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Stäbe, die im Bündel stärker sind: Das neue Denkmal in Teltow.

© Kirsten Graulich

17. Juni: Mutigen Frauen ein Denkmal gesetzt

Teltower Schüler erinnern an Mitarbeiterinnen des Dralowid-Werkes, die vor 58 Jahren aufbegehrten

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Teltow - Teltow hat ein neues Denkmal, das an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnern soll. Gestern wurde es am Hamburger Platz feierlich enthüllt. Für die Stadt ein historischer Standort: Gegenüber befand sich einst das Tor des Dralowid-Werkes, wo sich vor 58 Jahren um 10 Uhr die Belegschaft versammelt hatte, um ein Forderungsschreiben an den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grothewohl zu formulieren.

Auch die Teltower Werktätigen waren von Normerhöhung, schlechter Versorgungslage und unbefriedigender Wohnungssituation betroffen. Im benachbarten Askania-Werk wurde schon seit 8 Uhr morgens gestreikt, um 11 Uhr legten auch bei Dralowid die Beschäftigten ihre Arbeit nieder – während draußen auf der Potsdamer Straße russische Panzer nach Berlin rollten. Einen Tag später umstellten Volkspolizisten das Dralowid-Werk. 25 Arbeiter wurden verhaftet und nach Potsdam transportiert. Da beschlossen die Frauen der Belegschaft: „Wir arbeiten erst weiter, wenn unsere Kollegen wieder zu Hause sind“. Die Staatsmacht gab nach, ließ die Verhafteten frei.

Zeitzeuge Wilfried Becker hatte diese Geschichte den Schülern der Klasse 10 a des Kant-Gymnasiums erzählt. Die Schüler beschäftigten sich in einem Geschichts- und Kunstprojekt mit dem Thema Volksaufstand. Ihr Auftrag: ein Kunstobjekt zu gestalten, das an dieses denkwürdige Ereignis erinnern soll. Den Auftrag haben die Teltower Stadtverordneten erteilt, die für das Vorhaben auch gleich 20 000 Euro bereitstellten.

Künstlerisch begleitet wurden die Schüler in der „Gestaltungsphase“ vom Berliner Kunstschmied Torsten Theel. Er hatte bereits Erfahrungen mit einem Schüler-Kunst-Projekt in Alt-Ruppin gesammelt, wo der russische Soldatenfriedhof neu gestaltet wurde. Die Teltower Zehntklässler brachten ihre Ideen zu Papier, später besuchten sie den Kunstschmied in seiner Werkstatt in Dahlem. Doch bevor sie gemeinsam die ersten Modelle gestalteten, recherchierten sie in Internet und Bibliotheken das geschichtliche Ereignis, von dem bis dahin nur die wenigsten von ihnen etwas gehört hatten.

Gregor Wilkening, ein junger Referendar, verstand es, das Interesse der Schüler für das Thema zu wecken. „Er schaffte es sogar, uns noch in der achten Stunde zu motivieren“, erzählte eine der sieben Beteiligten. Sogar Rollenspiele übten die Schüler und sprachen mit Zeitzeugen. So erfuhren sie auch, dass es in der Region viele Orte gibt, die einen Bezug zum 17. Juni haben. „Der Eindruck aus erster Hand ist wichtig für eine emotionale Annäherung an das historische Ereignis, um es später in Bildern ausdrücken zu können“, so Gregor Wilkening. Der Mut der Frauen, die ihre Kollegen „freipressten“, habe die Jugendlichen besonders berührt, und so fanden sie auch das Symbol für ihr Kunstwerk, dass sie den Frauen gewidmet haben: Stäbe, die im Bündel stark sind. Nun erstrecken sie sich in den Teltower Himmel. Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) bedankte sich für das künstlerische Ergebnis, das er „ein Denkmal gegen das Vergessen“ nannte. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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