet jede Reise – vom ersten Fernweh vor dem Fernseher bis hin zur abschließenden Dia-Schau. Stück für Stück baut Hänel die „Reisekugel“ aus, will in diesem Jahr noch einen weiteren Raum dazumieten, um „Aufenthaltsqualität“ zu erreichen. Langfristiges Ziel ist die Gründung eines Heimatvereins, der sich die Zauchwitzer Orts- und die Geschichte des Reisens auf die Fahnen schreiben soll.

In Sachen Reisen ist Klaus Hänel Experte: Früher hat er als Stadtplaner gearbeitet und unter anderem Oranienburg bei der touristischen Entwicklung beraten. Aber auch privat kommt er viel in der Welt herum. Der Aufbau eines Tourismusmuseums lag da nahe. „In ganz Deutschland gab es so etwas noch nicht“, erläutert er den Stein des Anstoßes. Zurzeit öffnet Hänel sein Schaudepot nur auf Anfrage und richtet zudem einmal im Jahr einen Thementag mit Partnern wie den Zauchwitzer Landfrauen aus. Veranstaltungen gab es schon zum Flugpionier Otto Lilienthal – mit einem Nachbau eines seiner Apparate konnten die Gäste im Garten abheben – und zu Karl May. Dazu wurde ein Theaterstück aufgeführt. In diesem Jahr geht es am 4. September um „Das Lied der Reise“. Die Wandergitarre als typisches Utensil steht schon bereit.

Die Führung durch sein Depot erledigt Hänel mit Augenzwinkern und sein Hang zum Ironischen kommt durch die Exponate zum Ausdruck: An seinem Tourometer können Besucher testen, ob sie fähig sind, ökologisch zu reisen. Die Vorrichtung, auf die man die Hand legt, beinhaltet einen Kontakt und allein der Körperstrom bringt den Zeiger zum Ausschlagen – immer. Die Moral: Jeder kann auf Bahn oder Fahrrad umsteigen. Von der Decke hängt ein altes Faltboot, auf einem Regal liegen reisetypische Kopfbedeckungen, vom Tiroler- bis zum Safarihut. Aus einem Fach darunter zaubert der Hobby-Kurator eine kleine Holzgondel hervor, beklebt mit Muscheln. „Herrlich kitschig“, kommentiert er das Souvenir aus Venedig. Aber auch clever, findet Klaus Hänel: „Denn damit haben die ihre Landschaft gleich zweimal verkauft.“

So etwas würde er sich auch für die Nuthe-Nieplitz-Region wünschen: Ein typisches Souvenir aus regionalen Rohstoffen. Allerdings muss Hänel feststellen, dass die Selbst-Vermarktung hier noch am Anfang steht. Die Spargelbauern müssten enger kooperieren, die Gastronomen sich mehr einbringen. Hänels Idee: Eine Kulturmeile von Beelitz nach Trebbin entlang der B 246. Über ein Dutzend Attraktionen befinden sich an der 20-Kilometer langen Strecke, die man per Rad gut erkunden könnte: Dorfkirchen, Heimathäuser, die Bockwindmühle und nicht zuletzt der Naturpark selbst. „Nur muss man den Touristen auch an die Hand nehmen“, argumentiert Hänel. Das fange bei einem günstigen Beelitz-Ticket für die Bahn an und ende bei Verkaufsständen für Speisen und Getränke direkt an den Radwegen. Auch ein Trecker-Shuttle wäre denkbar: Wenn Regen oder Erschöpfung zu stark werden, können sich müde Radler beim Bauern „hinten drauf“ schwingen und bis zum nächsten Hotel oder Bahnhof mittuckern.

„Der Kulturtourist gibt das meiste Geld aus: 60 bis 80 Euro am Tag“, sagt der Experte. Tagesausflügler seien da weitaus sparsamer. Umso größer sei die Chance, mit dem Deutschen Wandertag 2012 die Region nach vorn zu bringen. Hierfür sieht Hänel aber noch Handlungsbedarf. Neben dem typischen Souvenir müsste auch eine Stocknadel entworfen und produziert werden. Die kleinen Metallplättchen nageln sich Wanderer als Trophäe an ihren Stock. Ihr Fehlen wäre wie ein Olympia ohne Medaillen. Mit dem Kopf deutet er auf die reich verzierten Exponate in seinem „Stockadium“. Das soll in zwei Jahren eine ganze Ausstellung füllen. Der Grundstock ist schon mal gelegt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })