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Zusammen für Nudow. Monika Fürstenberg ist eine der Initiatorinnen des Nudow-Seh-Ums. Sie schätzt den Gemeinschaftsgeist im Ort, der auch Museum möglich macht.

© S. Gabsch

Potsdam-Mittelmark: Mittagspause auf der Picknickdecke

Nudow erinnert in seinem winzigen Heimatmuseum an mehr als 100 Jahre Ortsgeschichte

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Nuthetal - Der Teddybär blickt etwas zerzaust durch die Glasscheibe der Vitrine. „Der gehört unserem Ortsvorsteher“, sagt Monika Fürstenberg. Umringt ist der Bär von Spielzeugen, auf die vor 50 Jahren wohl jedes Kind stolz gewesen wäre: ein kleiner Holzlaster, eine mit roten Zacken verzierte Blechtrommel und ein Feuerwehrauto, das oben auf der Vitrine steht. Jeder Nudower, so scheint es, hat nochmal in seiner Erinnerung und auf seinem Dachboden gekramt, um das „Nudow-Seh-Um“ zu vervollständigen.

Da hängen voluminöse Baumwollunterhosen an Wäscheleinen unter der Decke, lehnt rostiges Landwirtschaftsgerät an den Wänden und wacht eine Vogelscheuche in Sonntagsfrack und -hut über ein Butterfass. Herzstück der Ausstellung aber ist eine Galerie alter Fotos, die Szenen aus vergangenen Nudower Zeiten zeigen. Etwa Männer mit Schiebermütze und Frauen mit Kopftüchern, die offenbar harte Feldarbeit verrichtet haben und nun auf einer Picknickdecke eine Pause einlegen. Datiert ist das Bild auf das Jahr 1930. Etwas weiter links hängt eine noch ältere Aufnahme: Mehrere Bauarbeiter sitzen und stehen auf einem Stahlträger – ganz so wie auf dem berühmten New Yorker Foto „Mittagspause auf einem Wolkenkratzer“, das aber erst 1932 entstand. Das Nudower Bild ist von 1915 und zeigt eine Szene beim Bau des Berliner Grabens. Viele der Fotos sind von Vereinen gespendet worden. Es sind Gruppenbilder dabei sowie Landschaftsaufnahmen oder auch mal die Momentaufnahme einer lustigen Männergesellschaft, die sich für den Herrentag in den 50er-Jahren in Schale geworfen hat – harmlose Alltagsszenen, scheinbar herausgelöst aus der Geschichte, die Deutschland und die Welt im vergangenen Jahrhundert erlebt haben.

Eine Ahnung von jener Geschichte liefert immerhin das Bild vom letzten Müller Nudows, Otto Steinke. Der ging 1961, kurz vor dem Mauerbau, in den Westen und musste seine Mühle hinter sich lassen, informiert ein Hinweisschild. „Das ist ihm schwer gefallen“, sagt Monika Fürstenberg. Ein Sohn des Müllers überließ dem Nudow-Seh-Um nun die Fotos.

Für Monika Fürstenberg ist das Museum mehr als nur ein Ehrenamt. Als sie 1998 von Potsdam-Waldstadt herzog, habe sie schnell gemerkt, dass in Nudow eine lebendige Dorfgemeinschaft existierte, erzählt die 63-jährige Sportlehrerin. Das erleichtere das Kontakteknüpfen für Neuzugezogene wie sie. In ihrer Freizeit begann sie, sich zu engagieren, wann immer es ein Fest oder eine gemeinsame Aktivität zu organisieren gab. So auch bei der 650-Jahr-Feier des Orts, die 2009 im Gemeindehaus gefeiert wurde. Für die historische Ausstellung trugen die Bürger damals zusammen, was sie an Erinnerungsstücken finden konnten. „Als das Fest vorüber war, fanden wir es zu schade, die Ausstellung einfach aufzulösen und haben nach einem geeigneten Raum Ausschau gehalten“, erzählt die Mitorganisatorin. Dieser fand sich schließlich im leerstehenden alten Spritzenhaus.

Was dann passierte, ist ebenfalls auf Fotos festgehalten, die an den Museumswänden hängen. Mit vereinten Kräften richteten rund 20 Nudower den einstigen Geräteschuppen wieder so her, dass er als Heimatmuseum dienen konnte: Einer brachte eine ausrangierte Tür aus der Klinik mit, in der er arbeitete, ein anderer brachte Lampen aus dem Studio Babelsberg mit, die dort nicht mehr gebraucht wurden. Firmen aus dem Ort halfen unentgeltlich dabei, die Wände zu restaurieren und alle Helfenden trugen gemeinsam die Exponate an ihren neuen Ausstellungsort. „Rund 300 Arbeitsstunden haben wir insgesamt investiert“, sagt Fürstenberg.

Das ist das, was Fürstenberg an ihrem Heimatort so mag: „Dass jeder mithilft, wenn es etwas zu tun gibt.“ Was nicht so gut ist: Die Infrastruktur, die Verkehrsanbindung – gerade Ältere brauchen zuweilen Hilfe dabei, sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Aber zum Glück fände sich die in Nudow ja schnell.Julia Frese

Das Nudow-Seh-Um ist freitags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Besucher sollen sich im benachbarten Gasthof Nudow, Nudower Dorfstraße 39, melden

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